Der Goldfisch ist unschuldig

von Tanja Fabsits
Rezension von Janett Cernohuby | 27. September 2018

Der Goldfisch ist unschuldig

Burn-Out und Depressionen sind mittlerweile als Krankheiten mehr in unser Bewusstsein gerückt. Zudem sind auch immer mehr Menschen davon betroffen. Doch was passiert, wenn ein daran Erkrankter Familienvater oder -mutter ist? Wie nehmen Kinder ihre Eltern wahr, die an Burn-Out oder Depressionen leiden? Tanja Fabsits greift dieses Thema in ihrem Kinderbuch „Der Goldfisch ist unschuldig“ auf.

Der Goldfisch muss weg

Henri hat es satt! Seit Wochen liegt sein Vater antriebslos auf der Couch und starrt ununterbrochen auf das Goldfischglas. Er steht nicht mehr auf, um zur Arbeit zu gehen oder um mit Henri zu spielen. Eigentlich steht er höchstens noch auf, um auf Toilette zu gehen. Eines Tages packt Henri die Wut und er wirft den Goldfisch samt Glas aus dem Fenster. Zum Glück geht unten gerade der Hausmeister Signore Montesanto mit einer offenen Mülltonne vorbei, so dass der Fisch diesen Sturz unbeschadet überlebt. Dennoch ist das Problem mit Henris Vater nicht aus der Welt geschafft. In dem italienischen Hausmeister findet Henri jemanden, dem er seine Sorgen anvertrauen kann. Dank ihm kommt Henri auf eine Idee, wie er seinen Vater von der Couch herunterlocken kann. Weihnachten steht vor der Tür und Henri plant, Papas Bruder einzuladen. Doch das ist gar nicht so einfach, da dieser sich mit zahlreichen Ausreden versucht herauszuwinden. Zudem gibt es noch einige andere Beteiligte, die auch nicht gerade hilfreich bei der Verwirklichung von Henris Plänen sind. Und so rückt Weihnachten immer näher…

Wie Kinder Burn-Outs erleben

Warum liegt Henris Vater auf der Couch und steht nicht mehr auf?
Das ist die zentrale Frage im Buch, um die sich alles dreht. Erwachsene Leser wissen sehr bald, dass er am Burn-Out-Syndrom erkrankt ist. Für Kinder wird diese Krankheit nicht beim Namen genannt, erst gegen Ende fällt ein Hinweis, dass Henri Tabletten für seinen Vater mitbringt, die ihm helfen sollen. Ansonsten wird die Krankheit als solches nie direkt ausgesprochen.
Das braucht es auch nicht, denn Tanja Fabsits beschreibt auf beeindruckende Weise, wie ein Kind eine solche Situation erlebt und damit umgeht. Dafür begab sie sich auf Augenhöhe mit ihrem Protagonisten und lässt ihn die Geschichte erzählen. In der Ich-Perspektive, mit seinen Worten und aus seinen Augen. So bekommt alles eine Leichtigkeit, der aber gleichzeitig eine Ernsthaftigkeit und große Last innewohnen. Henri fühlt sich immer wieder verantwortlich für den Zustand seines Vaters. Er glaubt, er selbst sei nicht gut genug, damit sein Vater aufsteht und wieder am Leben teilnimmt. Schließlich war sein Vater vor Henris Geburt anders, fröhlicher. Zwar versucht seine Mutter, ihm diese Gedanken zu nehmen, trotzdem kann Henri diese Situation nicht verstehen. Und so versucht er, sie zu ändern. Zuerst, indem er den Goldfisch aus dem Fenster wirft, später indem er seinem Vater Briefe schreibt und unters Kopfkissen legt und am Ende, indem er ihm ein besonderes Weihnachtsgeschenk bereiten möchte. Eines, für das er bereit ist, auf sein eigenes Geschenk zu verzichten. Überhaupt verspürt Henri gar keine Lust Weihnachten zu feiern, wenn sein Vater nicht daran teilnimmt. Wenn er auch an diesen Tagen lustlos auf der Couch liegt. Noch schlimmer: Irgendwann überträgt sich diese Lustlosigkeit, die Lethargie an Henri und er legt sich zu seinem Vater dazu. Entmutigt von all den Rückschlägen, die der Junge erleidet. Und so verströmt das Buch absolut keinen Weihnachtscharme, wenngleich die Tage bis zum Heiligen Abend heruntergezählt werden.
Der italienische Hausmeister wird zu einer  wichtige Person für Henri. Der alte, alleinstehende Hausmeister hat Mitleid mit dem Jungen und versucht ihn, durch Ratschläge aufzuheitern. Er ist für ihn da, hört ihm zu und ermutigt Henri bei dem, was er vorhat.
So entwickelt sich eine Geschichte, die auf der einen Seite traurig ist, auf der anderen Seite aber auch einen Protagonisten hat, der gegen diese Traurigkeit ankämpft. Der in seinem kindlichen Glauben alles versucht, um seinem Vater die Lebensfreude zurückzubringen. Henri ist eine Figur, die dem Leser ans Herz wächst. An der man sieht, wie sehr auch Kinder unter den psychischen Erkrankungen ihrer Eltern leiden. Wie hilflos sie einem Thema gegenüberstehen, mit dem schon Erwachsene überfordert sind.

„Der Goldfisch ist unschuldig“ ist ein starker Titel und ein gelungenes Debüt von Tanja Fabsits. Auf beeindruckende Weise erzählt sie vom Kampf eines Jungen gegen die psychische Erkrankung seines Vaters. Großartig beschreibt sie die Ereignisse aus der Sicht des kindlichen Protagonisten, lässt sie dadurch aber weder an Dramatik noch an Tiefe verlieren. Es ist ein Kinderbuch, das auch Erwachsene berührt.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    08/2018
  • Umfang:
    168 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    9 Jahre
  • ISBN 13:
    9783702236991
  • Preis (D):
    14,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
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