Unsichtbare Wunden

von Astrid Frank
Rezension von Janett Cernohuby | 26. März 2016

Unsichtbare Wunden

Im Januar 2016 wurde das österreichische Strafgesetzbuch um einen weiteren Tatbestand ergänzt: Mobbing. Durch die sozialen Medien im Internet aber auch die mobilen Endgeräte ist es heute noch viel leichter geworden, jemanden rund um die Uhr zu schikanieren. Insbesondere Schüler sind sehr stark davon betroffen. Daher greifen viele Autoren von Jugendromanen dieses Thema auf und setzen es in ergreifende Geschichte um. Wie beispielsweise Astrid Franks Buch "Unsichtbare Wunden".

Manu verbringt sie jede freie Minute. Doch das ändert sich, als ein neues Mädchen in die Klasse kommt. Nina. Anfangs drängt sie sich zwischen Anna und Manu und beginnt systematisch ihre Freundschaft zu zerstören. Irgendwann verselbstständigen sich die Beleidigungen. Immer mehr Mitschüler werden in die Angelegenheit mit hineingezogen und so meiden  Anna. Oftmals auch aus Angst, selbst zum Opfer von Mobbingattacken zu werden. Anna leidet unter dieser Situation und gibt sich die Schuld daran. Sie beginnt sich zu hassen, fügt ihrem Körper mit Absicht Wunden und Schmerzen zu. Doch als auch noch ihr geliebtes Pferd bedroht wird, bekommt sie regelrecht Panik.

"Unsichtbare Wunden" ist ein tief bewegendes und ergreifendes Werk zum Thema Mobbing. Es erzählt die fiktive Geschichte einer Schülerin, wie sie sich aber genauso zugetragen haben könnte. Anna, das Mobbingopfer, ist zunächst ein beliebtes Mädchen. Sie hat eine gute Freundin und einen stabilen Stand in der Klasse. Sie kann es sich sogar erlauben, einen Mitschüler, der oft schikaniert wird, in Schutz zu nehmen. Doch das ändert sich schlagartig, als ein neues Mädchen in die Klasse kommt und nach und nach alle gegen Anna aufhetzt -angefangen bei deren bester Freundin. Unter den Mobbern gibt es aktive, also jene die Anna direkt schikanierten, und passive, die aus Angst wegschauen. Angst davor, selbst zum Opfer werden zu können.
Anna hat  von Anfang an keine Chance. Zunächst spielt sie die Sache herunter, sucht den Fehler bei sich. Deswegen spricht sie auch nicht mit ihrem Vater (die Mutter ist schon vor Jahren an Krebs verstorben) oder ihrer Klassenlehrerin. Diese ist ebenfalls neu in der Klasse und kann Anna aufgrund ihres Gesellschaftsstatus von Anfang an nicht sonderlich leiden. Dadurch gibt sie im weiteren Verlauf Anna die Schuld, ohne einmal über den Tellerrand zu blicken. Übrigens tut die Lehrerin das auch am Ende nicht, als die Katastrophe geschehen ist und das Mobbing ans Tageslicht gebracht wird. Sie wähnt sich keiner Schuld, sondern sieht sich nach wie vor im Recht. Wie viele Lehrer an den Schulen sind wohl genau wie sie? Wie viele glauben wohl noch immer, sie wären die Hüter der Schulweisheit?
Annas Vater erfährt erst von dem Mobbing gegen seine Tochter, als es zu spät ist. Anna hat es geschafft, ihre Probleme vor ihm geheim zu halten. Zwar hat sie einen Versuch unternommen, mit ihm zu sprechen, doch hat sie nicht die richtigen Worte gefunden. Denn zu diesem Zeitpunkt wähnte sie sich schon als die Schuldige und traute sich nicht, ihm ihre wirklichen Sorgen anzuvertrauen.
Der Roman erzählt nicht nur ein tragisches Ereignis, wie es sich leider heutzutage viel zu oft abspielt, er zeigt auch, wie wichtig es ist, dass Mobbing als Strafbestand endlich anerkannt wird. In vielen Ländern ist dies bereits geschehen, doch noch nicht in Deutschland. Das wird durch jene Szene nur allzu deutlich, als der Vater bei der Polizei Anzeige erstatten will, aber mit den Worten, er solle es auf sich beruhen lassen, weggeschickt wird.
Der Roman ist mit einfachen Worten geschrieben. Die Autorin fängt den Leser nicht durch reißerische Schilderungen und überzogene Darstellungen ein, sondern durch einen ganz natürlichen Erzählstil. Hinzu kommt, dass die Handlung aus zweierlei Sichtweisen und Zeitformen geschildert wird. Zum einen aus der Gegenwart, als der Vater verzweifelt versucht, für das Recht seiner Tochter  zu kämpfen. Zum anderen aus der Vergangenheit, in Form von Annas Tagebucheinträgen. Diese sind sehr emotional und lassen den Leser den Hass der Mitschüler, die Angst Annas und vor allem ihre Unsicherheit sehr deutlich spüren. Man fühlt mit dem Mädchen mit, leidet mit ihr und weiß wie sie nicht, wie man diesen Alptraum beenden könnte. Zudem wird das große Versagen seitens der Lehrer und der Schule deutlich. Hier steht ein Mobbingopfer auf weiter Flur alleine, ja wird regelrecht im Stich gelassen. So etwas darf einfach nicht vorkommen. Aufklärung und Sensibilisierung sind wichtig und dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag dazu.

Wenngleich "Unsichtbare Wunden" nur eine fiktive Geschichte ist, spiegelt sie deutlich wider, was sich an vielen Schulen zuträgt. Fesselnd, erschütternd und ergreifend erzählt Astrid Frank von einem jungen Mädchen, das plötzlich und ohne Grund einer Hetzkampagne zum Opfer fällt. Die Autorin beschreibt, wie aus dem hässlichen Verhalten zweier Mädchen ein gruppendynamischer Prozess wird, an dem sich immer mehr beteiligen und der am Ende dramatische Folgen hat. Ein absolut lesenswertes Buch, das Eltern, Lehrern und besonders Schulen sehr empfohlen werden kann.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    02/2016
  • Umfang:
    288 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783825179663
  • Preis (D):
    15,90 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Gefühl:

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