Der Herbst 2014 bringt nicht nur zahlreiche neue Bücher auf den Markt, er ist auch eine Jahreszeit, in der sich der cbt Verlag neu aufstellt. Hat der Verlag mit seinem Programm bisher Leser ab 13 Jahren angesprochen, finden sich nun auch Werke für Kinder ab neun Jahren in seinem Sortiment. Eines dieser Bücher ist Peter Browns Bilderbuch "Herr Tiger wird wild", welches wir uns natürlich auch genauer ansehen wollten.
Herr Tiger lebt in der großen Stadt. In einer Stadt, in der alle sehr zufrieden mit dem sind, was sie haben und wie sie leben. Nur Herrn Tiger fehlt etwas. Etwas, das nicht zum langweiligen, staubigen Alltagstrott passt. Etwas, dass neu ist, ungewöhnlich, anders. Etwas, das Spaß macht und zum Lachen bringt. Und da hat Herr Tiger eine Idee: Er wird wild. Er bricht aus den gewohnten Mustern und Strukturen aus, wirft die Langeweile über Board und wird wild. Und wilder. Und immer wilder. Bis ihn die Tiere eines Tages aus der Stadt in die Wildnis schicken. Eine wunderbare Idee, wie Herr Tiger anfangs findet. Doch es dauert nicht lange, da bemerkt er, wie er sein altes Leben vermisst. Seine Freunde. Seine Nachbarn. So beschließt er, etwas weniger wild zu sein und zurück zu gehen. Doch in der Stadt wartet eine Überraschung auf ihn.
"Herr Tiger wird wild" ist ein etwas anderes Bilderbuch, das nicht nur vom Wildsein erzählt, sondern auch von Langeweile und einer immer gleich aussehenden Masse. Es erzählt davon, dass man manchmal aus dieser Masse ausbrechen, hervorstechen muss. Es ist die Geschichte von Identitätsfindung und dem Zusammenleben der Generationen. Herr Tiger steht dabei für die jungen Menschen, die sich zwar in der Gesellschaft und inmitten ihrer Regeln eingliedern, denen trotzdem etwas fehlt. Ein Ort oder Zustand, in dem sie sein dürfen wie sie wollen. Oder auch jemand, der einmal nach ihren Wünschen und Interessen fragt. Dennoch erkennt Herr Tiger, dass er sich ganz ohne die gewohnten Verhaltensmuster und Lebensweisen auch nicht gänzlich wohlfühlt, sondern dass ihm etwas fehlt. Nachdem er dies erkannt hat, weiß er nun, wer er ist und was er möchte. Nun weiß er, wie er sich in die gewohnten Lebensmuster eingliedern kann und trotzdem glücklich sein kann. Als er jedoch in die Stadt zurückkehrt, muss er erkennen, dass sein wildes Verhalten auch hier zum Nachdenken und Umdenken angeregt hat. Wild sein, das in diesem Buch dafür steht, auch einmal neben der Norm zu leben, kann also nicht nur zur eigenen Identitätsfindung dienen, sondern auch zum Umdenken größerer Gruppen anregen. Man muss den Dingen nur etwas Zeit geben. Und ist es nicht auch im realen Leben so, dass neue Ansichten und Lebensweisen Zeit brauchen, um sich durchzusetzen?
Um dieses Thema zu unterstreichen, präsentiert sich das gesamte Buch etwas anders, insbesondere in seiner optischen Erscheinungsform. Die Illustrationen sind nicht mit den klassischen, gewohnten Bilderbuchzeichnungen vergleichbar. Sie heben sich sowohl in der Art der Zeichnung der Handlungsfiguren (die hier durch Tiere dargestellt sind) ab, sondern auch in der Szenendarstellung selbst. Hier werden Orten Aussagestärke und Tiefe verliehen, ohne dabei auf allzu viele Details zur Ausschmückung zurückzugreifen. Grau und trostlos wird das Leben in der Stadt gezeichnet, wild und ungezähmt die Landszenen. Besonders beeindruckend finden wir noch immer die Doppelseite, auf der Herr Tiger auf allen Vieren und ohne den einengenden Frack posiert. Stolz und majestätisch, glücklich und frei lächelt er seinen Lesern entgegen.
"Herr Tiger wird wild" ist ein etwas anderes Bilderbuch, welches davon erzählt, einmal aus dem gewohnten Alltagstrott auszubrechen und mal etwas ganz Neues - Wildes - zu probieren. Etwas Wildes, dass einem hilft zu erkennen, wer man ist und wo man hingehört. Es ist eine bemerkenswerte Geschichte und ein ungewöhnliches Bilderbuch. Es ist ein Bilderbuch, das aus den konventionellen Bahnen ausbricht und mal ganz anders ist.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:07/2014
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Umfang:48 Seiten
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Typ:Hardcover
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Altersempfehlung:6 Jahre
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ISBN 13:9783570159088
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Preis (D):13,99 €