Daniel Fehr im Interview auf der Frankfurter Buchmesse

Susie im Supermarkt

Beitrag von Janett Cernohuby | 24. Oktober 2024

Das familiäre Zusammenleben hat sich deutlich gewandelt. Nicht immer zum Guten, denn rund jede fünfte Familie mit Kind ist eine Ein-Eltern-Familie. Diese Familien sehen sich jeden Tag aufs Neue vor große Hürden gestellt. Eine davon ist die Frage nach der Kinderbetreuung, während man selbst arbeiten gehen muss. Vor allem dann, wenn die Arbeitszeiten auf einen Samstag fallen. Dieses Thema greift Daniel Fehr in seinem Bilderbuch „Susie im Supermarkt“ auf. Wir wollten wissen, was den Autor zu diesem Thema bewegt hat.


Bei BOHEM Press ist im Herbst ihr neues Bilderbuch „Susie im Supermarkt“ erschienen. Worum geht es darin?

Interview mit Daniel FehrIn dem Buch geht es um Susie, die ihre Mutter samstags in den Supermarkt begleiten muss, weil diese dort arbeitet. Der Hort ist zu und eine andere Kinderbetreuung hat die alleinstehende Mutter nicht. Deswegen nimmt sie Susie jeden Samstag mit zur Arbeit. Das mag die Chefin nicht besonders gern, aber sie akzeptiert es. Trotzdem findet sie, Susie sollte nicht hier sein. Und das nimmt sich das Mädchen dann vor: nicht hier zu sein. Sie bewegt sich im Supermarkt, was die eigentliche Geschichte im Buch ist. Susie zeigt uns ihre Erlebniswelt, ein Abenteuer an einem Ort, den sie gut kennt. Sie kennt die Leute, die hier einkaufen gehen, kennt die einzelnen Abteilungen. Sie stellt Veränderungen fest und beobachtet, was um sie herum passiert. Das ist für sie eine große Entdeckungsreise.

Sie beleuchten im Buch ein Thema, Alleinerziehend, das vielen bekannt ist. Wie kam es dazu?

Das Thema kam über Susie zu mir. Sie war in diesem Supermarkt und brauchte einen Rahmen dafür. Da hat es sich ergeben, dass ihre Mutter alleinerziehend ist. Ihre Lebenssituation ist aus der Geschichte heraus entstanden.

Hat Susi eine reale Vorlage?

Es gibt ganz viele alleinerziehende Eltern. Die meisten davon sind Mütter. Insofern hat Susie viele reale Vorlagen, ist aber keine Person aus meinem Umfeld.

Mit welchen Herausforderungen sehen sich alleinerziehende Eltern konfrontiert?

Ich glaube, das ist sehr unterschiedlich. Eine wichtige Rolle spielen die spezifischen sozialen und finanziellen Verhältnisse. Zum Beispiel, ob man sich eine externe Kinderbetreuung leisten kann oder ob Großeltern oder Bekannte unterstützen können.

Wie nehmen Kinder diese Situation wahr? Susi scheint ja recht locker damit umzugehen?

Ich weiß nicht, ob Susi locker damit umgeht. Im Buch erleben wir sie als ein munteres, neugieriges Mädchen, das selbstbewusst und empathisch durch die Supermarktwelt geht. Ich vermute, dass es für sie einfach ihre Lebenswelt ist. Da gehört ihre Familiensituation ebenso dazu wie ihre Samstage im Supermarkt. Wie Kinder mit ihre Lebenswelt umgehen, hängt von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab. Die Familienkonstellation ist im Leben nur ein Faktor unter vielen.

Im Buch wird der Supermarkt zu einem Spielplatz. Zu einem Ort der Geschichten und Begegnungen. Haben Sie als Kind den Supermarkt auch so wahrgenommen?

Mit meinen Eltern war ich immer samstags im Supermarkt einkaufen. Dieser war wie eine große Stadt für mich. Die Regale waren riesengroß. Ich war später noch einmal in diesem Supermarkt und habe gemerkt, dass sie gar nicht so groß waren. Aber als Kind nahm ich das so wahr. Da schienen die Regale so hoch wie Häuser zu sein. Die Gänge waren lang wie Straßen. In diesem Supermarkt gab es auch ein Rollband, das in den ersten Stock führte. Damit zu fahren, hat mich fasziniert. Für mich war der Supermarkt eine Erlebniswelt, in der ich aber nicht das tun durfte, was Susie darf. Es ist ja auch eine Welt, die für Kinder stark mit Geboten und Verboten belegt ist: “Fass das nicht an!“ “Das kaufen wir jetzt nicht!“ “Nicht rennen!“

Für das Buch haben Sie mit Illustratorin Claudia Burmeister zusammengearbeitet. Wie sah diese Zusammenarbeit aus?

Bei Bilderbüchern ist in der Regel der Text zuerst da. Dieser wird von einem Verlag eingekauft, in diesem Fall wollte ihn der BOHEM Verlag. Der Vorschlag für Claudia Burmeister kam von der Verlegerin und Lektorin Annabel Lammers. Über sie lief dann auch die weitere Zusammenarbeit mit der Illustratorin. Mir wurden immer wieder Bilder gezeigt und ich war begeistert, wie sich die Illustratorin die Welt des Supermarkts ausmalte. Claudia Burmeister hat das ganz wunderbar gemacht. Sie hat diesen sanften Ton gefunden, die Geschichte zu erzählen und sie in die Welt zu setzen. Die Illustrationen haben einerseits etwas Wimmeliges, sind aber keine reinen Wimmelbilder. Ich finde, Claudia Burmeister hat eine schöne Zwischenebene gefunden die Charaktere zu zeigen, von denen Susie spricht und diese als Teil der ganzen Supermarktwelt zu zeigen.

