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Unsere Gesellschaft hat in Bezug auf Kinder, Erziehung, Betreuung und Förderung stark umgedacht. Gerade wenn es um die soziale Entwicklung geht, wird hier viel mehr auf so genannte Defizite geachtet und frühzeitig entgegengesteuert. Dabei muss das eigene Kind nicht immer betroffen sein. Manchmal ist es auch ratsam, ihren Blick auf gewisse Dinge zu schärfen - etwa auf stille, unscheinbare Kinder. "Ole unsichtbar" ist ein Kinderbuch, welches dieses wichtige Thema aufgreift und für Kinder zu Papier bringt.

Für seine Mitschüler ist Ole nicht nur ein stiller Mitschüler, er ist eigentlich unsichtbar. Stets ziehen andere Kinder die Aufmerksamkeit auf sich. Die der Lehrerin, die der anderen Kinder. Wenn die Mannschaften für das Völkerball-Spiel gewählt werden, bleibt Ole immer als Letzter übrig. Zu Geburtstagsfeiern wird er nie eingeladen und in der Mittagspause sitzt er stets alleine auf seinem Platz. Dabei hätte Ole sehr gerne einen Freund. Einen, mit dem er spielen und Spaß haben kann. Um den Schmerz über dieses Alleinsein zu verdrängen, malt er sehr gerne und oft abenteuerliche und schöne Bilder. Als eines Tages ein Neuer in die Klasse kommt, soll sich für Ole einiges ändern. Denn der Neue nimmt ihn durchaus wahr und ist angetan von Oles Zeichnungen. Als die Lehrerin Frau Weber eines Tages zu einer Gruppenarbeit aufruft, besteht der Neue darauf, mit Ole zusammen zu arbeiten. Er weiß, dass Ole durch sein Zeichentalent ihre Arbeit zu etwas ganz Besonderem machen kann. Und plötzlich ist Ole nicht mehr unsichtbar, sondern steht mittendrin im Geschehen und Klassenkollektiv. Und in der Mittagspause will plötzlich jeder neben ihm sitzen.

Einfühlsam und sensibel gehen die Autorinnen Trudy Ludwig und Patrice Barton an das Thema heran. Wie können stille und introvertierte Kinder mehr ins Geschehen eingreifen, eher in den Vordergrund rücken? Ganz einfach, indem sie ihre Stärken und ihr Können zeigen. Doch auch das ist gar nicht so einfach, da es besonders stillen Kindern schwer fällt, auf andere zuzugehen und Freundschaften zu schließen. Sie brauchen manchmal jemanden, der sie bei der Hand nimmt und ihnen ein wenig hilft. Ole bekommt in der Geschichte diese Hilfe und plötzlich ändert sich alles. Nun ist er nicht mehr unsichtbar und wird übersehen.
Warmherzig und mit Fingerspitzengefühl erzählt die Autorin Trudy Ludwig von den Ängsten, Zweifeln und Sorgen des kleinen Jungen. Dabei steht Ole stellvertretend für viele andere Kinder. Und stellvertretend für sie, findet Ole einen Freund, der ihn bei der Hand nimmt und ihn führt.
Auch außerhalb der Buchseiten können stille Kinder an der Hand genommen werden. Daher ist es gar nicht verkehrt, dieses Bilderbuch auch mit jenen zu lesen, die ein aktiver Teil ihrer Gruppe sind. Denn auch sie sehen den Außenseiter nicht gleich und es fehlt ihnen vielleicht an Feingefühl für die Situation. Mit "Ole unsichtbar" wird ihnen dieses auf jeden Fall vermittelt.
Doch nicht nur die Erzählung selbst transportiert das Thema stimmungsvoll, auch die Illustrationen tragen einen wichtigen Beitrag dazu bei. Denn Ole ist tatsächlich unscheinbar, ja regelrecht schwarz-weiß-grau gezeichnet. So fällt er selbst dem Leser auf den bunten Seiten fast gar nicht auf und passt zudem auch nicht ins Gesamtbild. Erst als er von dem neuen Mitschüler angesprochen wird, nimmt Oles Bild Farbe an. Doch sie verblasst kurz darauf, denn für die Gruppe ist er noch immer ein Niemand. Als er dann jedoch aktiv an einer Gruppenarbeit mitmacht, rückt er plötzlich in den Blickpunkt aller und bekommt zur Gänze einen Farbanstrich. Der bleibt, da sich Ole nun behauptet hat und gar nicht mehr unsichtbar ist.