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"Ich habe jetzt keine Zeit", ist ein Satz, den Kinder von ihren Eltern leider viel zu oft hören. Keine Zeit, weil die Wohnung aufgeräumt werden muss, keine Zeit, weil die Wäsche gemacht werden muss, keine Zeit, weil man noch eben ein wichtiges Telefonat führen muss. Unser Leben ist geprägt von Hektik und Stress, weswegen Zeit Mangelware geworden ist. Dabei kann es manchmal so einfach sein, etwas mehr Zeit zu gewinnen. "Ein Glas Zeit" erzählt genau hiervon.

Von der fehlenden Zeit, die Mama, Papa und die Geschwister für die kleine Zoe nicht übrig haben. Jeder hat eigene Verpflichtungen, die keine Zeit übriglassen, um mit ihr zu spielen. Daher geht Zoe einfach in den Park, wo sie Alfred trifft. Der alte Mann hat genau das, was in Zoes Familie fehlt: Zeit. Jede Menge sogar. Da hat Zoe eine tolle Idee. Sie bittet Alfred, ihr etwas von seiner Zeit abzugeben, damit sie diese mit nach Hause zu ihrer Familie nehmen kann. Gleich am nächsten Tag bringt Zoe ein leeres Marmeladenglas mit, in das Alfred seine Zeit legt. Und tatsächlich, als Zoe an diesem Abend ihrer Familie die überschüssige Zeit mitbringt, halten sie inne und nehmen sich Zeit für einander und vor allem für Zoe.

"Ein Glas Zeit" ist eine wundervoll philosophische und berührende Geschichte. Zoes Familie leidet unter dem Mangel, den wir alle ständig haben: zu wenig Zeit. Unser Leben ist geprägt von Hektik und Stress, was wir natürlich nicht oft genug beklagen können. Schon wieder sind eine Woche, ein Monat und ein Jahr an uns vorbeigerauscht und vergangen. Schon wieder haben wir das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Woran das liegt, hinterfragen wir uns nicht, wir beklagen es nur. Zoe hingegen hinterfragt genau das. Allerdings nicht bei ihrer Familie, die ja keine Zeit hat. Sie fragt den alten Alfred, der jeden Tag im Park sitzt und die vorbeiziehenden Wolken betrachtet. Er hat viel zu viel Zeit und freut sich über seine junge Gesprächspartnerin. Zoe hingegen hat in ihrer kindlich-naiven Art die Idee, etwas von Alfreds überschüssiger Zeit mit zu sich nach Hause zu nehmen. Das funktioniert freilich nicht, jedenfalls nicht so, wie Zoe es sich vorstellt. Und es funktioniert dann auf andere Weise doch. Denn durch Zoes unschuldigen, ganz verständlichen Wunsch nach mehr Zeit mit ihrer Familie, beginnt diese über ihr Verhalten nachzudenken und es zu ändern. Plötzlich findet sich ein Fleckchen, an dem man sich Zeit nehmen kann - und da ist sogar noch Platz, um den alten Alfred dran teilhaben zu lassen.

Mit ihrer berührenden Geschichte spricht Autorin Anna Schindler nicht nur Kinder an, sondern vor allem uns Eltern. Plötzlich beginnen wir uns zu hinterfragen, wie oft unser eigenes Kind schon nach Zeit zum gemeinsamen Spiel gebettelt hat und wie oft wir es wegen angeblich wichtigerer Dinge vertröstet haben. So erklärt das Bilderbuch nicht nur Kleinen, warum Große manchmal keine Zeit haben, sondern zeigt uns Großen, dass wir sehr wohl Zeitfenster finden können, wenn wir nur wollen.

Illustriert wurde das Werk von Billy Bock. Die Grafikdesignerin fühlte sich von der Geschichte sofort angesprochen und sie transportierte sie wundervoll in Bildern aufs Papier. Die Bilder sprechen sowohl Kinder als auch Eltern an. Sie wirken schlicht, besitzen aber trotzdem viele Details und Bildtiefe. Sie tragen in sich das gleich Feingefühl, den gleichen Charme, die auch den geschriebenen Worten von Anna Schindler innewohnt. Besonders Zoes runde, fragende Kulleraugen ziehen die Aufmerksamkeit des (erwachsenen) Lesers auf sich und wecken den Wunsch, ihre Fragen zu beantworten.

Die Illustrationen runden die Geschichte also wunderbar ab und beide ergänzen sich hervorragend.

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