Wie viel Einfluss nehmen Sie als Autor auf die Bilder?

Claudia Burmeister hat eine Bildwelt geschaffen, besser als ich es mir vorstellen konnte. Ich hätte schon die Möglichkeit Feedback zu geben, aber wenn es gut läuft, habe ich gar kein Bedürfnis, einer anderen kreativen Person reinzureden. Bilderbücher sind eine Co-Kreation von mehreren Kreativen, die alle ihr Bestes geben, ein gutes Buch zu machen.

Haben Bilder Sie auch schon dazu gebracht, einen Text umzuschreiben?

Das gibt es immer wieder. Nicht, dass die ganze Geschichte neu geschrieben werden muss, aber das gewisse Teile weggelassen werden können, weil die Illustrationen etwas besser erzählen als der Text es kann.

Dieses Buch behandelt das Thema Ein-Eltern-Familie. Sie haben aber auch schon Bücher über Drachen (So kam das mit den Drachen), über Zauberwürfel, um kindliche Fantasie (Wir bauen einen Damm), Freundschaft, Geburtstage und viele andere Themen geschrieben. Was bringt Sie auf diese Themen? Wo finden Sie diese?

Wenn ich das selbst so genau wüsste, würde es mir leichter fallen, sie zu finden. Ich muss meine Ideen lange suchen und dann an ihnen arbeiten. Ideen fallen mir leider weder unter der Dusche noch anderswo einfach in den Schoß. Oft beginnt die Ideensuche am Schreibtisch. Wenn mal was da ist, kann ich der Idee auch unterwegs nachsteigen. Manchmal geht eine Geschichte auch von einem Satz oder einem Titel aus – ohne, dass dieser Satz am Ende im Buch stehen muss.

Fällt es Ihnen leicht, sich in die Gedankenwelt der Kinder hineinzuversetzen?

Ehrlich gesagt ist mir ‚Gedankenwelt von Kinder‘ zu allgemein formuliert. Kinder haben sehr unterschiedliche Gedankenwelten. Es fällt mir jedoch leicht, mich in meine eigene kindliche Gedankenwelt zurückzuversetzen, die nun von meinem Erwachsenenblick mitgeprägt wird. Dabei entsteht ein Text für Kinder.

Worin besteht die größte Herausforderung beim Schreiben von Bilderbüchern?

Das Bilderbuch ist eine strenge Form. Wir haben zwölf Doppelseiten, auf die eine Idee, ein Erzählbogen passen muss. Diesen Bogen zu kreieren und spannend auszuarbeiten, ist eine Herausforderung. Das Schreiben, das Spielen mit der Sprache und der Bildebene läuft dabei parallel. Denn nur wenn alles zusammen funktioniert, wird es rund.

Und an welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?

Ich rede selten über Dinge, die noch nicht da sind. Sie sind noch zu fragil. Wenn ich darüber rede, bringe ich sie in Gefahr. Sie fallen auseinander oder ich verliere das Interesse daran. Aber ich arbeite immer an neuen Projekten.

Welche Bücher wird man als nächstes von Ihnen lesen können?

Eben herausgekommen sind, neben „Susie im Supermarkt“, auch der „Der Zauberwürfel und ich“ (illustriert von Golden Cosmos, erschienen im NordSüd Verlag) und „Da war ich noch nie!“ (illustriert von Raffaela Schöbitz, erschienen im Jungbrunnen Verlag).

Vielen Dank, dass Sie sich hier auf der Messe Zeit für das Interview genommen haben. Wir wünschen viel Erfolg mit Susie, mit dem Zauberwürfel und sind neugierig, was wir in Zukunft noch alles von Ihnen lesen werden können.

WAS IST WAS: Polarstern. Forschen im EisSusie im Supermarkt

Daniel Fehr
gebunden, 32 Seiten
BOHEM Press, Juli 2024
ISBN: 978-3-95939-236-5

Samstags ist frei. Für mich.
Nicht für Mama. Sie muss heute arbeiten.
Ich begleite sie. Wie jeden Samstag.

Susies Mama arbeitet im Supermarkt, doch wo soll Susie bleiben, wenn sie am Samstag arbeiten muss? Susie kommt mit, aber Mamas Chefin möchte das nicht. „Wir sind kein Hort“, sagt die Chefin.

Wo aber soll Susie denn bleiben? Also ist sie NICHT da.
Susie versteckt sich.
Sie ist NICHT beim Gemüse, NICHT bei den Getränken und Susie ist auch NICHT beim Brot.

Frech und charmant erzählt Susie von dem, was sie im Supermarkt beobachtet: Den Stammkunden, dem Gedrängel an der Käsetheke und denen, die dafür sorgen, dass die Regale nicht nur Lücken haben.

Daniel Fehr im Interview auf der Frankfurter Buchmesse