Susanna Rieder Verlag im Gespräch
"Uns ist es wichtig, dass Kinder anspruchsvolle Bücher präsentiert bekommen."
Beitrag von Janett Cernohuby | 27. März 2018
Als Susanna Rieder im Jahr 2008 ihren Verlag gründete, wollte sie anspruchsvolle, fantastisch schöne, originelle, humorvolle, liebevolle und eben kindgerechte Bilder- und Jugendbücher herausgeben. Im Jahr 2018 feiert der Münchner Verlag sein 10. Jubiläum. Ein Anlass den wir dazu nahmen, mit der Verlagsleiterin und ihrem Bruder auf der Leipziger Messe zurückzublicken und über zehn Jahre Kinderbuchverlag zu sprechen.
Vor zehn Jahren haben Sie sich einen Traum erfüllt und einen Verlag gegründet. Nun feiern Sie ein rundes Jubiläum. Was ist das für ein Gefühl?
Susanna Rieder:
Viele Zeitungen sagen, 10 Jahre ist ein kleines Jubiläum. Für uns ist es trotzdem ein Meilenstein, weil wir noch da sind. Die Verlagslandschaft hat sich immer wieder sehr verändert. Daher sind wir sehr stolz, dass es uns noch gibt und wir sind gut gerüstet, auch weiterzumachen und den Weg weiterverfolgen zu können, den wir uns vorgenommen haben.
Wie fing damals alles an?
Susanna Rieder:
Schon nach dem Abitur wusste ich, dass ich mit Büchern und im Verlagswesen arbeiten möchte. Daher habe ich im bsv (Bayerischer Schulbuch-Verlag, mittlerweile Oldenbourg Verlag) eine Ausbildung gemacht. Die Arbeit dort hat mir sehr gut gefallen, trotzdem habe ich im Anschluss noch Literatur studiert. Bis zu meiner Kinderpause habe ich in verschiedenen anderen Verlagen gearbeitet, nach der Kinderpause habe ich mich dann getraut, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Es passte auch besser zur Familie. Zu Beginn habe ich alleine gearbeitet, nach zwei Jahren kam mein Bruder dazu und hat mitgeholfen. Seither sind wir zu zweit, was viel besser funktioniert.
Was waren die ersten Bücher, die Sie verlegt haben?
Susanna Rieder:
Wir haben uns gesagt, irgendwie muss man anfangen. Also sind wir nach Bologna auf die Kinderbuchmesse gefahren und haben uns inspirieren lassen. Ich habe französische und italienische Verlage besucht und dort nach Gefühl die ersten Lizenzen für kleine Bilderbücher gekauft.
Was waren Ihre Ziele, als sie den Verlag gründeten?
Susanna Rieder:
Meine Kinder waren damals 3 und 7 Jahre und mir persönlich haben die vorhandenen Kinderbücher nicht gefallen. Es gab schöne Kinderbücher, es gab aber auch viel Massenware, bei denen mir die Bilder und Texte nicht gefallen haben. Mir machte es keinen Spaß, diese vorzulesen. Ich dachte mir, es gibt sicherlich schönere, besondere Kinderbücher, gerade im Ausland. Der Ansatz war durchaus, dass man den deutschsprachigen Bilderbuchmarkt interessanter und internationaler gestaltet. Inzwischen gibt es viele Verlagsgründungen mit tollen Programmen, die die Verlagswelt auch sehr verändert haben.
Gab es auch Rückschläge?
Susanna Rieder:
Es gab Flops. Wir haben Titel gekauft, die nicht gingen. Das ist aber nicht unbedingt gleich ein Rückschlag, sondern man probiert aus und lernt daraus. Wir haben einmal ein Comic herausgegeben und es gleich wieder eingestellt. Es war zu divers. Darüber ärgert man sich ein halbes Jahr und dann macht man weiter. Schließlich muss man auch schauen, dass man ein Stil in einen Kleinverlag bringt.
Blicken wir einmal zurück, bei welchen Entscheidungen sind Sie froh, diese getroffen zu haben? Was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen?
