Lebensborn

von Isabelle Maroger (Illustrator*in)
Rezension von Stefan Cernohuby | 18. November 2025

Lebensborn

Bestimmte Kapitel in der Geschichte sind schwierig aufzuarbeiten, denn es haben auf so vielen Ebenen und an so vielen Orten Ereignisse stattgefunden, dass man beinahe den Überblick verliert. So auch die Lebensborn-Heime, die im Dritten Reich den Weiterbestand des deutschen Volkes sichern sollten. „Lebensborn“ ist ein Comic von Isabelle Maroger, das ihre ungewöhnliche Familiengeschichte und ein weiteres verabscheuungswürdiges NS-Projekt skizziert.

Über manche Dinge spricht man nicht

Isabelle hat schon immer eine gewisse Faszination für das Norwegische. Kein Wunder, stammt sie doch aus einer französisch-norwegischen Familie. Denkt sie zumindest. Doch Fragen über ihre Familie und ihre Herkunft weicht ihre Mutter immer aus. Als ihre Adoptiv-Großmutter stirbt, beginnt ihre Mutter erstmals wirklich nachzuforschen. So steht dann zweifelsfrei fest, dass sie aus einem Lebensborn-Heim stammt. Also Produkt eines Nazi-Zuchtprogramms ist

Herkunft kann sehr kompliziert werden

Lebensborn war ein Verein in der NS-Zeit, der versuchte, Personen mit „wünschenswerten“ Eigenschaften zu produzieren. Dafür wurden junge deutsche Soldaten mit jungen, einheimischen Frauen zusammengeführt und die Kinder in eigenen Heimen zur Welt gebracht, beurteilt und dann entweder nach Deutschland befördert oder ausgesiebt. Bei Isabelles Mutter Anneliese (später Katherine) geschah dies nicht, weil sie gemeinsam mit ihrem Kind floh. Aber Isabelle weiß nun, dass ihre Großmutter halb dänisch und halb schwedisch war und ihr Großvater Deutscher.

Auf der Suche nach den eigenen Wurzeln

Die Nachforschungen von Isabelles Mutter gehen weiter und sie stellt fest, dass sie sie einen Bruder und eine Schwester hat, auch wenn ihre leibliche Mutter schon verstorben ist. Aber das ist längst nicht alles. Denn ihr leiblicher Vater in Deutschland lebt ebenfalls noch und ihr gelingt es tatsächlich ihn aufzuspüren und eine Art Familienzusammenführung zu organisieren. Eine Art deshalb, weil eine Kluft existiert, die von beiden Seiten nicht überwunden werden kann

Der Comicband ist eine interessante Spurensuche und die Beschäftigung mit einer weiteren Gräueltat des NS-Regimes: einer versuchten Massenproduktion von Ariern mit geeignetem Material. So wurde das zumindest gesehen. Die Auseinandersetzung mit der Materie war für die Autorin und Zeichnerin nicht einfach, und das bemerkt man auch beim Lesen des Werks. Im Gegensatz zu ihrer Mutter, die sich auf die Nachforschungen komplett einlässt (und offenbar auch selbst ein Buch darüber geschrieben hat) bleibt die Perspektive von Isabelle teils distanziert, teils widerwillig, teils wieder detailverliebt. Der Fokus bleibt auf den betroffenen Menschen – Mütter wie Kindern –, die über viele Jahrzehnte in allen Ländern Ziel von Hass und Anfeindungen waren. Der Titel und das Titelbild implizieren eine genauere Auseinandersetzung mit der Materie, die tastsächlich nur angerissen wird. Ob man das als negativen Punkt in einem generell trotzdem interessanten Werk betrachten will, muss man letztendlich selbst entscheiden.

„Lebensborn“ ist ein Comic von Isabelle Maroger, die sich in ihrem Werk mit der Geschichte ihrer Familie auseinandersetzt. Denn ihre Mutter entstammte einem von den Nazis organisierten Zuchtprogramm, das nicht nur hunderte Babys in verschiedenen Ländern zu Folge hatte, sondern ebenso für viele Morde an selbigen verantwortlich war. Hier sollte aber bewusst sein, dass der Fokus auf den persönlichen Erlebnissen und Auswirkungen für die Familie liegt und nicht auf der geschichtlichen Aufarbeitung der Thematik.

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    Lebensborn
  • Übersetzer*in:
    Silv Bannenberg
  • Verlag:
  • Erschienen:
    10/2025
  • Umfang:
    224 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • Altersempfehlung:
    16 Jahre
  • ISBN 13:
    9783039641130
  • Preis (D):
    22,00 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Illustration:

Könnte Ihnen auch gefallen: