Was bedeutet es, Mädchen zu sein?
Das vorgegebene Rollenbild beantwortet diese Frage sehr gut: Ein Mädchen muss gepflegt sein, sich schminken, enthaaren, modisch kleiden, leise und mit hoher Stimme sprechen. Doch wollen Mädchen das wirklich? Wollen sie sich wirklich in dieses klischeehafte Schema einordnen lassen? Oder wollen Mädchen nicht viel lieber ihr eigenes Ding durchziehen? Sie selbst sein, selbst entscheiden, wie und wo sie sich sehen? Einmal nicht den Rollenerwartungen entsprechen, sondern ihre Träume verwirklichen? Julia Korbik geht dem nach, hinterfragt althergebrachte Rollenbilder, stellt Persönlichkeiten vor, die aus diesen ausgebrochen sind und zeigt, was es wirklich bedeutet, ein Mädchen zu sein.
Wichtige Botschaft - nicht nur für Mädchen
Es ist kein einfaches Thema, dem sich Julia Korbik in ihrem Buch für junge Leserinnen widmet. Es ist ein großes Thema, das tagesaktuell und vor allem wichtig ist. Um es für Leser zugänglich zu machen, teilt die Autorin ihr Buch in fünf große Kapitel auf. Zunächst fragt sie, was es heißt, ein Mädchen zu sein. In diesem sehr philosophischen Kapitel greift sie bewusst gesellschaftliche Rollenerwartungen und veraltete Klischees auf (die bei genauerem Hinschauen gar nicht so veraltet sind), zeigt widersprüchliche Erwartungen als Hindernis für die Gleichberechtigung, kommt aber - wie es schon den Philosophen vor 2000 Jahren erging - zu keinem wirklichen Schluss. Also wendet sie ihren Blick im 2. Teil dem Körper eines Mädchens zu. Sie zeigt die Vorstellungen eines Mädchenkörpers anhand von Film und Fernsehen, Werbung, Marketingplattformen (zu denen nicht nur ihrer Meinung nach definitiv Instagram zählt). Um hier auszubrechen, ist der Umgang mit anderen Mädchen, aber auch sich selbst wichtig. Es gilt Schwächen zu akzeptieren und sich selbst Gutes zu tun. Große und auch wichtige Themen sind dabei die Menstruationsblutung und alles, was damit einhergeht, Sex und Sexualität. Gleichzeitig müssen Mädchen aber auch ihr Verhalten ändern: Schluss ist mit dem Lästern und Anzicken untereinander. Mädchen sollen über ihr Verhalten untereinander nachdenken, ihre Gefühle und ihre Vorurteile hinterfragen.
Weiter geht es mit den hart erkämpften Rechten, darunter Wahlrecht und Frauenbewegungen. Dieser Rückblick ist nicht nur informativ, sondern auch ein sehr anspruchsvolles Kapitel, in dem die Autorin von den LeserInnen viel Wissen verlangt.
Wie definiert man Sexismus und Rassismus? Wie geht man damit im Alltag um und vor allem, wie erkennt man ihn? Der abschließende Teil behandelt Ungerechtigkeit und wie man diese beseitigen kann. Wie können Mädchen auf sich aufmerksam machen, ihre Stimme erheben und ihr Gewicht verleihen? Einfach nur etwas wollen, reicht nicht aus. Man muss lernen, seiner Stimme Nachdruck zu verleihen, wenn man etwas verändern will. Aber nicht nur in den Worten muss diese Veränderung stecken, auch im Verhalten und in der Lebensweise.
Ein Mädchen sein - nicht einfach
„How to be a girl“ ist ein anderer Mädchenratgeber, der Frauenbilder infrage stellt und uns anregt, über die Rolle der Frau nachzudenken. Immer wieder werden die Sachtexte von eingeschobenen Biographien großer Frauen unterbrochen. Auch zahlreiche Listen und Infoboxen lockern das Erscheinungsbild auf, geben Tipps und Anregungen, bewegen die LeserInnen zum Nachdenken.
Als Mädchen hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man fügt sich in die vorgefertigten Rollenbilder und bedient jedes Klischee, oder - besser - man bricht aus dieser Rolle aus, zeigt, dass man jemand ist und dass man etwas kann. Zugegeben, dieser Weg ist nicht leicht, sondern steinig und hart, weil viele nicht wissen, was sie eigentlich wollen. Doch es lohnt sich, ihn zu gehen. Julia Korbiks Buch ist ein wertvoller Beitrag auf den Weg dorthin und währenddessen. Es ist kein Buch, das Klischees über Mode, Styling, Mädchensein bedient. Nein, es ist ein Buch, das Mädchensein auf eine völlig andere Stufe setzt. Ein Mädchen ist kein hübsches Schmuckstück, ein Mädchen ist eine starke Person mit ganz klarer Vorstellung außerhalb unserer veralteten Rollenbilder. Eine Person, die nicht nach ihrem Geschlecht definiert werden sollte, die eigene Ideen hat und diese umsetzen will. So, wie sie es für richtig hält - mit und ohne Fehler.
Insofern hat das Buch unsere Erwartungen völlig übertroffen. Es hat eine ganz andere Ausrichtung, als von uns zunächst angenommen. Im positiven Sinn. Es werden andere Aspekte angesprochen, über die es sich lohnt, einmal näher nachzudenken. Gerade deswegen ist es allerdings kein Buch, das man zur Unterhaltung liest. Das man sich mit in Bus und Zug nimmt, um die Zeit zu überbrücken. Nein, dieses Buch muss man auf sich wirken lassen. Immer wieder wird man es aus der Hand legen, über das geschriebene nachdenken und Parallelen zu seinem Leben suchen.
Wo sieht man sich selbst als Mädchen? Was möchte man sein, was darstellen, welchen Weg gehen? Liest man Julia Korbiks Mädchenratgeber, fühlt man sich bestärkt, sein Ding durchzuziehen. Seinen eigenen Weg festzulegen und zu beschreiten. Wenngleich einige Passagen sehr anspruchsvoll zu lesen sind, Konzentration und Aufmerksamkeit erfordern, ist es trotz allem ein Buch, dass man jedem heranwachsenden Mädchen, jeder jungen Frau und auch männlichen Lesern sehr ans Herz legen kann. Denn hier geht es nicht um Make-up, Styling und Ruf, hier geht es um Selbstvertrauen, um Selbstfindung und um Selbstdefinition.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:09/2018
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Umfang:160 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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Altersempfehlung:14 Jahre
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ISBN 13:9783522305099
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Preis (D):9,99 €