Alles so leicht

von Meg Haston
Rezension von Janett Cernohuby | 12. Dezember 2015

Alles so leicht

Wohin mit dem Schmerz, der sich manchmal in uns aufstaut? Wie ein Ventil schaffen, um herauszulassen was unsere Seele oder unseren Geist belastet? Leider gibt es hierfür kein Patentrezept, keine Generallösung. Denn jeder Mensch ist anders, verarbeitet Dinge unterschiedlich. Und während die einen lernen mit schweren Situationen umzugehen und sie zu bewältigen, geraten anderen in einen Abwärtsstrudel. "Alles so leicht" ist die Geschichte eines Mädchens voller Trauer, Wut und Verzweiflung, das für sich selbst nur noch einen fatalen Ausweg sieht.

Stevie sitzt in der Falle. Ihr Vater hat sie in ein Therapiezentrum für Essstörungen einweisen lassen, wo sie die nächsten 60 Tage verbringen soll. 60 lange Tage, wo sie selbst doch in 27 Tagen verschwinden wollte. Doch das ist kaum möglich, wenn sie ständig unter der Kontrolle von Therapeuten, Ärzten und Betreuern steht. Ihr Tagesablauf ist streng reglementiert, eingeteilt in Therapien, Sitzungen und natürlich Mahlzeiten. Denn Stevie ist krank, schwer krank. Essen ist ihr Feind und nur dann willkommen, wenn sie es erbrechen kann. So versucht sie die Geister loszuwerden, die sie seit längerem quälen. Die Geister, die sie an den Weggang ihrer Mutter erinnern, an den Tod ihres Bruders, an ihr mieses Leben. Stevie weiß, dass sie sich von ihrer Seelenklempnerin keiner Gehirnwäsche unterziehen lassen wird, sondern an ihrem Plan festhält.

"Alles so leicht" ist die tragische Geschichte eines jungen Mädchens, das viel Leid und Kummer hat ertragen müssen. Gleichzeitig ist es eine Geschichte, die ein aktuelles und brisantes Thema aufgreifen will. Will deshalb, weil es der Autorin - wenngleich sie einen persönlichen Bezug zur Handlung haben mag - nicht überzeugend gelingt. Sie skizziert ein Mädchen, das durch verschiedene familiäre Schicksalsschläge traumatisiert ist. Stevie gibt sich die Schuld an allem, fühlt sich für alles verantwortlich. Offenbar bekam sie nie die Möglichkeit, diese Erlebnisse angemessen zu verarbeiten, weswegen sie sie immer mehr in sich hineinfrisst. Doch das geht niemals lange gut und irgendwann braucht jeder eine Möglichkeit, seiner Seele eine Auszeit zu verschaffen. Für die Protagonistin dieses Buches war es die Essstörung, genauer gesagt Bulimie. Es hätten aber genauso gut auch Alkoholsucht, Drogenabhängigkeit oder Autoaggression sein können. Dass sich die Autorin jedoch für diese Krankheit entschied, liegt an ihren eigenen Erfahrungen.
Daher sollte man als Leser nicht mit der Erwartung an das Buch herangehen, es werde hier das Thema Essstörung thematisiert und in den Mittelpunkt gerückt. Denn dort steht ein junges Mädchen, dessen Mutter sie (und die Familie) verlassen hat, dessen Bruder ums Leben gekommen ist. Dieses Mädchen gibt sich die Schuld an allem und glaubt nun, ihr einziger Ausweg sei es, zu verschwinden. Die Autorin verwendete viel mehr Energie auf die Ausarbeitung dieses Dramas, als auf die Darstellung der Essstörung und den harten Weg zur Gesundung. Für letzteres gibt es bessere Jugendromane, beispielsweise Anna S. Höpfners "Das Lächeln der Leere".
Doch zurück zur Handlung, speziell zu Stevies tragischem Familienschicksal. Dieses hat die Autorin dramatisch und erschütternd geschildert. In Rückblenden erfährt der Leser von Stevies Familie, ihrem Leben und den Schicksalsschlägen, die sie das Mädchen hat hinnehmen müssen. Wie ein Mosaik setzt die Autorin ein Steinchen nach dem anderen ein und lässt am Ende beim Leser ein trauriges Gesamtbild entstehen.
Doch auch hier hat die Handlung wieder einige Schwächen. An vielen Stellen machte es sich die Autorin zu einfach, zeichnete Ereignisse zu flach und löst sie zu einfach auf. Auch ist nicht immer alles glaubwürdig erzählt, etwa Stevies Wunsch zu sterben, was sie auch auf "leichtere", schnellere Art hätte tun können. Der Versuch, den Mädchen die Angst vor Lebensmitteln zu nehmen, indem man sie mit Kalorien vollstopft, anstatt über gesunde Ernährung aufzuklären. Der Schluss wirkt zudem zu abrupt, zu überladen und schlichtweg überrumpelnd. Realisierte hier die Autorin, dass plötzlich noch so vieles gesagt werden musste, so manche Begebenheit hätte aufgelöst werden sollen, weswegen sie dieses Ende so umsetzte, wie sie es tat?
Letztendlich bleiben zu viele Fragen und Ungereimtheiten beim Leser. Das schmälert natürlich den Gesamteindruck, den man von der Geschichte bekommt.

"Alles so leicht" wollte ehrlich und ergreifend sein. Es wollte von Essstörungen erzählen und dem harten Weg zur Gesundung. Doch es ist der Autorin nicht gelungen, genau das an den Leser weiterzugeben. Vielmehr präsentiert sie ihm ein durchschnittliches Jugenddrama über ein Mädchen, dessen Familie durch Schicksalsschläge zerrüttet ist,die für das Mädchen selbst schwere gesundheitliche Folgen haben. Mehr leider nicht.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    07/2015
  • Umfang:
    320 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    13 Jahre
  • ISBN 13:
    9783522202152
  • Preis (D):
    19,99 €

Bewertung

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