Karl Menrad im Interview

„Kirsten Boie ist für mich wirklich eine von den ganz großen, tollen Kinderschriftstellerinnen“

Beitrag von Janett Cernohuby | 29. März 2019

Kirsten Boie liegt die Leseförderung von Kindern sehr am Herzen. Dafür engagiert sie sich nicht nur in vielen Bereichen, sondern schreibt auch selbst wunderbare Kindergeschichten. Ihre jüngste ist „Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte“. In ihr verliert ein kleiner Fuchs bei einem Waldbrand seine Familie und lebt fortan bei Mama Reh und ihren Kindern. Doch die anderen Tiere misstrauen ihm. Als ein Mäusekind spurlos verschwindet, fällt der Verdacht natürlich sofort auf den kleinen Fuchs. Doch der ist unschuldig.
Diese zauberhafte Geschichte erschien nicht nur als Vorlesebuch, sondern auch als wunderschön eingesprochenes Hörbuch im Jumbo Verlag. Anlässlich des österreichischen Vorlesetags nutzte Hörbuchsprecher Karl Menrad die Gelegenheit, einem kleinen Publikum in der Wiener Leporello Buchhandlung, gleich hinterm Stephansdom, aus diesem zauberhaften Kinderbuch vorzulesen. Im Anschluss an diese Lesung hatte der Sprecher sogar noch Zeit, um uns einige Fragen zu beantworten.


Du hast heute aus einem besonderen Grund in der Buchhandlung Leporello  gelesen: der österreichische Vorlesetag. Was hat dich dazu bewogen?

Karl Menrad liest aus "Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte"Die Frau Rotraut Schöberl. (lacht)
Ich habe schon einige Male in der Buchhandlung Leporello gelesen und da habe ich die Gelegenheit genutzt, auch heute, am österreichischen Vorlesetag, hier zu lesen.

Du hast aus Kirsten Boies neuem Kinderbuch „Vom kleinen Fuchs, der ein Reh sein wollte “ gelesen, dessen Hörbuch  du deine Stimme geliehen hast. Was hat dir an dieser Geschichte besonders gefallen?

Die Geschichte selbst. Die Geschichte hat mir so gut gefallen. Besonders, weil sie natürlich auch für uns Erwachsene ganz deutlich ist. Dieses Buch jetzt, in dieser Zeit, wo die ganze Flüchtlingsproblematik aktuell ist, war genau richtig. Sie bringt es genau auf den Punkt: Da kommt ein Kind, ein fremdes Kind, und jeder sagt, tut mir leid, da kann ich nicht helfen. Gleichzeitig heißt es aber auch, es ist ein Kind und das kann man doch nicht einfach so liegen lassen. Natürlich ergeben sich daraus Schwierigkeiten, schließlich ist dieses Kind bisher anders aufgewachsen. Es kennt sich nicht aus. Immer wieder heißt es, vor dem Fremden haben wir Angst, wer weiß was passiert. Es dauert seine Zeit, bis es sich mit den anderen Tieren anfreundet.
Und dann bringt Kirsten Boie auch noch diese wunderschöne Idee der Umschreibungen rein: Zweifüßler und Rundfüßler. Man muss erst einmal lesen, bevor man merkt, wer damit gemeint ist. Wer sind die Zweifüßler? Was sind das für komische Flügel? Und was ist ein Donnerflügel? Dahinter muss man erst kommen, ach das ist ein dritter Flügel, das ist ein Gewehr.
Man muss sich reinlesen und das ist es, was das Ganze so spannend macht.

War es für dich schwer, sich in die tierischen Rollen hineinzuversetzen?

Schwer war es eigentlich überhaupt nicht. Ich bekomme die Texte relativ früh. Darum kann ich mich auch sehr früh darauf vorbereiten und kann mir etwas dazu überlegen. Dann fällt es mir auch nicht schwer, mich in andere Rollen hineinzuversetzen.

Die Tiere aus der Geschichte haben sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Wie schafft man es, das mit der Stimme darzustellen?

Ich bin von Beruf Schauspieler. Wenn man Kinderbücher liest - und das jetzt schon seit vielen Jahren - dann hat man natürlich auch eine gewisse Erfahrung. Normalerweise sieht mein Lesebuch ganz bunt aus. Jedes Tier hat eine andere Farbe. Die Augen sind schneller als der Mund, das heißt das Auge signalisiert dem anderen: jetzt kommt gleich der Waldkauz, jetzt kommt gleich der Kater. Dann stellt man sich innerlich ganz schnell darauf ein.

Karl Menrad liest aus "Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte"

Hältst du da auch Rücksprache mit den Autoren?

