Tier aus Stein, Tier aus Gold


Einer musst zu Stein werden, der andere zu Gold, der Dritte aber wird sehend blind werden.
von Lili Thal
Rezension von Stefan Cernohuby | 23. September 2021

Tier aus Stein, Tier aus Gold

Menschen machen Fehler. In der Regel ist man in der Lage, durch selbige etwas zu lernen. In mythologischen Erzählungen gab es jedoch eine sichere Möglichkeit, sich sein Leben zu ruinieren. Man musste nur einen Gott oder eine Göttin beleidigen. Lilli Thal behandelt in ihrem Jugendroman „Tier aus Stein, Tier aus Gold“ ein derartiges Szenario, das zumindest mit einem bekannten Pantheon kokettiert.

Als das Haus der Göttin wird ein großer Tempel bezeichnet, zu dem Pilger von nah und fern reisen, um zu beten, zu opfern und auf die Gunst zu hoffen. Niemand weiß, dass es sich bei dem Tempel lediglich um einen Ort handelt, auf dem Menschen ihre Rituale praktizieren und das wahre Heiligtum der Göttin nur eine kurze Wegstrecke in einem verwilderten Wald liegt. Doch drei Jungen, gelangweilt von den theologischen Bestrebungen ihrer Familien, dringen in den Wald vor und finden den göttlichen Hain – nur um dort unwissentlich ein Sakrileg zu begehen.
Jahre später, kurz bevor er erwachsen ist, wird Kedros, Sohn des mächtigen Archonten, von Sklavenhändlern entführt und verkauft. Doch der Bäcker, der ihn erwirbt und an einen Stein schmieden lässt, ist kein Mensch. Er ist eine Manifestation des Fluchs, den die Göttin aus Wut ausstieß.
Auch Smirkos, den zweiten der Jungen, trifft es nicht besser. Er wird gar in eine Ziege verwandelt, golden bemalt und soll dann Kunststücke aufführen.
Lediglich Ion, den der schwächste der Flüche getroffen hat, kann seinem Schicksal anfangs entkommen. Unter anderem auch, weil ihm ein seltsamer Magier mit einem uralten Pferd zur Seite steht. Doch dadurch gewinnt er nur etwas Zeit. Was muss geschehen, damit die drei Flüche gebrochen werden?

Lilli Thal hat in ihrem Jugendroman viele Themen aufgegriffen. Sowohl die Konsequenzen von unbedachtem Verhalten als auch jene, von ebenso hitzigen Reaktionen. In weiterer Folge geht es um Mitleid, Leidensstärke und Charakter und in letzter Instanz auch ein wenig um Opferbereitschaft für andere. Es gibt viele traurige Momente, wenige Momente der Hoffnung, aber doch Charaktere, die in der Lage sind, ihre Stärken auszuspielen. Man erlebt göttliche Helfer, die gar nicht dem entsprechen, was man sich vorstellt und weiß bis zum Ende nicht genau, wie sich die Handlung auflösen lässt. Das ist etwas, das der Autorin hervorragend gelungen ist. Das Buch wird ab elf Jahren empfohlen, obwohl einige Aspekte vielleicht doch ein wenig düster dargestellt wurden. Wenn man also weiß, dass Kinder eher sensibel auf beklemmende oder angsteinflößende Situationen reagieren, sollte man hiermit eventuell etwas vorsichtiger sein. Alle anderen jungen Leserinnen und Leser werden aber begeistert sein und das Buch nach dem Lesen sicherlich zufrieden beiseite legen.

„Tier aus Stein, Tier aus Gold“ lautet der Haupttitel eines neuen Jugendromans von Lilli Thal. Doch damit ist die Aussage noch nicht ganz zu Ende. Denn der Titel ist Teil einer Prophezeiung. „Einer musst zu Stein werden, der andere zu Gold, der Dritte aber wird sehend blind werden.“ Und auch wenn alle diese Aspekte zutreffen und mitunter einschüchternd wirken, ist der nahe der griechischen Mythologie angesiedelte Roman doch sehr lesenswert, obwohl die eine oder andere Szene enthalten ist, die junge Leser vielleicht einen gruseligen Schauer über den Rücken jagt.

Details

Bewertung

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