Mit Kindern redet ja keiner

Antolin Quiz
von Kirsten Boie, Philip Waechter
Rezension von Janett Cernohuby | 02. April 2020

Mit Kindern redet ja keiner

Wie erleben Kinder psychische Erkrankungen ihrer Eltern? Wie gehen sie damit um? Wie verarbeiten sie diese äußerst belastende Situation und vor allem, wie stark prägt es sie? Mit diesen bedrückenden und unangenehme Fragen beschäftigen wir uns nicht gerne, genauso wenig wie mit dem Thema Depression. Es ist uns schlichtweg unangenehm. Doch wir dürfen unsere Augen nicht verschließen. Kirsten Boie erzählt in einem äußerst ergreifenden Kinderroman von eben solch einer schweren Familiensituation.

Wenn die Mutter unter Depressionen leidet

Depressionen sind nach wie vor eine Krankheit, über die man nicht spricht, die einem unangenehm ist und die man lieber totschweigt.
So geschieht es auch in Charlottes Familie. Eigentlich läuft alles perfekt: Der Vater arbeitet in einer Kanzlei, die Mutter beginnt noch mal ein Studium, die Familie zieht von der Stadt aufs Land in ihr Traumhaus. Doch nach und nach beginnt es zu kriseln. Die Mutter ist überfordert mit Familie und Studium. Immer öfter hat sie furchtbare Wutausbrüche. Bald schon sitzt sie antriebslos auf dem Sofa, scheint keine Kraft mehr zu haben. Nicht fürs Kochen, nicht für den Haushalt und nicht für ihre Tochter. Charlotte muss sich selbst durchkämpfen, nach außen den Schein wahren und so tun, als wäre alles normal. Sie traut sich niemandem anzuvertrauen, nicht einmal ihrer besten Freundin, bei der sie viel Zeit verbringt. Auch der Vater unternimmt nichts, igelt sich in seiner Arbeit und in seinem Büro ein. Bis es eines Tages fast zu spät ist und es zu einem Unglück kommt. Doch darin liegt auch eine Chance. Für Charlotte, für ihre Mutter, für die Familie.

Ergreifende Geschichte

Kirsten Boie widmet sich in diesem Kinderbuch einem sehr schweren Thema: Depressive Erkrankung eines Elternteils. Auf beeindruckende und vor allem sehr ergreifende Weise schildert Kirsten Boie, wie Kinder mit solchen Situationen umgehen. Wie sie diese erleben, in sie hineinwachsen und versuchen, damit umzugehen. Besonders tragisch ist das Ausgrenzen der Kinder. „Mit Kindern redet ja keiner“ fällt sehr oft als Bemerkung im Buch und es ist so erschreckend wahr. Keiner redet mit Charlotte, keiner hilft dem Mädchen, spricht mit ihr, geht auf sie ein. Natürlich versucht es die Lehrerin halbherzig nach dem Unterricht, ebenso versucht die Mutter ihrer Freundin einen Zugang zu dem Kind zu finden. Doch das ist nicht das, was das Mädchen braucht. Sie bräuchte einen Vater, der sich um sie kümmert, der sie mit einbezieht und ihr eine Vertrauensperson ist.
Freilich ist der auch völlig überfordert mit der Situation, die durch die Vorurteile der Omas nicht leichter wird. Stattdessen verunsichern sie Charlotte nur noch mehr. Das Mädchen findet für sich einen Weg, mit all dem umzugehen. Leider beinhaltet der aber ebenfalls Verleumdung, Schweigen und Rückzug. Sie schämt sich und versucht allen vorzuspielen, dass zuhause alles in Ordnung ist.
Es sind genau diese Schilderungen die beim Lesen unter die Haut gehen. Man empfindet unendlich viel Mitleid mit dem Mädchen. Und dennoch wohnt dem Buch auch etwas Positives inne. Denn indem Kirsten Boie diese berührende und bewegende Geschichte schrieb, gab sie Kindern eine Stimme. Sie zeigt, wie sie fühlen, wie sie durch diese Krankheiten leiden und macht Mut. Mut, dass den betroffenen Eltern geholfen werden kann. Sie erinnert daran, Kinder mit einzubeziehen, mit ihnen zu sprechen und in den Heilungsprozess mit einzuschließen.

„Mit Kindern redet ja keiner“ ist eine sehr berührende Geschichte, die unter die Haut geht. Sie greift das schwierige Thema der depressiven Erkrankung eines Elternteils auf und zeigt, wie sehr Kinder darunter leiden, wie sie die Situation wahrnehmen und wie sie für sich versuchen, damit umzugehen. Gleichzeitig macht das Buch auch Mut. Mut sich jemandem anzuvertrauen und hoffnungsvoll nach vorne zu blicken.

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