Susanna Rieder:
Rein auf finanzieller Basis war der Kauf der Reihe "Mr. Men Little Miss" die wichtigste Entscheidung. Es war eine große Entscheidung und eine große Investition. Wir haben überlegt, gerechnet und uns dafür entschieden. Darüber bin ich sehr froh, denn ich denke ohne diese Reihe wären wir heute nicht mehr da. Insofern hat sich die Investition ausgezahlt.
Andere Titel waren nicht so teuer und nicht so groß. Und wenn man sich dann täuscht, hat das nicht so große Folgen.
Johannes Rieder:
"Sehr kleine Liebe" war beispielsweise ein Titel, der finanziell nicht gut ging, aber für uns trotzdem sehr wichtig war. Er geht in eine andere Richtung und hat wiederum andere Dinge bewirkt. Daher ist es schwer zu sagen, was man anders machen würde.
Was zeichnet Ihr Verlagsprogramm aus? Welche Kinderbuchthemen sind Ihnen wichtig?
Susanna Rieder:
Die Reihe "Mr. Men Little Miss" ist unwahrscheinlich lustig und schön und gibt uns die Möglichkeit, mit anspruchsvollen Titeln zu experimentieren. An die Grafik, die Gestaltung und natürlich an die Erzähltechnik haben wir hohe Ansprüche.
Es hat sich so ergeben, dass wir sehr viele Bilderbücher machen und dann aber auch wieder mal Jugendbücher.
Johannes Rieder
Wir gucken uns Bücher an, schauen ob sie uns gefallen und ansprechen und überlegen, ob es Sinn macht, sie herauszugeben. Da wir klein sind, können wir hier schnell und spontan reagieren. Unsere Themen sind sehr unterschiedlich und vielseitig. Es geht um die Art Darstellung, der künstlerischen Aufbereitung und wie eine Geschichte erzählt wird. Auch wollen wir uns nicht auf eine bestimmte Zielgruppe festlegen.
Susanne Rieder:
Richtig, wir wollen möglichst breit aufgestellt sein. Uns ist es wichtig, dass Kinder anspruchsvolle Bücher präsentiert bekommen. Aber wir wollen keine abgehobenen Kunstbücher, die vielleicht Eltern gefallen, aber nicht den Kindern. Kinder sollen Spaß an Büchern haben.
Johannes Rieder:
Anfangs konnten uns Buchhändler nicht einordnen. Sie wussten nicht genau, für welche Altersgruppe wir Bücher verlegen, zu welchen Themen. Inzwischen wissen sie uns einzuordnen.
Angenommen, ich möchte ein Buch in Ihrem Verlag veröffentlichen. Welche Kriterien muss es erfüllen?
Susanna Rieder:
Es ist immer ein Bauchgefühl.
Unsere Bücher sollen etwas Liebevolles ausstrahlen. Sie sollen humorvoll sein und schön aussehen. Sie dürfen nicht hart und kühl sein. Auch sollen die Bücher etwas Weisheit mitbringen. Sie sollen erzählen, was Kindheit ist, worauf es ankommt, was man erleben kann und soll, was man mitnehmen soll.
Das ist es eigentlich auch schon.
Worin unterscheiden sich deutschsprachige Kinderbücher von Büchern aus anderen Ländern? Im positiven wie auch im negativen Sinne?
Susanna Rieder:
Mir gefallen ganz oft Kinderbücher aus dem Ausland besser. Die Autoren trauen sich und den Kindern mehr zu, bleiben dabei aber trotzdem kindgerecht. Das ist auch uns wichtig. Besonders in unserer Anfangszeit gab es sehr starke Unterschiede, zwischenzeitlich hat sich das ein bisschen angeglichen. In Deutschland gibt es tolle Kinderbücher, die sind super, aber sie sind von vornherein anders aufgemacht.
Ihre Verkaufsschlager sind die Bilderbücher "Mr. Men Little Miss" des britischen Kinderbuchautors Roger Hargreaves. Welche Bedeutung haben diese für den Verlag? Wie haben die Bücher den Verlag geprägt?
