Das Jahr 2014 steht im Zeichen des 100jährigen Jahrestags des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs. Ein Ereignis das nie in Vergessenheit geraten sollte, genauso wie die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs. Daher ist es erfreulich, dass auch in diesem Jahr Jugendbücher erscheinen, welche die Schrecken zwischen 1938 und 1945 thematisieren. "Das Geheimnis meiner Mutter" ist ein solches Buch, welches im cbj Verlag erschienen ist.
Helena lebt mit ihrer Mutter und ihrem Bruder im Polen der 1930iger Jahre. Dort haben sie sich nach der Trennung ihrer Eltern ein kleines Haus gekauft und verdienen mit dem Verkauf von Gemüse und Eiern ihren kargen Lebensunterhalt. Sie leben bescheiden, aber glücklich, bis 1939 die Nationalsozialisten in Polen einmarschieren. Die Angst greift um sich, besonders unter den Juden. Denn wie vielerorts beginnen auch hier die Anfeindungen und Angriffe gegen sie. Jüdische Kinder dürfen nicht mehr zur Schule gehen, Juden dürfen nicht mehr überall einkaufen gehen und schon bald müssen sie sogar ihre Häuser und Wohnungen verlassen und in ein für sie abgestecktes Ghetto ziehen. Hier mangelt es an allem: Platz, Lebensmitteln, Lebensqualität. Wer das Ghetto verlässt, wird erschossen. Wer bleibt, stirbt entweder durch willkürliche Gewalt seitens der Nationalsozialisten oder an den folgen des Mangels an allem. Doch einige wenige fliehen, verstecken sich. Trotz des Verbots und der Androhung der Todesstrafe der Nazis, Juden Unterschlupf zu gewähren, versteckt Helenas Mutter einige von ihnen. Sie kann nicht mit ansehen, welches Unrecht vor ihren Augen geschieht und will helfen. Selbst in ihrem kleinen Haus findet sie Platz. So versteckt sie im Schweinestall eine Familie, im Keller eine weitere und wäre das nicht schon schlimm genug, gewährt sie einem deutschen Deserteur Unterschlupf auf ihrem Dachboden. Alle wissen nichts voneinander, doch sie wissen eines: Helena und ihre Mutter begeben sich in tödliche Gefahr...
Auch wenn "Das Geheimnis meiner Mutter" ein Roman ist, eine erfundene Geschichte, basiert der Kern der Handlung auf wahren Begebenheiten. Helena und ihre Mutter Franzciszka Halamajowa haben tatsächlich im Polen des Zweiten Weltkriegs gelebt, Juden versteckt und ihnen geholfen, diese furchtbaren Jahre der Verfolgung zu überleben. Doch in Art und Zahl der geretteten Menschen weicht der Roman von den Tatsachen ab.
Das ist jedoch kein negativer Kritikpunkt, denn der Autorin ging es um etwas anderes. Sie wollte mit ihrem Buch an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnern, aber auch daran, dass es mutige Menschen gab, die bereit dazu waren, für andere ihr Leben zu riskieren.
Da sich das Buch an junge Menschen, Jugendliche richtet, ist es freilich sprachlich sehr einfach und auch inhaltlich sehr oberflächlich geschrieben. Die Schrecken, alltägliche Angst vor der Entdeckung aber auch die Hoffnungslosigkeit, Ausweglosigkeit und die Grauen der Judenverfolgung werden in dem Buch bei weitem nicht so brutal und grausam dargestellt, wie es in vergleichbaren Werken für erwachsene Leser geschieht. Somit können bereits recht junge Leser sich mit der Materie beschäftigen, ohne nachts von Alpträumen geplagt zu werden.
Das soll aber nicht heißen, dass die Autorin die Ereignisse beschönigt oder entwertet. Keineswegs, denn die Schrecken jener Jahre werrden - wenngleich gewaltarm -sehr wohl dargestellt. Etwa wenn sie vom Tod Helenas Bruder spricht, von der verzweifelten, lebensgefährlichen Flucht aus dem Ghetto oder dem Greifen der Juden nach jedem Strohhalm, wenngleich dies in Wahrheit der Weg in den Tod ist.
Es gibt Momente im Buch, da hält man als Leser den Atem an, etwa als ein Nachbar hinter das Geheimnis von Helenas Mutter kommt und plötzlich ein Damoklesschwert über allen schwebt.
Ein weiteres Stilmittel um den Schrecken jener Jahre, jene Angst, die bei einer solchen Rettungsaktion mitspielte, darzustellen, war nicht nur Helena die Ereignisse erzählen zu lassen, sondern auch jeweils einen Vertreter der beiden jüdischen Familien und auch den Deserteur zu Wort kommen zu lassen. Jede dieser Personen erhält ein eigenes Kapitel, in dem sie aus ihrer Sicht die Ereignisse schildert und was sie dazu brachte, in dem kleinen Haus bei den beiden Frauen Unterschlupf zu suchen. Helena darf dabei nicht nur am Anfang des Buches zu Wort kommen, sondern auch am Ende des Buches. Hier schildet sie den Ausgang der Ereignisse und wie es weiterging.
Zusammengefasst ist "Das Geheimnis meiner Mutter" ein weiterer bewegender und erschütternder Roman, der sich mit den Schrecken des Zweiten Weltkrieges und insbesondere des Überlebenskampfs der Juden befasst. Er ist speziell auf Jugendliche zugeschnitten und konzentriert sich in seiner Handlung dabei auf das Wesentliche. Viele gewaltsame und brutale Elemente hat die Autorin beim Schreiben abgeschwächt, aber die Tragik jener Jahre bleibt trotzdem präsent. Das macht das Werk empfehlenswert für jugendliche Leser.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:06/2014
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Umfang:256 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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Altersempfehlung:12 Jahre
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ISBN 13:9783570402580
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Preis (D):7,99 €