Bernd Flessner im Gespräch auf der BUCH WIEN
„Plutinchen ist der Star.“
Beitrag von Janetts Meinung | 16. November 2018
Als der Tessloff Verlag im Januar 2018 mit seiner erzählenden Buchreihe "Der kleine Major Tom" an den Start ging, war dies ein großer Schritt. Denn bisher war der Verlag hauptsächlich für seine Sachbücher, wie zum Beispiel die Wissensreihe „WAS IST WAS“, bekannt. Nun wagte man also einen neuen Schritt in ein Gebiet, auf dem es schon unzählige erfolgreiche Reihen gibt. Fast ein Jahr später trafen wir den Autor Bernd Flessner auf der BUCH WIEN und zogen Bilanz.
Im Januar 2018 ist die Serie „Der kleine Major Tom“ gestartet, mittlerweile sind acht Bände erschienen. Habt ihr damit gerechnet?
Überhaupt gar nicht. Es ist natürlich immer der Wunsch, dass es funktioniert. Das ist bei einer Reihe sehr schwer, vor allem sie zu etablieren. Um das zu erreichen, startete der Verlag mit vier Bänden gleichzeitig. Damit wollten wir dem Handel signalisieren, dass wir das durchziehen. Hätte das Konzept nicht funktioniert, wäre die Serie nicht angelaufen, hätten wir nicht weitergemacht. Aber es lief von Anfang an sehr gut. Das ist toll. Wir sind im Verkaufsranking sehr weit oben, haben viele andere, namhafte Reihen, die seit langer Zeit existieren, hinter uns gelassen. Wir alle, die Autoren und der Verlag, freuen uns, wie gut die Reihe läuft.
Ich habe ja jetzt sehr viele Lesungen absolviert, war auf der Käpt’n Book in Bonn, auf dem Lesefest in Geisenheim, bei „Zürich liest“, zudem viele kleinere Lesungen: überall stellte sich heraus, - und das ist eine wichtige Erkenntnis - dass die Reihe Jungen und Mädchen gleichermaßen gefällt. Beide haben ihre Identifikationsfiguren. Doch trotzdem stehen nicht Tom und Stella im Mittelpunkt, sondern die Roboterkatze Plutinchen. Sie ist der eigentliche Star geworden. Kinder lieben Plutinchen. Das merkt man ganz deutlich, wenn ich aus dem 7. Band vorlese, in dem Plutinchen beschädigt wird.
Plutinchen ist der Star.
So sieht es aus. Wir sind absolut positiv überrascht. Zu verdanken ist das auch der intensiven Vorarbeit. Hier haben wir viel reingesteckt, haben diskutiert, konzipiert, wir haben Gespräche mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geführt, ich habe mit Astronauten gesprochen. Wir haben im Vorfeld viel Zeit investiert, damit wir möglichst viel richtig machen. Es sollte ja kein Schnellschuss werden.
Und das hat sich ja auch gelohnt.
Nun bringt ihr in den Geschichten sehr viele komplexe Themen. Etwa Wurmlöcher. Und du hast mir verraten, dass auch Schwarze Löcher bald behandelt werden. Worin liegt die Herausforderung, die Schwierigkeit, komplexe Themen mit einfachen Worten an Kinder zu vermitteln?
Ich schreibe ja seit sehr vielen Jahren auch Bücher für die Sendung mit der Maus. Eines kann man von der Maus immer lernen: Genau das. Wie kriegt man das ganz Komplizierte mit ganz vielen Faktoren heruntergerbrochen, ohne es zu zerstören. Das ist in der Tat eine Kunst und das ist Erfahrungssache.
Für die Major-Tom-Reihe arbeitest du eng dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen. Wie ist es eigentlich dazu gekommen?
Peter Schilling hat einen sehr guten Kontakt zu einigen Astronauten, während ich den Missionsleiter der DLR von wissenschaftlichen Tagungen her kenne. Diese Kontakte haben wir genutzt.
Wie kann man sich diese Zusammenarbeit mit dem DLR vorstellen?
Alles was ich schreibe, schicke ich sofort an das DLR. Dort gibt es einen Kollegen, Dr. Volker Kratzenberg-Annies, der äußerst kritisch alles liest. Er macht Vorschläge, wie man das eine oder andere verbessern oder verändern kann. Er sagt, wenn ich etwas zu sehr reduziert habe, das noch ausführlicher beschrieben werden kann. Er sagt aber auch, wie jetzt beim Schwarzen Loch, das etwas noch zu kompliziert ist, wo wir noch mehr vereinfachen oder andere Vergleiche verwenden können. Es ist eine gute und äußerst hilfreiche Zusammenarbeit, auf dich ich nicht verzichten möchte.
Die ganzen Stories, das Dramaturgische, das schreibe natürlich ich. Damit hat das DLR nichts zu tun.
Kommen vom DLR auch Anregungen, welche Themen man Kindern näher bringen kann?
Nein, diese Vorschläge machen sie nicht, die haben wir im Vorfeld beschlossen. Ich war damals mit Peter Schilling in Bonn und wir haben uns mit Astronauten unterhalten. Die haben natürlich schon Vorschläge gemacht. Auch jüngst, ich war im Deutschen Museum in Bonn. Ich habe gelesen, Gerhard Thiele, Astronaut, und Sigmund Jähn, Kosmonaut der DDR und erster Deutscher im All, haben von ihren Missionen erzählt. Auch Sigmund Jähn ist ein großer Fan der Reihe und hat viele Bücher für seine Familie mitgenommen.
