Britta Teckentrup im Gespräch:

"Am besten, ganz, ganz viele Bücher gestalten, die einfach anders sind ..."

Beitrag von Janett Cernohuby | 15. Mai 2017

Ihre Kinderbücher berauschen den Betrachter mit einer Fülle an Farben und Strukturen. Mit übereinander liegenden Ebenen, die leuchtende Blumenwiesen, satte grüne Täler und nebelverhangene Bergwelten zeigen. Britta Teckentrups Illustrationsstil ist etwas Besonderes und begeistert viele Kinder und Eltern. Die begleitenden Texte sind kurz und untermalen nur die Fülle an Eindrücken und Emotionen, die man aus den Illustrationen erhält. Bei ihrem Wien-Besuch im Mai 2017 trafen wir uns mit der Autorin im Café Prückel und führten dabei ein tolles Gespräch.

Janett Cernohuby
Du bist gerade auf Wien-Besuch, um dein Bilderbuch "Bienen - Kleine Wunder der Natur" zu präsentieren. Was inspirierte dich zu diesem wunderschönen Bilderbuch?

Britta Teckentrup Britta Teckentrup
Mit dem englischen Verleger Little Tiger Books habe ich das Buch "Den Baum der Jahreszeiten" entwickelt. Wir haben überlegt, was das Folgebuch sein könnte. Dabei kamen wir auf die Bienenwabe und entschieden, dass es eine Biene wird. Es war ein gemeinsames Überlegen. Bienen sind ein aktuelles Thema. Der Bestand geht immer weiter zurück. Das muss auch Kindern vermittelt werden. Das Thema selbst passt gut für meine Illustrationen.

Janett Cernohuby
Was ist das Besondere an diesem Buch?

Britta Teckentrup
Die Collagentechnik. Das was an dem Buch wirklich auffällt, sind die farbenfrohen Blumenwiesen.

Janett Cernohuby
Die Bilder verströmen Nostalgie und erinnern an die 1970er Jahre. Ist das beabsichtigt?

Britta Teckentrup
Ich arbeite immer so. Das erste Buch, das ich 1993 gemacht habe, sieht vom Stil her fast genauso aus wie jetzt. Ich bin in den 1960igern geboren und in den 1970igern groß geworden. Ich bin mit diesen Illustrationen aufgewachsen und man hatte diese Tapetenmuster als Kind um sich. Das ist unbewusst übergegangen. Jetzt ist es wieder eine Modewelle geworden, aber meine Bücher sahen auch vor 20 Jahren ähnlich aus.

Janett Cernohuby
Mit welchen Materialien arbeitest du gerne? Wie gehst du vor?

Britta Teckentrup
Es ist eine Mischtechnik. Ich fange zuerst an, ganz viele Papiere mit sämtlichen Farben zu bedrucken: Acrylfarbe, Ölfarbe, mit dicken Walzen. Ich sitze auf dem Boden, umgeben von Papieren und Farben und matsch einfach so rum, damit ich ganz viele, schöne Strukturen bekomme. Früher habe ich die per Hand ausgeschnitten und geklebt, mittlerweile werden die am Computer eingescannt und dann weiterbearbeitet. Es ist eine Mischung aus handgemachter und digitaler Collage.

Janett Cernohuby
Die Natur findet man in all deinen Büchern, sei es in der Darstellung von Pflanzen, Tieren oder Landschaften. Bist du sehr naturverbunden?

Britta Teckentrup
*lacht* Eigentlich bin ich ein richtiger Stadtmensch. Ich mache auch keine großen Spaziergänge oder gehe viel in die Natur. Vielleicht nehme ich deswegen die Natur, wenn ich mal draußen bin, viel intensiver wahr.
Als Kind habe ich direkt gegenüber eines Waldes gelebt. Ich war ganz oft draußen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es noch von der Kindheit her zehrt.

Janett Cernohuby
Man erkennt den Stadtmenschen in den Büchern nicht.

Britta Teckentrup
Ich habe mal ein paar Jahre mit meinem Mann und meiner Familie auf dem Dorf gewohnt. Aber wir haben schnell festgestellt, das geht gar nicht und wir wollten ganz schnell zurück in die Stadt.
Ich habe auch keinen grünen Daumen. Mir geht jede Topfpflanze ein.

Janett Cernohuby
Du hast aber auch noch ein anderes Bilderbuch mit im Gepäck.
Worum geht es in "Zusammen unter einem Himmel"?

Britta Teckentrup
Ich habe es vor zwei Jahren begonnen, inspiriert vom Flüchtlingsthema. Es geht darum, dass alle Menschen, egal wo sie wohnen, gleich sind. Das Buch zeigt, dass jeder das gleich fühlt, spielt, liebt, die gleichen Lieder singt. Es werden Bilder gezeigt vom Nordpol, von der Sahara, von Bergen und vom Dschungel.
Ursprünglich habe ich es auf Englisch in Reimform geschrieben.

