Thomas Brezina - Ein Interview auf heißer Spur (Teil 2)
Beitrag von Stefan Cernohuby | 10. März 2016
Im zweiten Teil unseres Interviews erzählt uns Thomas Brezina nicht nur etwas zu seinem sich ändernden Erscheinungsbild, neuen Medien und der Veränderung des Leseverhaltens. Er erzählt uns auch noch, welche Auszeichnungen ihn wirklich stolz machen und was wir in näherer Zukunft Neues von ihm zu erwarten haben.
Stefan Cernohuby:
Eine andere Frage zu ihrem eigenen Erscheinungsbild. In den 90ern waren sie bekannt für ihren Schnauzbart, in den 2000ern ist der irgendwann verschwunden und heute sieht man sie wieder mit Bart. Sind das eigene Entscheidungen oder auch Erwägungen, wie man Sie im Fernsehen präsentieren möchte?
Thomas Brezina:
Das sind meine eigenen Entscheidungen. Ja, ich habe den Schnauzbart lange gehabt, aber man muss ja nicht sein Leben lang gleich ausschauen. Und eines Tages kam der Tag, an dem ich ihn nicht mehr wollte. Ich habe ihn mir abrasiert, da fühlt es sich erst so an, als hätte man eine Walrosslippe. Dann habe ich mich daran gewöhnt. Vor ein oder zwei Jahren ist mein Rasierer verschwunden. Eine Zeitlang war ich zu faul, um mir einen neuen zu kaufen. Ich habe nur zuhause geschrieben und dann ist plötzlich der Bart gewachsen. Dann habe ich eine Präsentation für jemanden aufgenommen - wir machen heute sehr viel über Video, iPad und so weiter, wo ich zu Leuten rede. Ich habe das aufgenommen und ich bekam von den Menschen um mich herum zu hören „Du schaust super aus.”, „Lass das doch” und „Du schaust großartig aus”. Ich finde das eigentlich auch lustig – und jetzt ist es so. Wie ich in einem Jahr ausschaue, weiß ich nicht.
Stefan Cernohuby:
Gerade im Hinblick auf neue Medien wie iPads und Smartphones. Wie sehen Sie selbst die Zukunft des Lesens, in einer Welt, in der immer alles interaktiver wird und viele sich vielleicht gar nicht mehr Büchern als Medium selbst zugehörig fühlen?
Thomas Brezina:
Als ich begonnen habe Bücher zu schreiben, vor 28 Jahren, habe ich meine Tante Mitzi besucht, die damals Ende 80 war. Ich habe zu ihr gesagt: „Stell dir vor, Tante. Jetzt schreibe ich Bücher. Aber ich weiß gar nicht ob das erfolgreich ist, weil Kinder heute natürlich viel mehr fernsehen. Werden sie noch Bücher lesen?” Und da hat sie schallend zu lachen begonnen und hat gesagt. „Weißt' was, als ich ein Mädchen war, haben alle zu mir gesagt, lies nicht so viel, da verdirbt man sich nur die Augen.” Und sie hat gesagt „Das Leben geht immer weiter und alles entwickelt sich weiter. Bleib ganz ruhig.”
Und wissen Sie, so ist es. Heute sagen Eltern oft: „Geh schau doch mal wieder Fern und sitz nicht nur vor dem Computer.” Also ich meine, es dreht sich einfach immer alles weiter. Das Buch hat bis jetzt bewiesen, dass es nach wie vor die Grundlage für Geschichten ist. Dass auch bei Filmen sehr viele Originalgeschichten aus einem Buch heraus kommen, weil das einfach nach wie vor die beste Entwicklungsform ist. Das Buch muss sich schon mitentwickeln. Dieser Literatursnobismus, der manchmal betrieben wird - und dann auch die Annahme, das muss so und so sein und nur dann ist es lesenswert -, das vertrete ich einfach nicht. Auch unter Erwachsenen gibt es Lesebegeisterung. Aber es sind dann oft Autoren, über die andere die Nase rümpfen. Was soll das? Wollen wir uns jetzt darüber beschweren, dass die Leute lesen oder nicht lesen wollen oder wollen wir einfach akzeptieren, was sie lesen? Es wird sich aber alles weiterentwickeln. Ich habe aber, muss ich ehrlich sagen, weder den Kulturpessimismus für Zeitungen noch den Kulturpessimismus für Bücher. Bei der Neuausgabe der Knickerbocker-Bande haben wir 30 Prozent Text herausgenommen. Es sind die gleichen Geschichten, aber sie sind gekürzt. Weil sich das Leseverhalten einfach verändert. Die Kinder haben nicht mehr die Zeit.
