Nenn keine Namen

Antolin Quiz
von Astrid Sy
Rezension von Janett Cernohuby | 25. Juli 2024

Nenn keine Namen

Es gibt zahlreiche Bücher, die über die Schicksale von Juden während des Dritten Reichs berichten. Sie erzählen von Zwillingen, die Mengeles Experimente überlebten, Fotografen der Lager, von mutigen Menschen, die Juden bei sich versteckten. Kinder kommen in diesen Büchern vor, aber selten rücken sie in den Mittelpunkt. Ebenso die Frauen, die auf unterschiedlichste Weise Menschen vor den Konzentrationslagern retteten. Oder selbst dorthin kamen. Astrid Sy nimmt sich den Kindern und Frauen an und erzählt in „Nenn keine Namen“ eine bewegende Geschichte von Retterinnen und Opfern.

„Vergiss, wer du bist!“

Amsterdam während des Dritten Reichs. Immer mehr Juden werden zur Deportation zusammengetrieben. Darunter sind auch Kinder, die vorübergehend in einer Kindekrippe untergebracht werden. Um sie vor dem grausamen Schicksal in den Konzentrationslagern zu retten, schmuggeln Rosie, Kaat und ihre Freunde die Kinder aus der Krippe und verstecken sie bei Untertauchadressen im ganzen Land. Dabei schärfen sie ihnen ein zu vergessen, wer sie sind. Denn von nun an tragen sie neue Namen. Nicht-jüdische Namen. Die jungen Leute sind immer auf der Hut, wissen, dass ihre Arbeit gefährlich ist und sie alles kosten kann. Doch sie hören nicht auf, auch nicht, als immer mehr von ihrer Organisation entdeckt und ermordet werden. Denn irgendwann muss dieser Krieg vorbei sein. Irgendwann muss das Grauen ein Ende haben.

Nenn keine Namen

Erschütternde Geschichte des Widerstands

Astrid Sy legt mit „Nenn keine Namen“ einen bewegenden und erschütternden Roman gegen das Vergessen vor. Darin erzählt sie von zwei Gruppen während des NS-Regimes, die bisher wenig Beachtung fanden: Frauen im Widerstand und jüdische Kinder. Natürlich wissen wir alle, dass jüdische Kinder genauso in den Konzentrationslagern interniert waren. Dass sie dort unter den unmenschlichen Bedingungen litten und einen grausamen Tod fanden. Dennoch werden sie zu selten erwähnt, zu wenig beachtet. Dabei mussten sie viel Leid ertragen, wurden aus ihren Familien, aus ihrem Leben gerissen. Ihnen gibt Astrid Sy mit diesem Buch eine Stimme und erinnert damit an ihre Schicksale. Eng verbunden mit diesen Kindern sind auch die Frauen, die sie umgaben. Nicht nur ihre Mütter, sondern im Fall der Amsterdamer Kinderkrippe noch viele andere. Die jüdischen Kinderschwestern, die in der Krippe arbeiteten und sich um die Kleinsten der Gesellschaft kümmerten, ebenso Frauen im Widerstand, junge Studentinnen, die alles riskierten, um einige dieser zum Tode verurteilten Kinder zu retten. Ihre Rolle wird übersehen, wie es so oft bei uns Frauen der Fall ist. Doch was sie leisteten, ist beeindruckend. Trotz aller Gefahren für ihr eigenes Leben, für das Wohl ihrer eigenen Familien, riskierten sie alles. Sie zeigten Herz und Mitgefühl in einer grausamen Zeit. Dabei war die Angst vor dem Entdeckt werden ein ständiger Begleiter. All das schildert Astrid Sy sehr bewegend. Immer wieder wechselt sie die Perspektiven, erzählt einmal aus der Sicht der jüdischen Kinderschwestern, dann wieder aus der der Frauen des Widerstands. Das gewährt dem Lesenden einen tiefen Einblick, sowohl in das alltägliche Leben und in die Gefahren, als auch in die emotionale Welt aller Beteiligten. Wir begegnen Frauen, die über das Schicksal einzelner Kinder entscheiden mussten. Wer kann gerettet werden, wer muss in den sicheren Tod gehen? Entscheidungen, die unglaublich belastend und grausam waren. Zudem gab es klare Vorgaben, wie viele Kinder gehen durften und wie sie auszusehen hatten. Natürlich möglichst nicht-jüdisch. Mitgefühl, Gewissensfragen mussten hintenangestellt, ja durften nicht einmal beachtet werden. Etwas, das vor allem für die Kinderschwestern eine extreme Belastung war. Diese Hilflosigkeit ist auf jeder Seite zu spüren, ebenso die Angst des Widerstands vor einer Entdeckung. Und sie wurden entdeckt, verraten durch das Umfeld, aufgeflogen durch ein sich immer enger zeihendes Netz.

Nenn keine Namen

„Nenn keine Namen“ von Astrid Sy ist ein bewegendes Jugendbuch über mutige Frauen und das Schicksal jüdischer Kinder während des NS-Regimes in Amsterdam. Basierend auf historischen Figuren, erzählt die Autorin von Frauen im Widerstand und jüdischen Kindern. Das Buch ist keine leichte Kost, dafür aber ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur.

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    Noem geen namen
  • Übersetzer*in:
    Rolf Erdorf
  • Verlag:
  • Genre:
  • Erschienen:
    06/2023
  • Umfang:
    448 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    15 Jahre
  • ISBN 13:
    9783836961813
  • Preis (D):
    24,00 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:

Könnte Ihnen auch gefallen: