Lesung im Dunkeln: House of Ghosts
Gruselspaß mit Frank Reifenberg und Heiko Kunert
Beitrag von Janett Cernohuby | 14. Januar 2018
Ein grauer Himmel lag am 13. Januar 2018 über der Donaumetropole Wien. Aus den Wolken fiel feiner Sprühregen herab. Graues Herbstwetter, bei dem man sich am liebsten zuhause mit einem guten Buch auf die Couch setzt. Oder im Kirango, dem Kinderplaneten in der Hauptbücherei. Dort luden der Verlag arsEdition, Kinderbuchautor Frank M. Reifenberg und der blinde Vorleser Heiko Kunert zu einer ganz besonderen Lesung. Einer Lesung im Dunkeln.
Eine gruslig-komische Lesung im Dunkeln
Jährlich erscheinen rund 100.000 neue Bücher auf dem Markt, allerdings werden nur rund 2 % davon in die Brailleschrift übertragen. Traurige Zahlen, denn auch sehbehinderte Menschen lieben Geschichten und lesen gerne. Es gibt doch Hörbücher? Ja, aber Hören und Lesen sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Mit ihrer Veranstaltungen wollen Frank M. Reifenberg und Heiko Kunert darauf aufmerksam machen, dass auch sehbehinderte Menschen einen verbesserten Zugang zur Literatur haben müssen.
Umso erfreulicher war die Einladung zu dieser besonderen Veranstaltung, einer Dunkellesung in der Hauptbücherei Wien. Dort stellte Frank M. Reifenberg jungen Bücherbegeisterten zwischen neun und dreizehn Jahren sein Buch "House of Ghost - Das verflixte Vermächtnis" vor. Abwechselnd wurden daraus Tag- und Nachtszenen vorgelesen. Um die Nachtszenen besonders schaurig wirken zu lassen, wurde dafür das Licht im Saal abgeschalten. Publikum und Vorleser saßen nun völlig im Dunkeln.
An diesen Stellen übernahm der blinde Vorleser Heiko Kunert das Ruder, beziehungsweise die Lesung. Dafür musste das Buch natürlich zuvor in Blindenschrift übersetzt werden. Der Verlag arsEdition hat diese Übersetzung machen lassen und so ist Frank M. Reifenbergs Werk auch für sehbehinderte Kinder erhältlich.
House of Ghost - Das Vermächtnis
Worum geht es in dem Buch?
Melli und ihre Familie sind von New York in ein deutsches Provinzkaff gezogen. Dort haben sie eine Villa geerbt. Jedoch kurz nach ihrer Ankunft stellt sich heraus, dass diese eine Bruchbude ist. Aber da die Familie pleite ist, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Erbschaft anzutreten. Schon in der ersten Nacht merkt Melli, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Sie hört ein seltsames Knirschen und Knacken im Gebälk, ein leises Seufzen und immer wieder wird die Luft um sie herum eisig kalt. Bald schon kommt sie einem Geheimnis ihrer Urgroßschwiegercousine, von der sie die Villa geerbt haben, auf den Grund und plötzlich steckt Melli mittendrin in einem schaurig-lustigen Geisterabenteuer.
Im Dunkeln ist nicht nur gut munkeln, sondern auch lesen
Eine Kinderlesung im Dunkeln. Kann das funktionieren? Lassen sich Kinder überhaupt darauf ein, wenn es plötzlich im Saal stockfinster ist und ihnen dann eine Gruselgeschichte vorgelesen wird?
Nun, ganz finster war es dann doch nicht. Denn im Vorfeld wurden an die kleinen Besucher Leuchtarmbänder ausgeteilt, die den verdunkelten Saal mit bunten Lichtpunkten füllten. Das war natürlich großartig ausgedacht und wurde von den Kindern mit Begeisterung aufgenommen. Vielleicht lag es aber auch an Frank M. Reifenbergs nicht ganz so ernst gemeinter Erklärung, dass es sich bei den Armbändern um hochtechnische Geisteraufspürgeräte handele. Wer weiß?
Gelesen wird nicht nur von sehenden Menschen
So mancher wird nach der Lesung mehr mit Nachhause nehmen, als nur einen guten Buchtipp. Denn auch wenn das Thema nicht in den Mittelpunkt gerückt, sondern nur am Rande gestreift wurde, ging es doch auch um die Freude am Lesen für Sehbehinderte Menschen. Eins ist klar: Es gibt viel zu wenige Bücher für sie und es besteht noch viel Nachholbedarf auf diesem Gebiet. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass unglaublich viel für die Leseförderung sehender Kinder getan wird. Aber was ist mit blinden Kindern? Denn diese mögen Geschichten ganz genauso gern.
Interview mit Frank Reifenberg und Heiko Kunert
Nach der Lesung nutzten wir die Gelegenheit zu einem Interview mit Autor Frank M. Reifenberg und Vorleser Heiko Kunert.