Madeleine und der Angler

Antolin Quiz
von Mira Lobe, Sabine Rufener (Illustrator*in)
Rezension von Janett Cernohuby | 02. Januar 2023

Madeleine und der Angler

Es ist nicht ungewöhnlich, das viele Künstler*innen lange über ihren Tod hinaus weitere Werke veröffentlichen. Erst im Herbst 2022 brachte die Kultband Queen eine neue Single mit dem verstorbenem Leadsänger Freddie Mercury heraus. Kurz zuvor erschien im Jungbrunnen Verlag ein neues Buch von Mira Lobe, das auf einem vor Jahrzehnten verfasstem Text der erfolgreichen Autorin basiert.

Einfach mal die Seele baumeln lassen

Madeleine und ihre Tante haben ein gemeinsames Ritual. Immer wenn sie in die Kirche gehen, zündet die Tante eine Kerze an und zieht sich in eine Kapelle zurück. In dieser Zeit hat Madeleine Zeit, um sich in dem großen Kirchenschiff umzusehen. Anschließend trifft sie sich mit ihrer Tante am ersten Pfeiler. Doch heute ist es anders. Heute kommt die Tante lange Zeit nicht. Während Madeleine wartet, driftet ihr Blick hinaus auf den Fluss. Dorthin, wo sich das Licht auf den Wellen spiegelt und wo die Angler auf der Mauer sitzen. Plötzlich steht Madeleine neben einem dieser Angler. Sie nimmt all ihren Mut zusammen und spricht ihren Herzenswunsch aus: einmal mit einer Angel auf der Mauer zu sitzen. Der bärtige Angler reicht ihr eine seiner Ruten und Madeleine wirft sie aus. Eine Weile sitzt sie dort auf der Mauer, lässt ihre Gedanken schweifen und ihren Blick mit den Lichtstrahlen über das Wasser tanzen. Bis sich mit einem Mal ein Junge neben sie setzt und sie in ein Gespräch verwickelt. Darüber, was Madeleine tun wird, wenn sie einen Fisch gefangen hat. Ob sie den Mut hat, ihn selbst zu töten. Doch weder hat Madeleine darüber nachgedacht, noch möchte sie mit dem Jungen sprechen. Sie gibt die Angel zurück und läuft zur Kirche - wo ihre Tante schon auf sie wartet.

Madeleine und der Angler

Poetischer Tanz von Worten und Lichtreflexen

Mit einfachen und einprägsamen Sätzen erzählt Mira Lobe von Madeleines kurzem Ausflug in die Welt der Angler. Auf sehr stille und unaufgeregte Art lässt uns die Autorin daran teilhaben. Ihre Worte sind poetisch gewählt. Zudem geben sie viel Raum für Interpretationen. Madeleines Umherwandern in der Kirche, ihre Betrachtungen der Lichtspiele auf dem Wasser, ihr kurzes Gespräch mit dem Angler, die Versuche selbst zu angeln, das Treffen mit dem Jungen und schließlich die Rückkehr zur Tante, die besorgt über Madeleines Verschwinden ist. Es ist ein Text, der vieles andeutet, ohne zu sehr in die Tiefe zu gehen. Vielmehr lässt er die Themen durch die Geschichte tanzen und überlässt es der Leserschaft, was davon man aufgreifen und mitnehmen möchte.
Anders wirken dagegen Sabine Rufeners Illustrationen. Mit Farbstiften und Pastellkreide fing sie die Stimmung des Buchs ein, wobei sie viel Ausdruck und Aufmerksamkeit in die Lichtspiegelungen auf dem Wasser legte. Diese finden wir in allen Bildern, als Lichterspiel in der Kirche, als Schattenspiel auf den Treppenstufen oder als durchschimmernde Sonnenstrahlen des Blätterwerks. Damit betont die Illustratorin einerseits die Sommerstimmung am Fluss, gleichzeitig auch das unaufgeregte, ruhige Wesen des Angelns.

Madeleine und der Angler

Es muss nicht immer der große Trubel sein, der einen Eindruck hinterlässt. Oft sind es auch die ruhigen, stillen Geschichten, die eine tiefe Wirkung bei ihrem Publikum hinterlassen. Im Fall von Mira Lobes bisher unbekannten Textes über Madeleine und den Angler trifft dies auf jeden Fall zu. Denn während dieser zu vielen Gedanken und Gesprächen einlädt, verzaubern Sabine Rufeners Bilder voller Lichtspiele und Reflexionen die Betrachtenden.

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