Scythe

Die Hüter des Todes

von Neal Shusterman
Rezension von Emilia Engel | 21. September 2017

Die Hüter des Todes

In einer Welt, in der jegliche Krankheit und Schmerz beseitigt sind, in der die Menschen die Sterblichkeit überwunden und den Tod besiegt haben, braucht es eine Maßnahme um der wachsenden Überbevölkerung Herr zu werden. Dies ist die Aufgabe der Scythe, die Hüter des Todes. Zum Wohle der Weltbevölkerung werden von ihnen Menschen ausgewählt, um ihrem “finalen” Tode gegenüberzutreten. Eine Arbeit, die weder für den Ausführenden leicht ist noch für die Opfer, die keine Chance haben, ihrem Schicksal zu entrinnen.

Die Geschichte spielt in einer Zukunft, die der unseren ein paar Jahrhunderte voraus ist. Die Menschheit hat alles erforscht, was es zu erforschen gab. Alle Krankheiten wurden besiegt. Sterben ist möglich, doch wird man sofort wiederbelebt und innerhalb weniger Tage vollständig wiederhergestellt. So wächst die Menschheit natürlich stetig weiter an.
Die Aufgabe eines Scythe ist es, diese wachsende Bevölkerung durch “Nachlesen” zu dezimieren.Sie werden allseits respektiert, aber auch gefürchtet. Für nichts müssen sie bezahlen, sie können alles haben was sie wollen. Die meisten sind dennoch bescheiden. Doch eine  Macht wie diese - über Leben und Tod zu entscheiden - birgt immer eine Verlockung. Nicht jeder hat die Geistesstärke, um dieser zu widerstehen. Eine Gruppe von Scythe, die der Gier erlegen sind und eindeutig zu viel Spaß an ihrer Arbeit haben, bedrohen das ganze Konstrukt dieser Organisation und bringen damit Gefahr in die Welt.

Citra und Rowan wurden von einem Scythe auserwählt, um dessen Lehrlinge zu sein. Der Bessere der beiden soll am Ender der Lehrzeit zum Scythe ernannt werden. Eine Aufgabe die gar nicht so leicht ist, wenn man einerseits ein so starkes moralisches Widerstreben gegen den Akt des Tötens hat, dass man gar nicht gewinnen will, aber andererseits auch sein Bestes geben will. Dazu kommen auch die Machenschaften hinter der Scythe-Gemeinschaft, denen sie sich entgegenstellen müssen. Letztendlich müssen die Jugendlichen Entscheidungen fällen, die über das eigene Leben und den Tod entscheiden.

Neal Shusterman hat mit “Scythe - Die Hüter des Todes” ein außerordentlich spannendes Werk geschaffen. Schon mit seiner “Vollendet”-Dystologie (eine Kombination aus Dystopie und Tetralogie) hat er bewiesen, dass seine Romane nicht nur spannend und durchdacht sind, sondern dass er es auch schafft Themen zu (er)finden, die einen moralisch und ethisch herausfordern.
In seinem neuesten Werk ist das große Thema der Tod und das Sterben. Beziehungsweise Unsterblichkeit und die Notwendigkeit des Todes einiger weniger Menschen zum Wohle der restlichen Menschheit.
Er beschreibt eine Welt, die eigentlich ein Utopia sein müsste. Es gibt weder Hunger, Krankheit, Armut oder Krieg. Vor dem Tod muss man sich nicht fürchten, denn man ist ja quasi unsterblich. Im großen Ganzen gesehen ist die Anzahl derer, die durch Scythe endgültig den Tod finden, relativ gering. Es wirft aber die Frage auf, wie anziehend Unsterblichkeit auf die Dauer wirklich ist. Welchen Sinn findet der Mensch in einem Leben, das kein Ende hat? Das Buch ist nicht hochphilosophisch, doch hat es philosophische Ansätze, über die man noch weit über das Lesen des Buches hinaus sinniert.
Weitaus mehr geht es aber um Empathie und Mitgefühl, Moral und Ethik. Das Handwerk der Scythe ist in jener Welt durchaus sinnvoll. Die Verantwortung über Leben und Tod ist jedoch nicht leicht zu tragen. Dieses Utopia ist eben doch nicht perfekt, denn auch hier gibt es schwarze Schafe, die ihr Handwerk eindeutig zu viel genießen.
Wie der französische Philosoph Voltaire so schön sagte (oder auch der Onkel von Spiderman): “Mit großer Macht geht große Verantwortung einher.” Wie man mit so einer Macht umgeht, hängt vom Charakter einer Person ab. Man kann oder sollte mit Demut und Respekt an diese Sache herangehen. Es war spannend zu sehen wie sich die Hauptcharakteren Citra und Rowan im Laufe des Buches diesbezüglich entwickeln. Und ob sich vielleicht etwas daran ändert, wenn dann plötzlich das eigene Überleben davon abhängt.

Mit “Scythe - Die Hüter des Todes” beginnt die neue Jugendbuchreihe von Neal Shusterman. Der Autor nimmt uns mit in eine beinahe perfekte Zukunft. Aber diese ist es eben nur beinahe. Denn solange es die Menschheit gibt, wird es nicht nur die lichte Seite mit Tugend und Ehrenhaftigkeit geben, sondern auch die dunkle Seite, die nach Zerstörung und Tod lechzt. Letztere ist nicht unbedingt die beste Voraussetzung um dem Handwerk des Todes nachzugehen. Eine wirklich fesselnde Geschichte, sowohl für Jugendlich als auch Erwachsene. Sehr empfehlenswert!

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