Mobbing ist ein Thema, das wir in unserer Zeit sehr ernst nehmen. Dabei existiert Mobbing nicht nur im Berufsleben, es hat auch andere Bereiche unserer Gesellschaft im Griff. Selbst Kindergarten und Schule sind davor nicht gefeit. Wie es sich für jemanden anfühlt, für andere als Prügelknabe herhalten zu müssen, darüber erzählt Nina Vøgt-Østli in ihrem Jugendroman "Der Tag wird kommen".
Seit beginn seiner Schulzeit steht Hans-Petter in der Rangordnung ganz unten. Seine Klassenkameraden schikanieren und mobben ihn, wann immer sie können. Allen voran Andreas. Die Schullehrer und Hans-Petters Mutter sind ratlos und je mehr sie versuchen, die Situation zu entschärfen, desto schlimmer wird es für den Jungen. Doch irgendwann lassen die Attacken nach. Hans-Petter nutzt diese aufkommende Ruhepause, um sich unsichtbar zu machen. Er achtet darauf, in Schularbeiten und bei Haussaufgaben nicht durch übermäßig gute Leistung aufzufallen, obwohl er sehr intelligent ist. So verschwindet er in der Mittelmäßigkeit und wird unsichtbar. Doch das ändert sich, als eines Tages der Vertrauenslehrer ihn in einem Projekt haben möchte. Hans-Petters Absagen ignoriert er und spricht den Jungen immer wieder in der Schule darauf an. So gerät Hans-Petter wieder in die Aufmerksamkeit seiner Klassenkameraden, die sich natürlich daran erinnern, in ihm ein leichtes Opfer ihrer Schikanen zu haben.
Auch seine Freizeit ist geprägt durch die Mobbingattacken seiner Mitschüler. Denn um nicht auch noch in ihr gequält zu werden, verbringt er die meiste Zeit vor seinem Computer. Dort lernt er eines Tages im Chat ein seltsames Mädchen kennen. Sie stellt sich ihm als Fera vor. Anfangs hält Hans-Petter dies noch für einen weiteren Scherz seiner Mitschüler. Doch bald erkennt er, dass Fera aus einem ganz anderen Umfeld, ja sogar einer anderen Zeit kommt. Es entstehen freundschaftliche Bande zwischen den beiden und bald schon vertraut Hans-Petter ihr seine persönlichsten Gefühle und Gedanken an...
"Der Tag wird kommen" ist ein Jugendroman, der es in sich hat; sowohl in Punkto Thema als auch in der Entwicklung der Handlung. Nach einem relativ leichten, soliden Einstieg, wird dem Leser eine Geschichte geboten, die in eine ganz andere Richtung geht, als man eingangs erwartet hat. Die Rollen sind anfangs klar verteilt: Hans-Petter ist das typische Opfer, welches von seinen Mitschülern drangsaliert und schikaniert wird. Auch versucht er - ganz typisch - sich für sie unsichtbar zu machen und so wenig wie möglich aufzufallen. Andreas hingegen ist der typische Peiniger: stark, muskulös und mit dazugehörigem Charisma.
Doch im Verlauf der Handlung verschieben sich diese Rollen, insbesondere die von Hans-Petter. Ohne zu viel zu verraten, kommt irgendwann ein Zeitpunkt, an dem er für Andreas Hans-Petter nicht mehr das Ziel dessen Schikanen ist.
Der Roman ist eine Mischung aus zeitgenössischen Themen und fiktionalen, dystopischen Elementen. Zentrales Thema ist Mobbing unter Kindern und Schülern, aber auch das Verhältnis zwischen dem Protagonisten und seinen Eltern. Denn letzteres ist alles andere als einfach. Die alleinerziehende Mutter hat nie richtigen Zugang zu ihrem Sohn gefunden und so auch nie den Grund seiner Probleme erkannt. Über Hans-Petters Vater, dem es lieber gewesen wäre, der Junge wäre nie geboren, brauchen wir erst gar nicht reden. Diese doch sehr tiefgründige, ernste und auch traurige Thematik wird ein wenig durch die Figur Fera aufgelockert. Sie stellt sich dem Protagonisten als jemand aus der Zukunft vor, wenngleich auch einer wenig positiv erscheinenden Zukunft. So erhält das Buch nicht nur eine überraschende Wendung, sondern auch zusätzlichen Pep.
Insgesamt liest sich der Roman sehr kurzweilig. Man taucht mitten hinein in das Geschehen und ist sofort davon gefesselt. Auch im weiteren Verlauf bleibt die Spannung bestehen, nimmt durch das Auftauchen Feras noch zu. Das Ende ist ein wenig offen gehalten, lässt aber dem Leser Spielraum für eigene Gedanken. Und diese eigenen Gedanken macht man sich durchaus. Denn die angesprochenen Themen sind keine leichte Unterhaltungskost, sondern hinterlassen Eindrücke. Man kann das Buch nicht einfach zur Seite legen, sondern spürt auch nach dem letzten Satz noch seine Wirkung. Die unterschiedlichsten Gedanken gehen dabei dem Leser durch den Kopf und man muss sie erst ordnen und sie sich dann setzen lassen.
Insgesamt ist "Der Tag wird kommen" ein fesselnder, spannender Jugendroman, der das brisante Thema Mobbing aufgreift. Doch durch das Einbringen fiktionaler, dystopischer Elemente hebt sich dieser Roman aus der Masse ab und wird zu mehr, als nur sozialkritischem Lesestoff. Das Buch fesselt, unterhält und hinterlässt beim Leser einen bleibenden Eindruck. Daher können wir dieses Werk allen Jugendlichen ab ungefähr 15 Jahren sehr empfehlen - selbst wenn für sie das Thema Mobbing uninteressant erscheint.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:01/2014
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Umfang:240 Seiten
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Typ:Hardcover
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Altersempfehlung:14 Jahre
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ISBN 13:9783649613862
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Preis (D):14,95 €