Es besteht ein Dialog zwischen uns - der Illustrator Stefan Lohr gehört auch noch dazu, er ist ganz wichtig und hat einen großen Anteil daran.
Es ist also nicht nur ein Buch, das Kindern gefällt, sondern auch den Fachleuten, den Astronauten?
Ja, denn hierin liegt auch der Unterschied zu anderen Büchern, in denen Kinder ins All fliegen. Major Tom ist ja bei weitem nicht das einzige Buch, es gibt eine ganze Menge ähnlicher Werke. Doch die liegen in erster Linie im Fantasy-Bereich, auch das Technologische ist im Fantasy-Bereich. Da wird die Rakete vorher noch von den Kindern angemalt.
Das gibt es bei uns nicht. Bei uns läuft alles ungefähr so ab, wie es auch in der Wirklichkeit geschieht. Natürlich heruntergebrochen für Kinder. Dennoch, die Bodenstation gibt es tatsächlich, die Raumstation Space Camp One ist wie die ISS aufgebaut, wir halten uns an die Naturgesetze, an die Schwerelosigkeit. Das ist alles stimmig und darin liegt der große Unterschied zu anderen Büchern.
Was auch ganz wichtig ist, und das hat die gesamte Kritik sehr schnell registriert, die beiden Kinder spielen nicht Forscher, sie sind Forscher. Sie verstehen sich auch als Forscher, als Kinderforscher. Sie haben dabei die Methodik verinnerlicht - und das ist ganz wichtig. Wie kommt man zur Erkenntnis? Was muss man dafür machen? Sie wollen zu einem bestimmten Ergebnis kommen.
Habt ihr keine Bedenken, dass die Geschichte zu sehr in die phantastische Science-Fiction abrutscht, wenn ihr die Kinder durchs Wurmloch fliegen und auf dem Mars Murmeln spielen lasst?
Nein, das haben wir eigentlich nicht. Natürlich ist es ein bisschen Science Fiction, aber es ist sehr viel Science. Der Anteil an Science ist größer als in dem meisten, was sich Science Fiction nennt. Denn die Angaben, die wir dann liefern, die stimmen ja. Das andere sind literarische Kunstgriffe. Indem wir Kinder zum Mars oder zum Jupiter schicken, begeistern wir sie für diese Themen und vermitteln ihnen auch Wissen über Mars und Jupiter. Das ist ein literarischer Kunstgriff, den die DLR so auch akzeptiert. Wir sprechen in diesem Kontext nicht von Science Fiction, zudem wissen sie auch ganz genau, warum wir das machen, warum wir diese Kenntnisse vermitteln wollen. Darin fließt auch das Wissen, warum uns Menschen das interessiert, warum wir mit eigenen Augen den Jupiter sehen wollen. Etwas, das wir eines Tages ja auch tun werden. Das ist ja auch ein ästhetisches Erlebnis. Tom und Stella sind absolut fasziniert vom Anblick des Weltalls. Diese ästhetische Faszination wurde mir genauso von Astronauten berichtet. Wie schön das Weltall ist, wie schön die Erde und der Mond sind. Das ist dann zwar unwissenschaftlich, aber für uns Menschen wichtig. Genau das versuche ich zu vermitteln.
Das kommt ja sehr schön im ersten Band rüber, als die Kinder auf ihrer Außenmission auf die Erde herunter schauen.
Diese Momente sind mir berichtet worden, da habe ich nichts erfunden. Sigmund Jähn bestätigte mir das noch einmal mit seinen 81 Jahren, dass damals, als er oben gewesen ist, ein Ruck durch ihn gegangen ist. Der Blick aus dem All auf die Erde hat sein Perspektive verschoben. Plötzlich kam ihm unser Tun und Handeln, das Denken in Nationen, so kleinlich vor. Was ich da in Erfahrung gebracht habe, versuche ich durch Tom und Stella zu vermitteln.
Ich habe eine ganz tolle Lektorin, die das ganze unterstützt.
Phillip (Nachwuchsredakteur)
In den Bänden hatten wir bisher die Themen Weltraumschrott, Asteroiden, Mond, Mars, wir waren aber auch auf der Erde, haben uns das Astronautentraining angesehen und den Regenwald besucht. Was bleibt für die jungen Astronauten noch zu entdecken?
Sehr, sehr viel, denn die Erde bietet zahllose Themen von Vulkanen über Wüsten und Polargebiete bis hin zu Umweltfragen. Ganz zu schweigen von den anderen Planeten und Monden in unserem Sonnensystem. Und dann gibt es ja noch die Exoplaneten. All das können Tom, Stella und Plutinchen noch erforschen.
Lieber Bernd, wir freuen uns, dass du hier nach Wien gekommen bist, um den Kindern deine großartige Reihe vorzustellen. Und wir freuen uns, dass du auch Zeit für das kurze Gespräch mit uns gefunden hast. Wir werden auf jeden Fall dran bleiben und mit Spannung verfolgen, wie es mit Tom und Stella weitergeht.
Fotos von Michael Seirer Photography