Opferland

von Bettina Obrecht
Rezension von Janett Cernohuby | 01. November 2014

Opferland

Mobbing wird heutzutage zwar ernst genommen und man stößt bei weitem nicht mehr auf Kopfschütteln und Unverständnis, wie noch vor einigen Jahren, dennoch fallen ihm noch immer viele zum Opfer. Auch Kinder, die einmal in diesen Teufelskreis geraten, kommen nur schwer wieder heraus. Ihre Seele hat großen Schaden genommen - insbesondere dann, wenn sie auf eine Mauer der Intoleranz gestoßen sind. Wie es Bettina Obrecht in ihrem Jugendroman "Opferland" erzählt.

Cedric ist zwar erst 16 Jahre alt, hat dennoch schon einiges durchgemacht. Nachdem er aufgrund eines Umzugs die Grundschule wechseln musste, hat er nie wieder eine Chance bekommen, sich dort einzuleben. Schon bevor die Lehrerinnen ihn kannten, war er abgestempelt - als Störenfried, der die eh schon überfüllte Klasse nur noch voller machte. So dauerte es nicht lange, bis die ersten Sticheleien seitens seiner Klassenkameraden begannen. Doch anstatt dass hier die Lehrer eingriffen, verschlossen sie ihre Augen und gaben dem Jungen die Schuld. Jahrelang quälte er sich, versuchten seine Eltern für ihn einzutreten. Doch erfolglos. Am Ende blieb nur ein Schulwechsel übrig. Doch auch der brachte nicht den gewünschten Erfolg. Auf der neuen Schule begegnete Cedric einigen seiner einstigen Peiniger wieder und die Übergriffen sowie Mobbingattacken begannen von neuem. Und die Lehrer? Schauten wieder einmal weg, sahen in Cedric den Schuldigen. Es folgte ein neuer Wechsel, dieses Mal auf eine Privatschule und es folgten neue Mobbingattacken. Dieses Mal standen die Lehrer hinter Cedric, versuchten ihm zu helfen. Erfolglos. So blieb dem Jungen nichts anderes übrig, als in die nächstegrößere Stadt zu ziehen. Weg von seiner Familie. Dieses Mal scheint Cedric den Anschluss gefunden zu haben. Er wird zwar nicht zum Klassenliebling, aber man akzeptiert ihn und lässt ihn in Ruhe. Bis zu jenem verhängnisvollen Nachmittag in der Filmgruppe. Denn hier entscheidet man sich, im neuen Filmprojekt das Thema Mobbing aufzugreifen. Und Cedric soll die Hauptrolle spielen. Als dann Lars, der ebenfalls in der Filmgruppe ist, zu Cedric im Spaß "Opfer" sagt, brennen bei diesem die Sicherungen durch.
Schafft er es denn nie, den Makel, das Brandmal auf seiner Stirn, loszuwerden?

"Opferland" ist ein ergreifender und erschütternder Jugendroman. Man begleitet einen Jungen und muss miterleben, wie dieser fertig gemacht wird. Einen Jungen wie es ihn sicherlich zahlreich an unseren Schulen gibt. Opfer, Mobbingopfer. Kinder, die aufgrund irgendeines nicht vorhandenen Makels zu Außenseitern werden. Manchen gelingt es, sich unsichtbar zu machen, sich irgendwie unbeschadet durch die Schulzeit zu hangeln. Andere, wie beispielsweise Cedric, werden dagegen attackiert, angegriffen und fertig gemacht. Es mag mit Kleinigkeiten beginnen. Eine Beleidigung, ein Schimpfwort. Irgendwann wird dann zu kleinen Angriffe übergegangen, zum Schubsen, zum Bein stellen. Spüren Kinder spätestens hier nicht, dass sie zu weit gegangen sind, werden aus kleineren Übergriffen große.
Das Buch berührt. Ganz unweigerlich kommen einem die verschiedenste Gedanken in den Kopf. Man erinnert sich an seine Kindheit und Schulzeit zurück. Wie erging es einem selbst? Gab es jemanden in der Klasse, Parallelklasse, ... dem es ähnlich erging wie Cedric? Wie weit gingen diese Hänseleien? Was haben die Lehrer getan?
Gleichzeitig möchte man in die Handlung eingreifen, sich schützend vor Cedric stellen, ebenso laut schreien, wie er es so oft tat. Die Lehrer anschreien. Die Mitschüler. Unternehmt etwas, macht doch den Jungen nicht so fertig! Doch man kann nicht. Man steht genauso hilflos da, wie Cedrics Eltern. Wie Cedrics Psychologin.
Und dann stellt sich einem die Frage nach der aktuellen Situation. Wie geht man, gehen wir heute mit dem Thema Mobbing an Schulen um? Wie werden Kinder heute geschützt? Wie gut sind Lehrer diesbezüglich ausgebildet? Mit wie viel Interesse und Überzeugung greifen sie ein?
Der Roman stellt aber noch eine andere Frage. Die Frage nach dem Warum. Wann begannen die Hänseleien und was war der Auslöser. Die Frage ist sehr leicht zu beantworten. Es war der Umzug der Eltern in dieses Dorf und der damit verbundene Schulwechsel.
Sprachlich und stilistisch hat Bettina Obrecht sehr passende Mittel gewählt. Sie erzählt die Ereignisse aus der Ich-Perspektive und in Rückblicken. Der Roman beginnt an der Stelle, als das Filmprojekt bekannt gegeben wird. In kleinen Fragmenten und in Form von Rückblicken erfahren die Leser nach und nach, wie Cedrics Kindheit und Schulzeit verlaufen ist, was er bereits alles durchgemacht hat. Diese Form gibt dem ohnehin schon erschütternden Buch noch mehr Emotionen, noch mehr Hoffnungslosigkeit.

Abschließend bleibt nur noch eins zu sagen. "Opferland" ist nicht nur ein erschütternder, ergreifender Jugendroman zum Thema Mobbing. Er ist auch ein Roman, der jungen Menschen vor Augen führt, wie man sich als Opfer solcher Übergriffe fühlt und was diese auf lange Sicht aus einem Menschen machen. Es ist ein Roman, der zum Nachdenken anregt, der Jugendliche die Augen öffnet und vielleicht auch zum Umdenken anregt. Sowohl bei Jugendliche, als auch bei Lehrern, Eltern. Wünschenswert wäre es, denn das Thema ist und bleibt nach wie vor sehr brisant und aktuell.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    10/2014
  • Umfang:
    286 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • Altersempfehlung:
    12 Jahre
  • ISBN 13:
    9783570402481
  • Preis (D):
    7,99 €

Bewertung

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