Susanna Rieder:
Sie sind total lustig, sympathisch und werden unserem Anspruch einfach gerecht. Wir bringen jedes Jahr rund acht neue Titel heraus. Und noch immer lache ich mich schief, wenn ich die Bücher lektoriere. Sie sind einfach so lustig. Auch die neuen Bücher, die ja immer noch in England gemacht werden, bleiben qualitativ hochwertig.
Johannes Rieder:
Obendrein sind sie unsere Verkaufsschlager, mit denen wir unsere experimentellen Bücher finanzieren können.
Neben den "Mr. Men Little Miss"-Büchern, sind auch die Butz und Rosi-Bücher von Ruth Feile etwas Einzigartiges. Was macht diese Bücher so besonders?
Susanna Rieder:
Diese Bücher mag ich persönlich sehr gern. Sie ist auch unsere einzige Autorin, die in München lebt. Wir sind in München angesiedelt. Das ist schön, da wir so auch gemeinsam Lesungen veranstalten und auf Messen gehen können.
Ruth Feile kennen wir aus unserem Bekanntenkreis. Sie zeichnet die Bilder nicht, sondern näht sie mit Stoff, Bordüren und anderen Schmuckelementen. Das ist unglaublich fantasievoll und schön. Die Bücher haben eine sehr liebevolle Ausstrahlung. Daher sind uns diese Bücher auch sehr wichtig.
Wie viele Bücher erscheinen jährlich bei Ihnen?
Susanna Rieder:
Von "Mr. Men Little Miss" erscheinen acht bis zehn Bücher. Zusätzlich kommen zwei bis drei andere Bilderbücher, Lyrik- oder Jugendbücher heraus.
Mit welchen Kinderbüchern sind Sie selbst aufgewachsen?
Susanna Rieder:
Ich habe als Kind unglaublich gern die Klassiker gelesen. "Das Sams" - diese quirlige und freche Art hat mir immer gefallen. Dann natürlich die Bücher der Reihe dtv Pocket, die sich viel mit der Aufarbeitung des Dritten Reichs beschäftigten.
Johannes Rieder:
Ich habe auch die dtv Pocket gelesen. Als kleineres Kind habe ich Janosch geliebt. Wirklich wichtig waren „Die Brüder Löwenherz“ und „Hörbe und sein Freund Zwottel“.
Worauf dürfen sich die Leser in diesem Jahr noch freuen? Was hält das Jubiläumsprogramm des Verlags bereit?
Johannes Rieder:
Wahnsinnig schöne Bücher. Im Herbst kommen drei ganz besondere Bilderbücher heraus.
Das erste "Wer ist das? Günter Grass" haben wir letztes Jahr in Frankfurt entdeckt. Es ist ein polnisches Kinderbuch über den großen Autor. Hier haben uns die Illustrationen sofort begeistert.
Susanna Rieder:
Aber auch die Geschichte. Es führt ein in den Kosmos seiner Kindheit und eigentlich seiner ganzen Romanwelt. Was er damals erlebt hat, in Danzig, in Polen.
Johannes Rieder:
Dann haben wir zwei Bilderbücher aus Kanada. Die stammen von einer Autorin, die das Buch zusammen mit einer Stammesmutter der Cree gemacht hat. Die Autorin selbst kommt auch aus einem Indianerstamm, der aber unbekannter als die Cree ist. Das Buch erscheint dreisprachig: Cree, Lautschrift und Englisch, später bei uns auf Deutsch. Es lebt von seinen Bildern, hat kaum Text und erzählt von drei Generationen: Großmutter, Tochter, Enkeltochter.
Liebe Frau Rieder, lieber Herr Rieder. Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview hier auf der Leipziger Buchmesse. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg mit "Mr. Men Little Miss", "Butz und Rosi" und alle den anderen, besonderen Kinderbüchern, die bisher erschienen sind und zukünftig erscheinen werden. Ich freue mich schon darauf, in zehn Jahren wieder mit Ihnen zusammenzusitzen und ein weiteres Jubiläum zu begehen.