Die Interessen zwischen Erwachsenen und Kindern können manchmal weit auseinanderklappen. Während wir Großen uns beispielsweise nach einem stillen Ort sehen, an dem wir Ideen finden und neue Kraft tanken können, kann diese Stille für Kinder furchtbar langweilig sein. Zumindest sind sie der Meinung, dass dem so ist. Denn oftmals erleben Kinder in der Ruhe und Abgeschiedenheit die aufregendsten Abenteuer. Ungefähr so, wie es Beatrice Alemagna in ihrem Bilderbuch „Ein großer Tag, an dem fast nichts passierte“ erzählt.
Trist, regnerisch und unerwartet spannend
Wieder zieht es Mutter und Kind in das gleiche Ferienhaus am gleichen Ort mit dem gleichen furchtbaren Regenwetter. Während die Mutter die Stille genießt, liegt das Kind antriebslos auf der Couch und spielt stumpfsinnig auf seiner tragbaren Spielkonsole. Eigentlich macht es ihm ja gar keinen Spaß, aber was soll es hier tun, in dieser Einöde? Wo es nichts gibt, außer Regenwetter und Wald. Zum Glück sieht das die Mutter anders und scheucht das Kind hinaus. Hinaus in den Regen und in den Wald. Eingehüllt in einem neon-orangenen Regenmantel, läuft es zunächst lustlos durch die Natur, springt über Steine. Dabei passiert es: Sein heiß geliebtes elektronisches Spiel fällt ins Wasser und ist verschwunden. Was nun? Aus dem anfänglichen Frust, aus der Traurigkeit und der Antriebslosigkeit entwickelt sich schon bald ein fröhliches Spiel. Ein Springen über Steine und Wurzeln, ein Herumtollen und Toben. Nass bis auf die Knochen aber glücklich kommt das Kind wieder nach Hause zurück, wo schon die Mutter mit einer dampfenden Tasse Kakao wartet.
Über die Kraft der Natur und der eigenen Fantasie
Kinder können von den großartigsten Dingen umgeben sein, ohne sie wahrzunehmen. Sie können antriebslos und völlig gelangweilt auf der Couch liegen, über Langeweile jammern, wo doch das aufregendste Abenteuer in gerade diesem Moment vor der Tür auf sie wartet.
Doch das ist gut.
Langeweile ist sogar sehr gut. Denn sie treibt Kinder an. Sie bringt sie auf die unglaublichsten Ideen, weckt die Fantasie, fördert die Kreativität. Natürlich nur, solange die Kinder auch den Kopf dafür freihaben. Stehen ihnen elektronische Spielgeräte zur Verfügung, lassen sie sich gerne von denen ablenken - selbst wenn diese eigentlich furchtbar langweilig sind.
Genau diese Szene zeichnet Beatrice Alemagna zu Beginn des Bilderbuchs. Sie stellt uns ein Kind vor - Junge oder Mädchen, es geht weder aus der Geschichte noch aus den Bildern hervor und ist letztendlich auch egal - das sich fürchterlich langweilt. Das genervt ist von der Eintönigkeit und den immer gleichen Abläufen. Zum Ändern der Situation fehlt ihm noch die Motivation, der Antrieb. Der kommt von der Mutter und spätestens als das heiß geliebte elektronische Spiel im See landet, beginnt das Kind seine Fantasie zu nutzen und zu erkennen, wie großartig und aufregend die Natur um sich herum ist. Welche Klänge und Gerüche in der Luft liegen, welche Tiere über den Boden krabbeln und welche Abenteuer man hier draußen zwischen Bäumen und Wiese erleben kann. Zum Glück ist das Spiel in den See gefallen, andernfalls hätte das Kind diese Pracht wohl nie entdeckt.
Beatrice Alemagna zeichnet mit erdigen Farben eine wunderbare Naturszenerie. Diese haben einen herbstlichen Charme, transportieren aber vor allem das nasskalte Regenwetter einzigartig. Zwischendrin blitzt der neon-orangene Regenmantel auf, der ein Lichtpunkt ist, der für Freude und Spaß steht, genauso wie es das Kind selbst gerade erlebt. Dieser fröhliche Farbtupfer lässt uns den Regen vergessen und an dem Spaß des Kindes teilhaben.
„Ein großer Tag, an dem fast nichts passierte“ ist ein großartiges Bilderbuch mit einer wundervollen Botschaft. Sie erinnert uns daran, wie wunderbar Langeweile sein kann, welche großartigen Abenteuer durch sie entstehen und welche Entdeckungen wir nur durch sie machen können.
Details
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Originaltitel:Un grand jour de rien
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:07/2018
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Umfang:46 Seiten
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Typ:Hardcover
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Altersempfehlung:5 Jahre
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ISBN 13:9783407823816
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Preis (D):14,95 €