Eul doch!


und weitere Fabeln
von Martin Baltscheit
Rezension von Janett Cernohuby | 09. Juli 2016

Eul doch!

Ähnlich wie Märchen, sind auch Fabeln - kurze Erzählungen mit einem belehrenden Abschnitt und einer klaren Moral - ein altes Kulturgut. In ihnen treffen wir meistens Tiere mit menschlichen Charakterzügen an, die uns unsere Fehler in einer versteckten Botschaft deutlich mitteilen. Doch Fabeln haben es schwer, lehnen Pädagogen das vermenschlichen von Tieren ab. Da kann man froh sein, wenn Autoren sich nicht dran halten und auch heute noch neue Fabeln schaffen. Wie auch Martin Baltscheit, der mit "Eul doch! und weitere Fabeln" ein tolles Hörbuch veröffentlicht hat.

"Eul doch!" ist auch gleich die erste Geschichte, in der es um das Heulen geht. Denn auf das Heulen sind die Eulen sehr stolz. Es ist ihnen ungemein wichtig und nichts erfreut sie mehr, als ihre Kleinen im gemeinsamen Spiel Heulen zu sehen. Doch was, wenn eine nicht heulen kann oder gar mag?
"Die Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor" ist eine traurige Erzählung. Einst war der Fuchs ein sehr schlaues Tier, angesehen unter seinesgleichen. Die jungen Füchse kamen zu ihm, um von ihm zu lernen. Doch je älter der Fuchs wurde, desto vergesslicher wurde er. Bis er vergaß, was ein Fuchs ist - und damit auch sich selbst vergaß.
"Tschiep" erzählt davon, dass Sprachen unseren Horizont erweitern, dass sie Brücken schlagen können und dass sie in brenzligen Situationen auch unser Leben retten können. Doch dabei sollten wir nie die Sprache vergessen, die uns zu unseren Wurzeln führt.
Eine "grüne Bande" erzählt von Flucht und Entkommen, von Gefangenschaft und Freiheit und ist wohl die kürzeste Fabel dieses Hörbuchs.
Seit er geboren wurde, kannte der Hase nur eines: seine Angst. So lebte er zurückgezogen und hortete seine Schätze. Als der Tod an die Tür des Hasen klopfte und ihn mitnahm, blieb nur die große Kiste voll Gold zurück. Diese soll nun an den größten Angsthasen des Waldes gehen. Mit einer List beansprucht der Wolf diesen Titel für sich - und bekommt das Vermächtnis des ängstlichen Hasen überreicht.
"Es waren einmal zwei wirklich dumme Gänse in einem brennenden Haus", doch anstatt die Tiere um Hilfe zu rufen, denken sie nur an deren schlechte Seiten und wollen sie genau deswegen nicht um Hilfe fragen. Borniertheit und Ignoranz sind es, worum es in dieser Fabel geht.
"Die Tür", die letzte Fabel des Hörbuchs, erzählt von Unwissenheit und Erklärungen, die man  über Mutmaßungen und falsche Überlegungen selbst erfindet.

Während Fabeln früher oft Kritik an der Ständeordnung übten, zeigen die Fabeln von Martin Baltscheit eher die schlechten Eigenschaften von Menschen. Seine kurzen Erzählungen belehren und wollen auf schlechte Charakterzüge hinweisen. Doch genau das wird zum großen Stolperstein. Während "Eul doch!" durchaus eine Geschichte ist, die von Kindern verstanden wird und die ihnen auch gefällt, sind die übrigen sechs Erzählungen schon tiefgründiger. Es ist fraglich, ob Kinder die Botschaft von "Grüne Bande", "Das Gold des Hasen" oder der beiden "wirklich dummen Gänse" verstehen. Es ist auch fraglich, ob sie die Geduld und die Begeisterung mitbringen, sich die Erzählungen anzuhören.
"Eul doch!" ist eine Ausnahme. Es ist eine Geschichte über das Weinen und Trösten, die im Carlsen Verlag auch als Bilderbuch erscheinen ist. Leider kommt die vertonte Fassung nicht an das Buch heran, da die Begleitung der tollen Illustrationen fehlt.
Doch für ältere Kinder und auch Erwachsene liegt hier ein tolles Hörbuch vor. Die Tiere sind ein Abbild unserer Schwächen und unserer Fehler. Sie zeigen uns Irrtümer und Fehlverhalten. Das alles passiert mit einer ordentlichen Portion Humor und Ironie. Grandios ist dabei die Sprechleistung des Autors. Denn es ist Martin Baltscheit selbst, der dieses Hörbuch liest. Belgeitet wird er von Matthias Maschwitz‘ Gitarrenklängen, die je nach Inhalt der Fabel aggressiv, voll und lebenslustig, provokant und verträumt klingen. Sie passen wunderbar zu den Erzählungen und unterstreichen deren Charakter und Aussage.

"Eul doch!" ist ein großartig umgesetztes Hörbuch von und mit Martin Baltscheit. Der Autor liest neben der titelgebenden Geschichte sechs weitere Fabeln, die uns Charakterschwächen und Fehler auf unterhaltsame Art vor Augen führen. Wenngleich das Hörbuch für Kinder ab vier Jahren empfohlen wird, können wir uns dem nicht anschließen. Die Geschichten sind doch zu anspruchsvoll, als dass Kinder ihnen ungezwungen lauschen können. Doch für etwas ältere Hörer und Erwachsene sieht das schon wieder anders aus und dann kann man an diesen Erzählungen und an dieser Produktion viel Freude haben.

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