Gerade mit Kirsten Boie, die ich persönlich auch kenne, weil ich mit ihr schon gelesen habe, ja. Das ist für mich wirklich eine von den ganz großen, tollen Kinderschriftstellerinnen. Aber sie ist viel unterwegs, sie setzt sich ja auch sehr für Kinder ein, für Sprache und Leseförderung. Wien und Hamburg oder Wien und Bremen sind natürlich auch eine Ecke entfernt. Meistens wenn ich in Hamburg bin und aufnehme, ist sie gerade irgendwo unterwegs. Aber ansonsten ist sie die einzige der Autorinnen und Autoren, die ich persönlich kenne.  

Du hast sehr viele und unterschiedliche Kinderhörbücher eingesprochen. Was macht dieses Genre für dich so besonders?

Ganz einfach: Ich habe selber keine Kinder und dann will das Kind bei mir raus. Das will mitspielen.

Karl Menrad liest aus "Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte"

Kirsten Boie hat auf der Buchmesse in Leipzig betont, wie wichtig Vorlesen schon im Kindergartenalter ist. Welche Rolle hat das Medium Hörbuch in Bezug auf Leseförderung?

Ich glaube, das ist wichtig. Eltern haben mir erzählt, dass sie selbst nicht gut lesen können und darum eine CD einlegen. Es sind einige Male Eltern zu mir gekommen, die sich bedankt haben, dass ich ihnen ein paar Stunden Ruhe verschafft habe - gerade auch bei Autofahrten. CD rein und die Fahrt konnte losgehen.

Glaubst du, dass Kinder durch Hörbücher zum Lesen animiert werden?

Ich hoffe es zumindest. Ich habe diese Erfahrung durch das Echo der Eltern schon gemacht.

Welche Bedeutung hat das Medium Hörbuch für dich?

Die Bedeutung ist gewachsen. Das fing 2000 an und war damals ein Versuch. Es hat gut geklappt und ich habe gemerkt, dass mir das großen Spaß macht. Dadurch, dass ich so langsam aus meinem Beruf auf der Bühne herausgegangen bin - ich wollte nicht mehr durch Proben und Besetzung so eingespannt sein - habe ich eine Freiheit für mich entdeckt. Hörbuch ist für mich ein Teil des Theaters. Ich habe diesen Beruf gerne gemacht und durch das Hörbuch, aber auch meine Arbeit beim Rundfunk, bei Ö1, habe ich noch eine Verbindung dorthin.
Ich gehe zwar immer noch gerne ins Theater, aber nicht mehr auf die Bühne. Dann halte ich lieber Lesungen, wenn es sich ergibt.

Karl Menrad liest aus "Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte"

Wie wird man Hörbuchsprecher?

Durch Zufall. Ich habe damals den Arturo Ui gespielt und eine Redakteurin von Ö1, die ich kannte, hat die Jumbos mit ins Theater genommen. Sie haben mich gefragt, ob ich Interesse daran hätte, Hörbücher einzusprechen. So bin ich zum ersten Mal nach Hamburg gekommen.

Was sind deine nächsten Projekte und Pläne? Auf welcher Produktion wird man dich bald wieder hören können?

Vorerst ist nichts Konkretes geplant. Wenn, dann wird es erst im Herbst sein. Ich lasse mich da immer überraschen.
Zuletzt habe ich einen Krimi von einem österreichischen Autor aufgenommen, Thomas Raab: Walter muss weg. Das hat mir natürlich großen Spaß gemacht, schließlich ist das etwas ganz anderes, als ein Kinderhörbuch. Hier gibt es die gleichen Herausforderungen, aber auf einer anderen Ebene. Ich muss bei Erwachsenen andere Dinge voraussetzen, als bei Kindern. Das hat mir eine Riesenfreude gemacht, zumal ich dadurch Thomas Raab kennengelernt habe. Das ist ein wunderbarer, sympathischer Mann und ich habe das Buch auch mit großer Freude gelesen.
Aber etwas Konkretes ist aktuell nicht geplant.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein kurzes Interview genommen hast und natürlich, heute am österreichischen Vorlesetag kleinen und großen Zuhörer aus Kirsten Boies neuem Kinderbuch vorgelesen hast.

Karl Menrad liest aus "Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte"

   

Kirsten Boie: Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte
Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte
Kirsten Boie, Barbara Scholz (Illustratorin), Karl Menrad (Sprecher)

Kinderbuch
ab 6 Jahre, 192 Seiten , Hardcover
Verlag Oetinger
ISBN: 978-3-7891-0953-9

Hörbuch
ab 6 Jahre, 3 Audio-CDs, ca. 338 Minuten
Verlag: Jumbo Neue Medien
ISBN: 978-3-8337-3977-4
Karl Menrad im Interview