Der Fotograf von Auschwitz

von Reiner Engelmann
Rezension von Janett Cernohuby | 15. Januar 2015

Der Fotograf von Auschwitz

Warum?
Eine einfach klingende Frage. Eine banal scheinende Frage, die manchmal dennoch schwer zu beantworten ist. Schier unmöglich zu beantworten ist sie, wenn man nach dem Warum der Konzentrationslager während der NS-Zeit fragt. Reiner Engelmann wird sie in seinem Jugendbuch auch nicht beantworten können. Aber er kann von Wilhelm Brasse und dem Grauen erzählen, das "Der Fotograf von Auschwitz" in den Jahren seiner Gefangenschaft erlebt hat.

Wilhelm Brasse ist 22 Jahre, als er in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert wird. Geboren und aufgewachsen in Polen, kann er österreichische Wurzeln vorweisen. Dennoch ist er Pole und will dies auch nach der Besatzung durch die Deutschen bleiben. Mehr als einmal lehnt er die deutsche Staatsangehörigkeit ab. Zu sehr fühlt er sich mit seiner Heimat Polen verbunden. Eine Flucht nach Frankreich, um sich dort dem Widerstand anzuschließen, missglückt. Stattdessen landet er erst in verschiedenen Haftanstalten und schließlich in Auschwitz. Das Grauen, das sich ihm hier eröffnet, ist schier unbegreiflich. Wilhelm Brasse muss körperliche Schwerstarbeit leisten. Doch es gelingt ihm, in den Erkennungsdienst zu wechseln und dort als Fotograf tätig zu werden. Die Arbeit wird körperlich zwar leichter, ist seelisch jedoch nicht minder schwer. Er muss Inhaftierte fotografieren - im Profil, als Portrait mit und ohne Mütze. Nicht lange darauf landen sie in den Gaskammern oder werden anderweitig umgebracht. Ebenso muss Wilhelm Brasse die Opfer der KZ-Ärzte fotografieren. Mengele, Wirths, Clauberg und Kremer; sie alle bringen ihre Opfer zu Brasse, um sie dort für ihre Alben und Fotodokumentationen ablichten zu lassen.
Doch nicht nur Opfer soll er fotografieren, auch SS-Offiziere kommen, um sich von Wilhelm Brasse ablichten zu lassen. Eine Arbeit, die ihm nicht minder schwerfällt. Mörder und Peiniger sitzen nun lächelnd vor ihm, so, als wäre nichts geschehen.
Doch Wilhelm Brasse weiß: Verweigert er die Arbeit, hat das seinen sofortigen Tod zur Folge.

Man glaubt immer, eigentlich schon viel über die NS-Zeit und insbesondere die Grauen in den Konzentrationslagern zu wissen. Man glaubt, man habe genügend Bücher gelesen und würde nichts Neues mehr in ihnen finden. Doch dem ist nicht so. Jede Geschichte, jedes Schicksal ist anders. Immer wieder neu. Und immer wieder grausam.
Was an der Geschichte von Wilhelm Brasse anders ist? Nun, er arbeitet als Fotograf, genießt also einige Vergünstigungen. Er kann nun in einem Stockbett schlafen, es gibt Toiletten mit Wasserspülung und einen Waschraum mit Wasserleitung. Aber dennoch ist er nach wie vor ein Gefangener und der stetigen Willkür der SS-Leute ausgesetzt.
Jederzeit hätte er grundlos abberufen und erschossen werden können. Jederzeit hätte sein Posten gestrichen werden können und er wäre wieder - wo wäre er gelandet? In seinem vorherigen Gefängnisblock? In der Gaskammer? Auch Gewalt, Brutalität und Folterungen waren nach wie vor allgegenwärtig, wenngleich sie ihm nun gegenübersaßen und er sie fortan fotografieren sollte.
Reiner Engelmann schreibt in kurzen Kapiteln von einer Zeit, die scheinbar nie zu Ende zu gehen scheint. Das Buch ist erschütternd, aufwühlend, verstörend. Ihm sind auch einige Bilder von Wilhelm Brasse beigefügt. Bilder von jenen Inhaftierten, die er fotografieren musste. Man sieht die Angst und den Schrecken in ihren Augen. Fast schon sagen diese Fotos mehr aus, als der Text um sie herum.

So wird das Buch "Der Fotograf von Auschwitz" zu einem Zeugnis für ein unfassbares Verbrechen. Reiner Engelmann, der Wilhelm Brasse noch zu Lebzeiten kennenlernen durfte, hat mit ihm ein Dokument gegen das Vergessen geschaffen, das nicht nur Jugendliche lesen sollten.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    01/2015
  • Umfang:
    192 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    13 Jahre
  • ISBN 13:
    9783570159194
  • Preis (D):
    14,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
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  • Humor:
    Keine Bewertung
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