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You don't look gay

von Julius Thesing
Rezension von Janett Cernohuby | 05. Oktober 2020

You don't look gay

Gymnasium, 5. Schulstufe. Das Schuljahr hat begonnen, die Schüler*innen lernen sich gerade kennen. Ein Klassenchat auf WhatsApp wird eingerichtet, unterstützt von der Schule, die aber damit nichts zu tun haben will. Die ersten Schüler setzen Kommentare ab, es folgen Fragen nach den Hausaufgaben. Und dann taucht es auf. Ein Meme, ein Bild mit einem Satz drunter: Das ist schwul.

„Ja meine Güte, und? So sind Kinder in dem Alter. Was regst du dich darüber auf?“
Ja, warum regt es uns auf? Aber sollte die Frage nicht eher lauten, warum sagt man so etwas? Was will man damit zum Ausdruck bringen?
Sätze wie diese, Reaktionen wie diese, die derartige Beleidigungen als pubertäres Verhalten abtun, zeigen, wie tief Diskriminierung und Ablehnung Homosexueller in uns verwurzelt sind.

You don't look gay

Ich meine es ja nicht so…

Gehen wir doch einmal in uns. Überlegen wir einmal ganz genau, wie oft wir im Alltag Diskriminierung erleben. „Der Kollege XY wurde gerade von seinem Freund abgeholt. Ich habe ja schon immer gewusst, dass der schwul ist.“
Ganz ehrlich, jeder von uns hat schon einmal eine Situation erlebt, in der hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde. Weil die Nachbarin geheiratet hat - eine Frau. Weil eine Bekannte mit einer Freundin in einer WG lebt.
Alltagsdiskriminierung. Homophobie. Sie ist da und sie kommt meistens dann, wenn man gar nicht damit rechnet. In einem Gespräch, das sich zunächst um etwas ganz anderes gedreht hat. Man hat ja nichts gegen Schwule, aber…

You don't look gay

You don’t look gay

Genau dieses Aber ist es, was Julius Thesing dazu brachte Alltagsdiskriminierung, genauer gesagt Diskriminierung von Homosexuellen, zum Thema seiner Bachelorarbeit zu machen. Daraus wiederum entstand ein Jugendbuch, das mit seinem drastischen Titel und mit seiner auffallenden Farbgebung Aufmerksamkeit weckt. „You don’t look gay.“
Hierin erzählt der Autor von sich selbst, von seinem Coming-Out und von seinen Erfahrungen. Es ist ein sehr persönliches Buch, das davon berichtet was es heißt, ein Schwuler zu sein. Es erzählt vom Verstecken und Verbergen, von der Angst vor Diskriminierung und Gewalt und von Wunsch und der Zuversicht. Der Autor will kein Mitleid erzeugen, er will die Leserschaft nachdenklich stimmen. Er will ihnen einen Spiegel vorhalten, zum Nachdenken anregen und bewegen, das eigene Verhalten zu überdenken und zu reflektieren.
Alles das gelingt ihm.
Er verschafft sich Gehör. Er erzählt seine eigene Geschichte, spickt sie mit statistischen Zahlen, mit Zitaten und mit häufig gestellten Fragen. „Wer von beiden ist denn die Frau?“ Groß und plakativ sind diese Zitate eingefügt. Damit man sie im Kontext zum Buch bewusster, klarer wahrnimmt. Damit man sie sacken und auf sich wirken lässt. Damit man sich mit ihren Aussagen auseinandersetzt. Die dazugehörigen Illustrationen übernehmen den Rest. Sie spielen mit Klischees, sie zeigen einen geschminkten Mann, sie zeigen ein gehenktes schwules Pärchen, händehaltend. Sie regen zum Nachdenken und zum Kopfschütteln an.

You don't look gay

Danach…

Was bleibt nach der Lektüre?

Ein Nachdenken, ein Weiterdenken, ein Umdenken. Man wird sich der vielen alltäglichen Diskriminierungen, der babyblauen und schweinchenrosa Stolpersteine bewusst. Eine Lösung finden wir nicht. Wie auch? Denn beim Lesen wird eines klar: vor uns liegt noch ein langer Weg. Doch Bücher wie diese helfen dabei, diesen Weg zu bestreiten. Julius Thesing öffnet uns eine Tür, lädt uns zum Dialog ein. Er zeigt Diskriminierung und Homophobie, er macht auf Unrecht aufmerksam, gibt Selbstbewusstsein und Mut mit.
Also ein Buch, das jene eingangs erwähnten Fünftklässler lesen sollten?
Jain. Im Groben und Ganzen ja, wären da nicht Textstellen über Sexshops und sexuelle Praktiken, für die diese Altersgruppe noch zu jung ist. Wären da nicht Textstellen, die für jene Fünftklässler noch zu anspruchsvoll sind. Auf der anderen Seite laden letztere ein, sich zu informieren, zu recherchieren und sich bewusst mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und vielleicht verschwinden dann jene beleidigende und diskriminierende Memes aus den Klassenchats?
Das wäre wirklich schön.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Erschienen:
    08/2020
  • Umfang:
    96 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    16 Jahre
  • ISBN 13:
    9783959390941
  • Preis (D):
    14,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Anspruch:
  • Gefühl:
  • Illustration:

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