Es gibt Abenteuer, die sich abzeichnen, andere beginnen eher unerwartet. Vor allem in Romanen rund um jüngere Protagonistinnen weiß man nie genau, was letztendlich dazu führt, dass die Normalität durchbrochen und ein Abenteuer jenseits dessen gestartet wird, das man als gewöhnlich betrachtet. Albrecht Selge hat in seinem Roman „Luyánta – Das Jahr in der unselben Welt“ eine Zusammensetzung für eine Heldenreise gefunden, die durchaus etwas Besonderes darstellt.
Zu behaupten, dass Jolantha dem Wanderurlaub mit der Familie nicht viel abgewinnen kann, wäre eine maßlose Untertreibung. Eigentlich hasst sie alles daran. Das Wandern, das Wetter, die Gesellschaft ihrer Familie und nicht zuletzt die Unterkünfte, in denen sie immer haltmachen. Doch all das ändert sich schlagartig, als sie mitten in der Nacht von etwas geweckt wird und sie kurz entschlossen nur mit einem T-Shirt bekleidet losstapft. Als sie bald darauf auf die beiden sprechenden Murmeltiere Paminer und Struggles trifft, ist das aber nur der Auftakt ihres Abenteuers. Denn sie stellt fest, dass sie in der unselben Welt, die nah und doch fern der selbigen liegt, jemand anderer ist: Prinzessin Luyánta – gleichermaßen Mensch wie Murmeltier – und dazu ausersehen ihr Volk vor dem Adlerprinzen und seinem Gefolge zu retten. Doch im Hintergrund ziehen andere Kräfte die Strippen, die viel älter und bösartiger sind, als man denkt. Und diese schrecken auch nicht davor zurück, heimtückische Mittel gegen die Prinzessin einzusetzen.
Man wird im vorliegenden Roman in mehrerlei Hinsicht überrascht. Denn auch wenn es zu Beginn so wirkt, ist es keine reine Auseinandersetzung „Gut gegen Böse“. Warum? Im Laufe der Handlung stellt Protagonistin Luyánta/Jolantha fest, wie die verfeindeten Reiche in der Vergangenheit agiert haben und wer tatsächlich welche Verbrechen begangen hat. Etwas, was der Handlung definitiv mehr Tiefe verleiht. Darüber hinaus spielt der in Heidelberg geborene und zwischenzeitlich in Berlin und Wien ansässige Autor gerne mit der Sprache, Dialekten und Ausdrücken. Da gibt es drei Murmeltiere, die alles mit „Alter“, „Bruder“ und „Digger“ kommentieren – wobei letztes bei Murmeltieren sogar irgendwie Sinn ergibt. Aber darüber hinaus existiert ein Schurke, dessen Dialekt eine wilde Mischung aus bayrischen, wienerischen und weiteren nicht ganz identifizierbaren enthält. Spannend, so etwas direkt in die Handlung einzukippen. Diese selbst ist nicht übertrieben komplex, führt aber gleichzeitig eine Alternativwelt ein, deren Funktion und Parallelität mit der „echten“ nie wirklich eindeutig geklärt wird. Daher bekommt die Welt ein bisschen zusätzlichen mysteriösen Beigeschmack, was ihr insgesamt nicht schlecht tut.
„Luyánta – Das Jahr in der unselben Welt“ ist ein phantastischer Roman von Albrecht Selge, der ein junges Mädchen in eine andere Welt entführt, nahe der unsrigen aber dennoch weit entfernt. Neben sprechenden Murmeltieren und gefährlichen Adlerprinzen gibt es noch ein weit größeres Übel zu überwinden. Das Werk für Leser*innen ab 14 wartet mit sprachlichen Überraschungen auf, ist aber unterhaltsam und spannend. Wer phantastischen Ingredienzien in einem Roman nicht abgeneigt ist, wird auch mit diesem Werk seine Freude haben.
Details
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Erschienen:03/2022
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Umfang:784 Seiten
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Typ:Hardcover
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Altersempfehlung:14 Jahre
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ISBN 13:9783737101349
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Preis (D):25,00 €