Mit dem Fahrstuhl stecken zu bleiben, ist eine Horrorvorstellung für viele Erwachsene. Eingesperrt in einer Kabine, irgendwo in luftiger Höhe. Für Kinder ist eine solche Erfahrung nicht minder furchtbar, vor allem, wenn sie alleine im Aufzug stecken. Eben das passiert dem Protagonisten in Constance Ørbeck-Nilssens und Øyvind Torseters Bilderbuch.
Allein im Aufzug
Eigentlich darf er ja nicht alleine mit dem Aufzug fahren. Aber weil er beim Spielen auf dem Spielplatz die Zeit vergessen hat und nun spät dran ist, ist er dieses eine Mal alleine in die Fahrstuhlkabine eingestiegen. Und ausgerechnet an diesem Tag passiert es. Mitten im Schacht bleibt der Aufzug stecken und bewegt sich weder vor- noch zurück. Sogar das Licht geht aus und nun steht der Junge ganz allein im Dunkeln.
Bestimmt wartet Mama schon auf ihn und macht sich große Sorgen. Ob sie schon nach ihm sucht? Zusammen mit den Nachbarn, der Polizei und anderen Helfern?
Ob sie ihn jemals im Aufzug finden werden?
Die Angst wird größer, ebenso die Panik im Dunkeln. Da überkommt ihn plötzlich die kindliche Vorstellungskraft. Er denkt an die kräftigen Hände seines Vaters, wie sie ihn halten, wenn sie auf Wanderschaft gehen. So bestärkt findet der Junge nun auch endlich den Knopf, den Verbotenen, den nur die Erwachsenen im Notfall drücken dürfen. Aber schließlich ist es bei ihm ja auch ein Notfall...
Die innere Kraft entdecken
Eindringlich und kraftvoll erzählt Constance Ørbeck-Nilssen von einem Jungen, der in einer Extremsituation seine Ängste zu überwinden lernt. Und Extremsituation ist hier wahrlich nicht untertrieben. Denn hier geht es nicht nur darum, in einem feststeckenden Aufzug zu sitzen, hier wird diese klaustrophobische Situation noch mit dem Ausfallen des Lichts und der absoluten Finsternis verstärkt. Eine grauenvolle Situation, schon für uns Erwachsene. Wie viel schlimmer muss sie wohl für ein Kind sein?
Doch in Kindern schlummern oft ungeahnte Kräfte. So auch in diesem Jungen. Denn statt in Panik zu verfallen, lässt er seinen Gedanken und seiner kindlichen Vorstellung freien Lauf. Er denkt darüber nach, was wohl seine Mutter gerade tut. Wie sie auf ihn wartet, wie sie sich Sorgen macht, wie alle nach ihm suchen. Natürlich nimmt das noch nicht die Ängste. Erst die Erinnerung an den kraftvollen Händedruck seines Vaters, die Erinnerungen an die Ausflüge an den Fluss, der dunkel vor ihnen dahinfließt, geben ihm letztendlich Mut und Kraft. Der Junge wächst über sich hinaus und lernt eine extrem schwierige Situation zu meistern.
Sehr eindrucksvoll sind dabei die Illustrationen von Øyvind Torseter, welche die knappen Texte begleiten. Sie verdeutlichen die kindliche Vorstellungskraft, bieten uns Interpretationsspielraum und verdeutlichen sowohl die kindlichen Vorstellungen als auch Ängste. Skizzenhaft, mit wenigen Linien gezeichnet und die monochrome Farbgebung durch wohl platzierte orangefarbene Akzente durchbrochen, zeigen sie eine ganze Welt, verstärken den Eindruck der Angst, aber auch die Momente des Mutes, in denen der Junge über sich hinauswächst. Ein beeindruckendes Bilderbuch, mit einer sehr emotionalen Geschichte.
„So Dunkel!“ ist viel mehr, als ein Bilderbuch über einen Jungen, der im Aufzug festsitzt. Es ist ein Buch das zeigt, welche Kräfte und welche innere Stärke in uns schlummert. Eindrücklich mit wenigen Worten erzählt und mit markanten Illustrationen versehen, lernen wir hier einen Jungen kennen, der in einer Extremsituation unglaublichen Mut beweist. Ein äußerst empfehlenswertes Bilderbuch.
Details
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Originaltitel:Så mørkt det ble
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Übersetzer*in:Maike Dörries
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Erschienen:06/2023
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Umfang:48 Seiten
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Typ:Hardcover
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Altersempfehlung:10 Jahre
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ISBN 13:9783836961875
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Preis (D):16,00 €