Anja Janotta im Interview - Linkslesestärke
Beitrag von Janett Cernohuby | 20. Juni 2015
Lesen und Schreiben zu können, ist das A und O unserer Schulbildung. Beides öffnet uns die Türen zu Wissen und somit zur Bildung. Doch das Erlernen von Lesen und Schreiben ist nicht immer leicht. Einige Kinder leiden unter einer sogenannten Lese-und Rechtschreibschwäche. Die Journalistin und Kinderbuchautorin Anja Janotta griff dieses Thema auf und verarbeitete es in ihrem ersten Kinderbuch 'Linkslesestärke - Die Sache mit den Borten und Wuchstaben'.
Janetts Meinung:
Was erwartet den Leser in Ihrem Buch 'Linkslesestärke'?
Anja Janotta:
Eine kleine Heldin mit viel Tempo-rammend und einem Manko: Sie ist ganz schlecht in Buchstaben-Merken. Und deswegen behält sie auch keine Namen. Was aber wichtig wäre, wenn man eine beste Freundin finden will. So muss sie sich mit ziemlich Gegenwind und Gemeinheiten rumschlagen, bis der Zier-Kuss in ihrer Klasse endlich ein gutes Ende findet.
JM:
Welche Zielgruppe möchten Sie mit dem Buch erreichen? Was möchten Sie den Lesern mit auf den Weg geben?
AJ:
Die Geschichte ist hauptsächlich für Grundschüler geschrieben. Aber natürlich können sich auch Fünftklässler wiederfinden und vor allem auch Eltern und Vorleser, denen Wortspielerein Spaß bereiten. Allen Lesern, egal wie alt, möchte ich zeigen, dass es auch stark machen kann, wenn man mit einem anderen Blickwinkel auf die Welt der Buchstaben schaut.
JM:
Woher kam die Idee, das Thema 'Rechtschreibschwäche' aufzugreifen? Gibt es für Mira eine reale Vorlage?
AJ:
Ja! JA! Meine Tochter bekam in der dritten Klasse eine Rechtschreibschwäche diagnostiziert. Das hat dazu geführt, dass sie sich lange Zeit sehr unzulänglich gefühlt hat. Deswegen habe ich nach einem Buch gesucht, in der es eine Heldin gibt, die LRS hat und die ihr als Vorbild dienen könnte. Da ich keines finden konnte, habe ich kurzerhand einfach eines selbst geschrieben.
JM:
Wie bereitet man sich auf das Schreiben eines Buches vor, das eine Entwicklungsstörung thematisiert?
AJ:
Eigentlich gar nicht. Als ich anfing, hatte ich den Titel und den ersten Satz - mehr nicht. Kein Exposé, nicht mal eine Idee für den Schluss. Ich habe mich quasi neben meine Tochter gestellt und sie reden lassen. Natürlich ist die Mira ganz anders und ihre Geschichte größtenteils ausgedacht, aber dieser innere Dialog war so stark, dass er mich mühelos 240 Seiten durchgetragen hat - bis ans Ende der Geschichte.
JM:
Hatten Sie jemals Bedenken für die Art und Weise, wie Sie das Thema im Buch behandelt haben, kritisiert zu werden? Etwa, dass Sie nicht realistisch genug an das Thema herangegangen sind? Oder dass Sie zu wenig Aufklärung über Beratungsstellen geben?
AJ:
Nein, Ängste hatte ich nie. Zunächst kannte ich die Problematik ja aus erster Hand und hatte ich schon richtig viel über LRS gelesen. Und die letzten Wissenslücken hat unsere Lerntherapeutin gestopft. Deren wesentliche Aufgabe besteht darin, dass Selbstvertrauen der betroffenen Kinder wieder aufzubauen. Es geht also nicht um die Beschreibung einer konkreten Therapie, sondern eher einen Weg zu finden, wie sich ein LRS-Kind wieder besser und mutiger fühlt. Und für alle die, die noch Beratungstipps brauchen, die habe ich auf die Website www.linkslesestaerke.de gestellt. Der Verband Österreichischer Legasthenietrainer EÖDL hat das Buch in seinem Blog empfohlen - so ganz lag ich dann wohl nicht daneben.
JM:
Wie lange haben Sie gebraucht, bis dieses Buch fertiggestellt war?
AJ:
Ganz ehrlich? Sechs Wochen! Wahrscheinlich werde ich nie wieder einen solchen Flow erleben. Aber man muss auch zugeben, es hat viel behutsamer Feinarbeit durch meine Agentur und dann durch meine wunderbare Lektorin gebraucht, bis es dann hinterher so richtig rund geworden ist.
JM:
Was würden Sie Kindern mit einer Linkslesestärke empfehlen? Welche Motivation mit auf den Weg geben?
AJ:
Dass Buchstaben, Wörter und Lesen nicht immer nur dröges Lernen bedeuten, sondern auch Spaß machen können.
JM:
Wie haben Sie zum Schreiben gefunden? Wann war Ihnen klar, dass Sie Autorin für Kinderbücher werden möchten?
AJ:
Ich wollte schon als Zehnjährige Kinderbuchautorin werden. Schlussendlich bin ich das ja auch geworden, mit einem kleinen mehr als 20-jährigen Umweg über den Journalismus. Eigentlich habe ich damit angefangen, weil meine Kinder und ich so sehr Bücher und gute Geschichten mögen, da lag es nahe, mal selbst eine aufzuschreiben.
JM:
Neben Ihrem Beruf als Schriftstellerin sind Sie auch als Redakteurin tätig. Wie sieht ein Arbeitstag bei Ihnen aus? Hat das Schreiben von Büchern diesen verändert?
AJ:
Ich bin Fachredakteurin, das Vokabular und die Schreibe sind völlig anders als bei einem Kinderbuch. Sozusagen sind das zweierlei Paar Stiefel, die in die entgegengesetzte Richtung laufen. Aber da ich Teilzeit arbeite, kann ich an einem Tag die seriösen und am anderen Tag die kinderbuchlustigen Paar Stiefel anziehen. Eine schöne Abwechslung!
JM:
Sie sind in Saudi-Arabien und Algerien aufgewachsen. Hat Sie das geprägt und nimmt es Einfluss auf Ihre Arbeit?
AJ:
Nur indirekt. Ich hatte als 11- bis 13-Jährige mehr Zeit, in der ich allein war und mich beschäftigen musste. Damals habe ich schon angefangen, Geschichten zu schreiben. Allerdings ist es wirklich gut, dass diese Erstlinge heute sicher im Giftschrank versteckt sind.
JM:
Was waren die Kinderbuchhelden Ihrer Kindheit?
AJ:
Natürlich alle Enid-Blyton-Kinder, der Sebastian aus der „Unendlichen Geschichte“, Momo und Idefix. Wenn man mich heute fragen würde: Neville Longbottom („Harry Potter“). Wahrscheinlich habe ich ein Herz für mutige und unerschütterliche Außenseiter.
JM:
Was sind Ihre nächsten Pläne und Projekte? Werden Sie auch weiterhin Kinderbücher schreiben? Für welche Zielgruppen werden Sie schreiben?
AJ:
Mein Sohn will jetzt natürlich auch ein Buch mit Widmung - das wäre also eines für Jungs ab 12 Jahren. Ich arbeite gerade an einer Idee dazu. Und „Linkslesestärke“ bekommt einen Nachfolgeband. Vielleicht werden meine Helden auch mit meinen Kindern älter und ich lande bei einem Jugendbuch. Mal sehen.
JM:
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg mit dem Roman und sind auch schon gespannt auf weitere Veröffentlichungen.