Es gibt viele Kreaturen der Phantastik. Viele Gute, etliche neutrale und natürlich auch böse. Während man Elfen und Feen dem Licht und dem Guten zuordnet, Zwerge eher neutral betrachtet, gibt es einen Sammelbegriff für alles was schlecht ist und Menschen frisst: Oger. Das führen Cécile Roumiguière und Étienne Friess in ihrem gleichnamigen Werk im Rahmen der Reihe „Enzyklopädie des Wunderbaren“ näher aus.
Der rote Faden
Hunger ist ein nagendes, störendes Gefühl. Es bleibt, auch wenn man sich an einem sicheren Ort befindet, wenn es an diesem nichts zu essen gibt. Siam, gut versteckt in ihrem Baumhaus, kennt das Gefühl des Hungers. Es ist allerdings nicht der gleiche Hunger, den jene Wesen verspüren, die nichts lieber tun als Menschen samt und sonders zu verspeisen, ohne Rücksicht auf andere rund um sie herum. Und auch wenn es viele mythologische Kreaturen gibt, sind nicht alle Wesen, die Menschen fressen, wirklich Monster.
Über Wortursprünge und bekannte Menschenfresser
Warum Oger? Weil das Wort vom lateinischen „Orcus“ abgeleitet ist, das für die lateinische und etruskische Unterwelt stand. Also all das, wo das Böse herkommt. Und da es hauptsächlich darum geht, dass Kinder oder erwachsene Menschen verspeist werden, sucht man zuerst nach mythologischen Vorbildern. Da wird man schnell fündig. Götter, die ihre Kinder verspeisen, japanische Sagengestalten oder Hexen im Wald, die Kinder mästen wollen, bevor sie sie verspeisen. Das ist aber nur der Anfang, sich mit jenen Ogern auseinanderzusetzen.
Allesfresser und Spezialisten
Im Süden von Afrika gibt es das Kammapa, welches die ganze Welt verschlucken möchte, isländische Trolle fressen gerne Kinder, verwandeln sich aber im Sonnenlicht in Stein. Und ja, da gibt es immer noch Baba Jaga und sogar diesen einen Arzt, der sich an Menschenfleisch vergangen hat und dann sein Spiel mit der Polizei trieb. In Roman und Film zumindest. Auch Kaiser und Heerführer Napoleon hatte den Beinamen „Oger“, während die Weihnachtskatze äußerlich nicht wie ein klassischer Oger aussieht, aber auch sie frisst Kinder.
Zusammenstellung, Inhalte und Philosophisches
Im Buch werden auch Wesen als Oger tituliert, die man eigentlich in ganz andere Kategorien eingeordnet hätte. Das hat einen Grund, auf den noch eingegangen werden soll. Aber vorher sollte man die Inhalte näher betrachten. Hier hat man nicht überall ganz die Wahrheit gesagt, oder sie ziemlich vereinfacht. Ymir ist nicht Odins Vater (der hieß Burr oder Bor) und wenn man von Demogorgons, D&D und Stranger Things schreibt, sollte man ein bisschen mehr recherchieren. Hintergrund für die Vereinfachungen ist, dass man die Brücke zur Hintergrundgeschichte schlagen möchte. Denn man muss nicht zwangsläufig Kannibale sein, um die Leben von Menschen zu fressen. Das ist auch möglich, wenn ein Vater gewalttätig ist und Kinder in Angst vor ihm leben müssen.
Optisch ist das Werk ein Augenschmaus. Unterschiedlich gezeichnete Bilder, die von Bleistiftskizzen, kurze Teilbereiche einer Seite und ganzseitige Bilder alles zu bieten haben. Der Text und die einzelnen Sequenzen werden so hervorragend dargestellt und man erfährt viel Wissenswertes über Wesen, die auf die eine oder andere Weise Menschen und ihre Leben verspeisen. Auch wenn nicht jede Information zu hundert Prozent akkurat oder passend ist und wenn Vampire vermutlich lautstark Protest dagegen einlegen würden, als Oger bezeichnet zu werden. Der Gesamteindruck ist jedoch toll und „Oger“ ist ein weiterer Teil einer Reihe, die man sich komplett zu Gemüte führen sollte.
„Oger“ ist der mittlerweile fünfte Band der Reihe „Enzyklopädie des Wunderbaren“, für den sich diesmal Cécile Roumiguière und Étienne Friess verantwortlich sind. Auch wenn die Betrachtungsweise der Thematik zu Beginn etwas schwierig ist (Alles Oger!), werden die Inhalte hervorragend durch verschiedenste gelungene Illustrationen ergänzt. Und zusammen ergeben sie eine empfehlenswerte Mischung.
Details
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Originaltitel:L’Encyclopédie du Merveilleux - Les Ogres et Ogresses
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Übersetzer*in:Edmund Jacoby
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Erschienen:02/2025
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Umfang:64 Seiten
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Typ:Hardcover
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Altersempfehlung:10 Jahre
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ISBN 13:9783964282538
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Preis (D):32,00 €