Stefan Cernohuby:
Sprechen wir über das Leseverhalten, bei dem oft das familiäre Umfeld wenig beiträgt. Sollte man im Bildungssektor mehr zur Leseförderung beitragen?
Thomas Brezina:
Ich sage etwas ganz klipp und klar. Ich finde prinzipiell, dass das, was wir steuern und beeinflussen können, immer Schule ist. Das heißt, wir müssen dort das bieten, was Kinder brauchen. In jeder Hinsicht. Das ist meine tiefe Überzeugung. Ich kann jetzt leicht reden, weil ich keine Budgets machen muss und all diese Sachen nicht mache, aber das beobachte ich und das ist auch meine Überzeugung.
Leseförderung, da muss man sich immer überlegen, was das ist. Ich glaube, es geht um zwei Ebenen. Ebene Nummer 1 lautet, das Kind muss die Technik des Lesens beherrschen.
Jetzt ist es so, dass jeder Lehrer bestätigen wird, dass die Kinder immer unterschiedlicher werden. Wenn Sie zehn 6-jährige vor sich sitzen haben, werden sie in ihrer Aufnahmefähigkeit, in ihrer Art, von 4-jährigen bis 8-jährigen entsprechen. Dann wird es manche geben, die visuell viel leichter lernen, während andere übers Gehör schneller lernen. Dann wird es manche geben, die einfach haptisch etwas brauchen – so unterschiedlich sind Kinder heute. Es ist auch meine tiefe Überzeugung, dass man auf diese Unterschiedlichkeit stärker eingehen muss. Dass man hier schaut, was braucht ein Kind, damit es lernt. Die Buchstaben zu kennen, die Technik des Lesens zu beherrschen und Texte aufnehmen zu können, das ist die Grundlage von allem. Wie man das einem Kind beibringt, wie das Kind lernt, wie man das macht … das ist wiederum die Frage danach, was braucht das Kind.
So, und dann kommen die berühmten Bücher. Ich glaube ja, dass man etwas unterschätzt. Lesen ist ja nicht nur Bücher lesen. Also wenn ein Kind heute bei Wikipedia etwas liest und von Artikel zu Artikel weitersurft, dann liest es auch. Das Lesen von Büchern ist natürlich schon etwas Besonderes, auch von der Herausforderung her. In jedem Fall muss das Buch dem Kind gefallen. Und deswegen sage ich, Kinder müssen sich ihre Bücher selber auswählen können.
Stefan Cernohuby:
Eine Frage von meinem Sohn. „Kennt Thomas alle 111 Tricks von Tom Turbo?“
Thomas Brezina:
Ja. Ich habe eine Liste, auch dafür. Ich habe eine Liste, die alle aktuellen 111 Tricks enthält.
Stefan Cernohuby:
Über die letzten 15, 20 Jahre haben Sie eine große Anzahl an Auszeichnungen für Ihre Arbeit erhalten. Zahlreiche Intermedia Globe Awards für unterschiedliche Sendungen, die Romy, Sie waren zweimal „Buchliebling” und Sie haben das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich erhalten. Gibt es eine Auszeichnung, auf die Sie rückblickend besonders stolz sind?
Thomas Brezina:
Ich freue mich über diese Auszeichnungen. Aber wenn ich Briefe oder E-Mails von Erwachsenen erhalte, die mir erzählen, was meine Bücher ihnen in ihrer Kindheit bedeutet haben. Oder wenn mir wie letztes Jahr im August in China eine Mutter während einer Buchtour sagt: „Mein Sohn hat nie ein Buch gelesen, aber Gott sei Dank hat er dann „Tiger-Team” bekommen, einen Band. Und jetzt hat er endlich zu lesen begonnen”, dann sind das die höchsten Auszeichnungen für mich. Es ist sehr schön, offiziell und öffentlich anerkannt zu werden. Aber wenn man auf der Straße von Leuten angesprochen wird, die sagen „Mein Kind liest Ihre Bücher so gerne“, finde ich das nach wie vor unfassbar.