Janett Cernohuby
Auch dieses Buch ist wieder mit Collagentechnik gearbeitet und mit Gucklöchern ausgestattet.

Britta Teckentrup
Die Gucklöcher sind für den englischen Verlag ganz typisch und von ihm extra so gewollt. Damit heben sie sich ab von anderen Verlagen. Dabei hat diese Geschichte gar nicht mit einem Guckloch angefangen, sondern es war ein ganz einfaches Bilderbuch, in der jede Seite für sich stand. Dann haben wir angefangen, oben Gucklöcher einzubinden, die eine Einheit geben und sich durch das Buch ziehen. Deswegen ist es auch nicht nur ein Guckloch um ein solches zu haben, sondern ein Guckloch, das Sinn macht.

Janett Cernohuby
Nun zeichnest du nicht nur die Bilder, du schreibst auch die Texte für deine Bücher. Was entsteht dabei zuerst? Das Bild oder der Text?

Britta Teckentrup
Bei "Zusammen unter einem Himmel" war zuerst der Text da, obwohl normalerweise zuerst immer das Bild da ist. Bei diesem Buch war zuerst das Gedicht da, dann entstanden die Bilder. Aber eigentlich ist zuerst immer der Charakter da, aus dem ich dann eine Geschichte machen will.

Janett Cernohuby
Gibt es Themen, die zu malen dir leichter fallen, als andere?

Britta Teckentrup
Alles mit Natur und Emotionen fällt mir leicht. Ich habe auch schon Bücher über Autos gemacht, aber das lag mir nicht so. Ich zeichne lieber organische Dinge und Bilderbücher, die etwas anspruchsvoller sind. Standardthemen wie Bauernhof fallen mir schwer. Das Herz muss drinnen sein und wenn dieser Enthusiasmus nicht da ist, fällt es mir sehr schwer.

Janett Cernohuby
Wo findest du Inspiration für deine Arbeiten?

Britta Teckentrup
Das ist schwer zu sagen. Manchmal denke ich, dass gewisse Bilder seit der Kindheit in einem drinnen sind. Aber eine besondere Quelle habe ich nicht.

Janett Cernohuby
Du hast über 90 Bilderbücher veröffentlicht. Erinnerst du dich noch an dein erstes Buch?

Britta Teckentrup
Ja.
Das hieß "Coyote makes man", das war 1993. Damals habe ich Illustration studiert, wollte aber nicht in den Kinderbuchbereich gehen. Eine Verlegerin kam auf mich zu und sagte, sie wolle mit mir ein Kinderbuch machen. Damals war ich Anfang 20 und wollte freie Kunst studieren, aber keine Kinderbücher gestalten. Sie hat mir vier Kinderbücher zum Gestalten gegeben. Ich wollte es erst nicht machen, dachte mir dann aber, zum Geld verdienen ist es eine gute Gelegenheit. Ich habe es dann auch sehr gerne gemacht. Es war eine Geschichte, eine alte indianische Legende von James Sage.

Ich habe trotzdem noch freie Kunst studiert und nebenbei Kinderbücher gestaltet. Irgendwann habe ich gemerkt, dass die Kunstwelt nicht das ist, was ich gerne mache und dann hat die Kinderbuchwelt immer mehr überhandgenommen. Irgendwann habe ich beides auch verbunden. In Büchern wie "Das Ei", "Worauf wartest du", "Alle Wetter" sind freie Kunst und Illustration eins geworden.

Janett Cernohuby
Gibt es unter all diesen Werken ein Buch, das dir besonders ans Herz gewachsen ist?

Britta Teckentrup
Zum Beispiel "Der Baum der Erinnerung". Das entstand, als meine Oma gestorben ist und ist somit ein Buch, das mir ganz nah ist. Und übrigens auch ein Buch, bei dem zuerst der Text entstanden ist.
Dann auch alle Bücher, die ein bisschen mehr Tiefe haben, beispielsweise "Worauf wartest du?" und "Nachts, wenn alles schläft…".
Bücher wie "Bienen - Kleine Wunder der Natur" oder "Der Baum der Jahreszeiten" mag ich sehr gerne, sie sind aber von der Geschichte nicht so anspruchsvoll und auch nicht von mir geschrieben.

Janett Cernohuby
Deine Bilderbücher sind sehr vielseitig. Du hast Pappbilderbücher für die Kleinsten, aber auch Sach-Bilderbücher für größere Kinder. Wie wichtig ist es dir, so vielseitig zu sein?

Britta Teckentrup
Es ist schön einen Unterschied zu haben. Einmal etwas, das nur dekorativ ist, dann wieder etwas Anspruchsvolleres. Wenn ich nur eines davon machen würde, würden mir vielleicht irgendwann die Ideen ausgehen, weil ich den Wechsel nicht habe. Es ist schön, verschiedene Sachen zu machen.

