Marie Marne und das Tor zur Nacht

von Christoph Werner
Rezension von Janett Cernohuby | 22. April 2014

Marie Marne und das Tor zur Nacht

Schlafen ist schon irgendwie lästig, das wissen bereits Kinder. Wenn es am schönsten ist, übermannt einen plötzlich die Müdigkeit und man muss ins Bett. Wir Erwachsene wünschten manchmal, der Tag hätte mehr Stunden und im Zuge von zu viel Arbeit ist Schlaf etwas, dem man nur wenig Zeit einräumen mag. Ach, könnte man doch ein paar Stunden Wachsein kaufen! Kann man auch, zumindest die Menschen in Christoph Werners Roman "Marie Marne und das Tor zur Nacht".

All Day Industries - kurz ADI genannt - ist ein Unternehmen, das die wohl bahnbrechende Idee unserer Zeit hat. Seine Kunden können sich Wachsein kaufen und brauchen für einen bestimmten Zeitraum keinen Schlaf mehr. Wie das funktioniert? Nun, man erhält einen ADI-Traum, der die sogenannte Schlafenergie der Menschen absaugt. Danach kann man für einige Tage wach bleiben und sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren.
Was so toll klingt, wird für Marie Marne und ihre Eltern bald zum Alptraum. Denn nachdem ihr Vater sich kurz vor seinem Geburtstag einen weiteren ADI-Traum gekauft hat, verfällt er plötzlich in eine seltsame Starre. Er summt und singt, aber scheint nicht wirklich wach zu sein. Eines Tages wird Marie auf der Straße von einem seltsamen Mann angesprochen: Mr. Phisto. Er stellt sich als ein Agent der Nacht vor, der Maries Vater helfen kann. Oder besser gesagt, der Marie zeigen kann, wie sie ihrem Vater helfen kann. Dafür müssen sie in die Träume von drei Menschen gehen und bestimmte Gegenstände an den Strand des dunklen Meeres legen. Damit ist ihre Arbeit jedoch noch nicht getan. Denn im Anschluss daran soll sie in ihrem eigenen Traum mit diesen drei Gegenständen ein Tor öffnen. Im Glauben, ihrem Vater helfen zu können, erfüllt sie die Aufgaben. Zwar befreit sie ihren Vater damit aus seiner Starre, doch gleichzeitig setzt sie auch Dämonen frei, deren Anwesenheit die gesamte Menschheit in den Abgrund zu stürzen droht...

"Marie Marne und das Tor zur Nacht" ist ein fantastischer Roman mit einem wirklich spannenden und vielversprechenden Plot. Leider gelingt es dem Autor nicht, diesen erfolgreich umzusetzen und sein Potential auszuschöpfen. Stattdessen verstrickt er sich in der Präsentation von Marie und ihrem Abenteuer. Neben der Protagonistin verblasst so ziemlich alles. Es gibt keinen Raum für die üblichen Helfer, keinen Raum für Skeptiker und keinen Raum für Überraschungen. Jetzt könnte man natürlich darauf hinweisen, dass Karl, der Junge aus der Schule, Marie durchaus einmal hilft oder Professor Monroe das Mädchen vor der Gefahr, die durch Träume ausgeht, warnt. Doch diese Personen haben keinen Platz neben Marie, die einfach immer im Mittelpunkt steht. So muss man es als Leser über sich ergehen lassen, dass Marie in ihr Verderben rennt und die Menschheit mit sich zieht. Leider bleibt dabei die Spannung auf der Strecke. Kein Wunder, ist doch von Anfang an klar, dass Mr. Phisto nichts Gutes im Sinn hat (und das nicht allein wegen seines Namens) und dass Maries Blauäugigkeit zu keinem anderen Ende führen kann. Die Frage ist nur, was genau dieses Verderben darstellen wird. Genauso klar ist übrigens auch, dass Marie versucht, das Kind wieder aus dem Brunnen zu holen, nachdem sie es hineingeworfen hat. Neben der Spannung fehlen also auch die überraschenden Wendungen und die sich daraus ergebenden Gelegenheiten.
Das ist schade, klingt doch der Plot so vielversprechend. Was hätte man alles herausholen können. Doch den ersten Knacks erhält die Geschichte schon, als der Antagonist mit dem Namen Mr. Phisto angesprochen wird. Okay, Mephisto, Mephistopheles, der Widersacher von Faust, der Teufel aus der Hölle. Wer einen solchen Namen trägt, kann nichts Gutes im Schilde führen. Wenn einer Dreizehnjährigen, die das Gymnasium besucht und sicherlich gerade Goethe und seine berühmte Tragödie behandelt, dies nicht auffällt, ist das eher traurig. Das ist jedoch nicht das Einzige. Auch die Erklärung, warum es möglich ist, dass Menschen tagelang wach bleiben, ist dünn und an den Haaren herbeigezogen. Der Autor bringt diese nicht mit jener Überzeugung oder Glaubwürdigkeit herüber, wie es sonst in Fantasyromanen geschieht.
Nun bleibt abschließend noch eine Frage: Für welche Altersgruppe ist das Buch gedacht? Der erste Gedanke wäre, für junge Leser ab 13 Jahren, schließlich ist auch die Protagonistin in diesem Alter. Jedoch eignet sich die Geschichte nicht als Kinder- oder gar Jugendbuch, da sie hierfür einfach zu langatmig und farblos ist. Für Erwachsene also? Auch weniger, denn gerade Fantasyfans haben doch andere, höhere Ansprüche.

Somit bleibt "Marie Marne und das Tor zur Nacht" ein eher farbloser Roman mit phantastischem Hintergrund. Die Idee hinter dem Plot ist vielversprechend, spannend, die Umsetzung jedoch dünn und enttäuschend. Somit verbleibt das Buch eher im unteren Durchschnitt. Schade, denn wäre hier die richtige Portion Spannung eingestreut worden, wäre daraus ein Roman entstanden, der alle Altersgruppen angesprochen hätte.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    02/2014
  • Umfang:
    248 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    12 Jahre
  • ISBN 13:
    9783955100377
  • Preis (D):
    17,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gefühl:
    Keine Bewertung