Stefan Cernohuby:
Wo wir gerade bei der Anerkennung sind. Ihre Werke haben schon zu Beginn ein wenig gemischtes Medienecho hervorgerufen. Aussagen wie „der pädagogische Aspekt ist nicht so ausgeprägt.” Sie sagen selbst, sie konzentrieren sich lieber auf Unterhaltung und dass es den Kindern Spaß macht. Ist dieses Echo auch eher dem Hintergrund geschuldet, dass Sie mit Ihren Büchern erfolgreich waren, im Gegensatz zu anderen hochpädagogischen Büchern. Ist da auch der Faktor Neid mit im Spiel?
Thomas Brezina:
Neid haben Sie immer und überall. Um all diese Sachen darf man sich nicht kümmern, das bringt auch nichts. Im Endeffekt schreibt man für Leserinnen, für Leser.
Was ist pädagogisch? Ich würde ja heute sehr diskutieren, was ist literarisch? Denn wer bestimmt das? Ich habe in meinen Büchern immer sehr klare Werte vermittelt. Ich habe Kindern immer vorgeführt, wie gut Dinge immer funktionieren, wenn man zusammenhält. Die Werte von Freundschaft, von Kommunikation und auch von Familie. Das ist mir ein großes Anliegen.
Ich habe diese ganzen Serien über Tiere deshalb geschrieben, weil wir uns vor allen hier beim Fernsehen angeschaut haben, wofür sich Kinder interessieren und da war vor vielen Jahren Umweltschutz ein großes Thema. Und plötzlich ist es abgestürzt auf Platz 48. Es wurde natürlich nachgeforscht, warum. Die Antwort der Kinder war: „Warum sollen wir die Umwelt schützen, wenn sie jeder Erwachsene zerstört?” Ich hab mir gedacht, das ist sehr schlau und sehr wahr. Es kommt da noch etwas anderes dazu. Wenn man für ein Tier fasziniert wird, wird man das automatisch besser behandeln und schützen. Also habe ich mir gedacht, dann schreibe ich Geschichten darüber, wobei einfach die Faszination, die ich empfinde, wenn ich Tiere erlebe, herüberkommen soll. Das sind meine Zugänge. Meine Zugänge sind in vielen Büchern, also zum Beispiel „No Jungs!”, naja, da sind ja sehr viele menschliche Themen verpackt. Nur es ist nicht mit der Holzhammer-Methode. Es steht nicht außen drauf, das ist ein Problembuch über einer Freundschaft zweier unterschiedlicher Mädchen. Ich mache das lieber als Komödie. Weil mir einmal ein sehr schlauer Mensch gesagt hat, es zahlt sich mehr aus, das Leben als Komödie zu sehen, denn als Tragödie.
Stefan Cernohuby:
Nun sind wir fast ans Ende gelangt. Eine Frage hätte ich noch, nämlich zur Zukunft. Gibt es größere Projekte, auf die wir uns als Redaktion einstellen können?
Thomas Brezina:
Große Sachen? Ich schreibe gerade eine neue Tierserie. „Pippa und die bunten Pfoten”, die kommt im Herbst heraus. Ich arbeite an einer neuen Serie nur für Buben. Eine sehr lustige und spannende Geschichte und in der Aufmachung wird das sehr lustig, darauf freue ich mich sehr. Ich arbeite eben an einem zweiten Erwachsenenroman. Das sind wichtige Sachen. Und hier beim Fernsehen bereiten wir auch neue Projekte vor. Eines davon ist, dass der ABC-Bär in Zukunft auch Englisch spricht.
Stefan Cernohuby:
Dann sind wir gespannt und sagen vielen Dank für das Interview!
Thomas Brezina:
Gerne!
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