Manchmal sind wir in unseren Mustern festgefahren, unser Blick ist starr auf das gerichtet, was wir immer schon vor uns hatten. Etwas anderes zu tun, kommt uns da gar nicht in den Sinn. Bis etwas kleines, unscheinbares unsere Aufmerksamkeit erregt. Ein Gegenstand, ein Wort oder ein Satz. Schon sind unsere Gedanken auf etwas Neues gerichtet, was uns dazu bringt, neue Erfahrungen zu machen. Bei Irene Verdú und Verónica Aranda ist das ein kleiner aber feiner Brief.
Ein Windstoß, der alles verändert
Diesen Brief hat ein Briefträger verloren. Bei Regen und Sturm radelte er durch die Straßen und bemerkte in seiner Eile gar nicht, wie ein Brief aus seiner Tasche fiel und in einer Pfütze landete. Das Wasser löschte die Schrift vom Umschlag und so konnte man nicht mehr lesen, woher der Brief kam und für wen er bestimmt war. Doch der Wind lässt sich davon nicht aufhalten. Er wirbelt den Brief auf, öffnet seinen Umschlag und liest, was darin steht. Es ist eine schöne, wertvolle Botschaft, die keineswegs verloren gehen darf. Darum beschließt der Wind, selbst zum Postboten zu werden und den Empfänger zu suchen. Vielleicht ist es ja der ordnungsliebende Herr Katz, der gerade die Gemütlichkeit seines Sessels genießt. Mit leicht mürrischem Blick nimmt der den Brief zur Hand, liest seine Worte - und etwas Wunderbares passiert. Das Geschriebene, so schlicht wie auch unendlich kraftvoll, berührt sein Innerstes. Eine Veränderung geht in Herrn Katz‘ vor, der nun wissen will, woher der Brief kommt.
Dafür verlässt er sogar sein Zuhause, geht hinaus und begegnet auf der Straße schon bald den unterschiedlichsten Personen.
Frau Gans, der er den schweren Korb nach Hause trägt.
Frau Henne, deren Küken auf einen Baum geflattert ist und nun nicht mehr herunterkommt.
Herrn Hund, dessen Motorrad Startschwierigkeiten hat.
Ihnen allen hilft er und sie alle bedanken sich über einen kleinen Umweg bei ihm. Den Brief aber hat keiner der drei geschrieben. Und während sie zusammensitzen und lachen, weht ein Luftzug durch das Haus, greift nach dem Brief und macht sich erneut auf die Suche nach dem richtigen Empfänger…

Poetisches Bilderbuch
„Der Brief“ ist ein wunderbar poetisches Bilderbuch, mit vielen Metaphern. Es erzählt von der Kraft der Worte, die unser Herz berühren, die uns bewegen und dazu bringen, Ungewohntes zu tun. Herr Katz ist ein gutes Beispiel dafür. Hätte der lebehafte Wind nicht mit seinem unsichtbaren Arm den Brief zu ihm getragen, wäre Herr Katz vermutlich immer noch der verknöcherte steife Herr, der mit ernstem Gesichtsausdruck in seinem Ohrensessel sitzt. Stattdessen erreichen ihn warmherzige Worte, die ihn neugierig machen und dazu bringen, hinauszugehen. Sie haben sein Herz sogar so sehr berührt, dass er auf andere zugeht, ihre Not erkennt und hilft. Obwohl sie im ersten Moment nicht einmal Dank für ihn übrighaben, diesen bekommt er zu einem späteren Zeitpunkt. Ein dramaturgischer Griff, der aber auch zeigt, dass sogar nicht ausgesprochene Worte uns berühren - in diesem Fall traurig machen. Aber was nicht sofort gesagt wird, kann man zu einem späteren Zeitpunkt nachholen, so wie es die neuen Freunde tun. Denn zu Freunden sind die vier geworden - und alles nur dank eines lebhaften Windes und drei kleiner Worte mit großer Wirkung aufgewirbelt hat.
So poetisch wie die Geschichte präsentieren sich auch die Illustrationen. Verónica Aranda schuf farbenfrohe Bilder, die auf moderne Weise eine Bildwelt erzeugen, die zugleich klassisch und nostalgisch ist.

Poetisch leicht flattert ein Brief mit dem Wind, lässt sich nieder, wo seine stärkende Botschaft gerade gebraucht wird und bringt so Freunde zusammen, die sich sonst vielleicht niemals gefunden hätten. Mit ihrer poetischen Geschichte und den stimmungsvollen Illustrationen entführen Irene Verdú und Verónica Aranda ihre junge Leserschaft in eine besondere Bilderbuchwelt.
Details
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Originaltitel:Una carta
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Erschienen:09/2025
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Umfang:32 Seiten
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Typ:Hardcover
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Altersempfehlung:3 Jahre
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ISBN 13:9783038931195
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Preis (D):19,90 €