Janett Cernohuby
Was ist deiner Meinung nach wichtig, wenn man für Kinder Bücher illustriert? Wie kann man Kinder erreichen?
 
Britta Teckentrup
Das ist eine schwere Frage.
Das ist etwas, das ich instinktiv mache. Ich freue mich, wenn ich E-Mails von Lesern bekomme, ich hätte das Kind so angesprochen.
Vielleicht ist das auch eine unbewusste Überlegung, was mir als Kind gefallen, was mich als Kind angesprochen hätte.

Janett Cernohuby
Ich erlebe es oft, dass Eltern bestimmte Bilderbücher kategorisch ablehnen, einfach nur, weil ihnen die Zeichnungen nicht gefallen. Kinder dagegen steuern diese Bücher als erstes an. Wie könnte man diese Eltern motivieren, offener für Illustrationen zu werden, die nicht ihren Wünschen entsprechen, aber denen der Kinder?

Britta Teckentrup
Das ist so, so schwer. Ich weiß gar nicht, ob man sie überzeugen kann. Ich habe das auch mit "Lauf nach Haus, kleine Maus" erlebt, das ein schwarzes Cover hat. Bei Kindern hat das Buch gut funktioniert, sie fanden gerade das Schwarz so toll. Bei einigen Eltern und Rezensenten kam das Buch nicht ganz so gut an. Einem Kind könne man ein schwarzes Cover nicht zumuten.
Da ist ein Klischee in den Köpfen der Eltern, das man nur sehr schwer beseitigen kann. Am besten, ganz, ganz viele Bücher gestalten, die einfach anders sind und auch in Buchläden stehen. Wenn mehr anderes gesehen wird, wird es auch normaler und mehr gekauft.

Ganz wichtig ist auch, mit dem Kind gemeinsam in die Buchhandlung zu gehen und gemeinsam Bücher auszusuchen. Denn Kinder haben oft einen ganz anderen Zugang zu Büchern und andere Interesse, als die Eltern.

Janett Cernohuby
Leseförderung ist ein wichtiges Thema und fast jede Stadt, jede Schule hat ihre eigenen Projekte. Inwiefern sind Bilderbuchillustrationen deiner Meinung nach in Bezug auf die Leseförderung relevant?

Britta Teckentrup
Ich glaube, dass Kinder in einem gewissen Alter viel mehr auf Bilder ansprechen, als auf den Text. Ich finde, mit Illustrationen kann man die Kinder wahnsinnig gut ins Boot holen. Auch wortlose Bücher faszinieren Kinder. Da spielen Illustrationen eine riesen Rolle.
Viele Leute achten noch immer noch nur auf den Text, Illustrationen sind egal. Die Bebildern den Text nett. Aber ohne das eine gäbe es das andere nicht. Auch erzählen sie die Geschichten auf einer ganz anderen Ebene. Manchmal ist zu viel Fokus auf dem Wort, dabei sollte es gleichgestellt sein.

Lesen beginnt ja auch mit Bildern lesen. Kinder schreiben durch ihre Zeichnungen. Es ist ein Wurzel geben für alles Weitere. Dann traue ich mich später auch an andere Bücher. Das ist der wichtigste Beitrag für Leseförderung.

Janett Cernohuy
Welche Kinderbücher haben dich als Kind begeistert?

Britta Teckentrup
Ein Buch, das ich immer noch liebe, ist von Tomi Ungerer "Kein Kuss für Mutter". Das haben mir (glaube ich) nicht meine Eltern gekauft, sondern meine Tante. Das hat mich fasziniert, weil es so anders war, als meine Familie. Wie er geschrieben hat, was er geschrieben hat, war mir so fremd und dadurch fand ich das so toll.
Das hat mich damals am meisten fasziniert, eben weil es so anders war.

Janetts Meinung
"Zusammen unter einem Himmel" erscheint demnächst. Gibt es schon weitere Pläne für weitere Buchprojekte beim Verlag arsEdition?

Britta Teckentrup
Ja.
Bei Ars Edition erscheinen (Planungen bis 2019) ganz viele Bücher:

Bilderbücher als Lizenzen: "Der Mond" und "Never Take a Bear to School".

Pappbilderbücher, die direkt bei arsEdition verlegt werden: "Meine kleiner Fuchs" und "Meine kleines Eichhörnchen", das Folgebuch zu "Wunderdinge der Natur", "Die Weihnachtsgeschichte" und "Die neue Hausbibel".

Janett Cernohuby
Vielen Dank, dass Du dir die Zeit für ein Interview genommen hast.

Fotos von Michael Seirer Photography
Britta Teckentrup im Gespräch: