Morgen ist woanders

von Elisabeth Etz
Rezension von Janett Cernohuby | 03. November 2019

Morgen ist woanders

Junge Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden müssen sich mit vielen Dingen auseinandersetzen. Allen voran ihren Eltern und deren Erwartungen. Nicht selten endet das im Streit. Manche legen sich, manche nicht. Und manchmal bringt die Erwartungshaltung von Eltern Jugendliche dazu, ihre Sachen zu packen und abzuhauen. So wie Jakob, von dem Elisabeth Etz in ihrem Jugendroman erzählt.

Wenn es Zuhause unerträglich wird

Jakob ist 17 Jahre alt, steht im letzten Schuljahr vor der Matura und hat riesen Zoff mit seinem Stiefvater. Dieser ist Arzt, hat in seinem Leben alles richtig gemacht, den Jungen adoptiert und zeigt dies mit einer Arroganz und Selbstherrlichkeit, dass Jakob am liebsten explodieren möchte. Doch er tut dann auch, wenngleich anderes. Er packt seine Sachen und haut ab. Zunächst zu seinem leiblichen Vater, der ihm zwar kurzfristig einen Unterschlupf bietet, aber nicht lange. Wohin soll Jakob nun? Er stößt auf eine Internetplattform, die kostenlose Schlafplätze in ihrer Community vermittelt. Jakob legt sich eine neue Identität zu, wird zu Jeremy aus Schottland, der auf der Durchreise ist und in Wien eine Schlafmöglichkeit sucht. Zumindest abends, denn tagsüber besucht er weiterhin die Schule. Seine Klassenkameraden werden schon bald auf Jakobs Doppelleben aufmerksam. Sieschließen eine Wette ab, ob er es schafft, bis zum Sommer durchzuhalten.
Doch das wird gar nicht so leicht, denn bald schon merkt Jakob, wie seine anfangs übereilte Reaktion zu einer persönlichen Herausforderung wird. Ständig ist er auf der Suche nach einer Unterkunft, seine finanziellen Reserven schwinden dahin und nicht selten gibt es Nächte, in denen er keinen Platz zum Schlafen hat…

Von der Trotzreaktion zu bitterem Ernst

Elisabeth Etz erzählt eine Geschichte, die unter die Haut geht. Darin greift sie verschiedene Themen aus der Gefühlswelt jugendlicher Menschen auf und rückt sie in den Mittelpunkt. Wir lernen den 17-jährigen Jakob kennen, der es in seinem Elternhaus nicht mehr aushält. Einem Elternhaus, das ihm einerseits Wohlstand und einen sicheren Hintergrund bieten kann, aber offenbar keine Liebe, keine Wertschätzung und keinen emotionalen Halt. Vor allem der Stiefvater lässt kein gutes Wort an Jakob, was den Jungen zu einer Verzweiflungstat führt: Er haut ab.
Zunächst fühlt er sich stark und zuversichtlich. Er fühlt sich frei, selbstsicher und froh darüber, dem Tyrannen entkommen zu sein. Anfangs läuft auch alles gut: Er findet über eine Internetplattform Schlafplätze und bekommt auch seinen Schulalltag gut in den Griff. Doch je länger sein Weglaufen in der eigenen Stadt andauert, desto schwieriger gestaltet sich die Schlafplatzsuche. Zum einen muss Jakob aufpassen, sich nicht zu verplappern und sein Doppelleben auffliegen lassen. Zum anderen kommt auch der Druck seiner Altersgenossen hinzu, die in der Schule eine Wette abgeschlossen haben. Aus der einstigen Flucht von Zuhause wird bald ein Wettkampf, um sich zu behaupten. Ein Wettkampf, der Jakob an seine Grenzen führt.
Natürlich prägt dieses Weglaufen Jakob, verändert ihn. Er verwandelt sich nicht nur in Jeremy, sondern Jakob erfährt, was es heißt, am Rande der Gesellschaft zu leben. Er erfährt, was Unsicherheit und Sorge bedeuten, weiß oft nicht, wo er als nächstes unterkommen kann, verbringt viele Nächte ohne Schlaf, hat bald Geldsorgen und kann sich auch nicht mehr regelmäßig Essen kaufen. Er beginnt zu schnorren und zu betteln. Er erfindet immer häufiger Lügen, um an das Nötigste zu gelangen. Er erfährt, was es bedeutet, krank zu werden und auf der Straße zu sitzen. Alles das formt den Jungen, verändert ihn - aber es führt nicht dazu, dass er zu seinen Eltern zurückgeht.
Das Ende bleibt offen. Elisabeth Etz deutet eine Wendung an, überlässt aber den Rest den jungen Leserinnen und Lesern. So denkt man noch lange über Jakob nach, denn seine Geschichte beschäftigt einen und lässt die Leserschaft nicht so schnell damit abschließen.

„Morgen ist woanders“ ist ein ergreifender und berührender Jugendroman, der von Streitigkeiten mit dem Elternhaus und vom Weglaufen erzählt. Mit klarer und nüchterner Sprache erzählt Elisabeth Etz von den Härten, die Weglaufen mit sich bringt. Sie erzählt vom Stolz eines Jugendlichen, der es leid ist, sich den Nörgeleien seines Stiefvaters auszusetzen, aber auch zu eitel, um  Hilfe von außen zu erbitten. Ein ergreifender Roman, über den man sich nach der Lektüre noch viele Gedanken machen wird.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    08/2019
  • Umfang:
    392 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    14 Jahre
  • ISBN 13:
    9783702238032
  • Preis (D):
    19,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gefühl:

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