Nils geht

von Gaby Kreslehner
Rezension von Janett Cernohuby | 16. April 2020

Nils geht

Mobbing im Klassenzimmer ist leider zum Alltag geworden. Hier werden unterschiedliche Kinder mit ebenso unterschiedlicher Herkunft zusammengewürfelt, die nun miteinander auskommen müssen. Da gibt es die Reichen und Armen, die Schlauen, die Dummen, die Lauten, die Stillen, die Mitläufer und die, die den Ton angeben. Und zu guter Letzt gibt es die Opfer. Jene, auf denen herumgehackt wird und die zur Zielscheibe werden. Nils ist eines von ihnen und seine erschütternde Geschichte erzählt Gabi Kreslehner in diesem Jugendroman.

Wo ist Nils?

Die Geschichte beginnt mit der Frage, wo Nils ist. Denn der Junge ist nach einem Vorfall in der Schule spurlos verschwunden.
Was ist passiert?
Eine ganze Menge - und genauso viel ist nicht passiert. Nils wurde systematisch gemobbt, von den fürchterlichen Vier fertiggemacht. Der Rest der Klasse schaute weg, mischte sich nicht ein, sondern verhielt sich ruhig. Zu groß war die Angst, selbst zur Zielscheibe zu werden. Zur Zielscheibe von Jo, der bei den fürchterlichen Vier das Sagen hat, von Rasmus, der immer wusste was Sache war und die Fäden zog, sowie von Fadi, der willig alles das umsetzt, was die anderen beiden ihm auftrugen. Die vierte im Bunde war Mila, ein hübsches Mädchen, das die Burschen umherscheuchte, flatterhaft mal auf der einen Party und dann auf der anderen Party tanzte.
Sie also hatten es auf Nils abgesehen. Doch dann wurde der vom Mathelehrer dazu verdonnert, ausgerechnet Mila Nachhilfe zu geben. Ein Hoffnungsschimmer keimte in Nils auf. Vielleicht konnte Mila dafür sorgen, dass er nicht mehr gemobbt wird. Doch sein Plan ging nach hinten los und Jo, Rasmus und Fadi wollten ihm einen Denkzettel verpassen, der Nils seinen Platz auf dieser Welt zeigt…
Und jetzt ist er verschwunden.

„Egal wo, wenn du das perfekte Opfer bist, dann bist du es überall.“

Ein Satz, der im Laufe dieser Geschichte fällt und der unter die Haut geht. Einmal Opfer, immer Opfer? Auf Nils trifft das definitiv zu, denn er ist die Zielscheibe für Spott und Hohn. Stillschweigend erträgt er es. Was kann er denn auch daran ändern? Kopf einziehen, weitergehen. Sich still verhalten, nicht auffallen. Nils kann aus dieser Spirale der Gewalt nicht ausbrechen. Er steht der Situation hilflos gegenüber, er ist allein. An wen kann er sich wenden? Wo kann er Hilfe und Unterstützung erwarten, wenn die Mitschüler aus Angst selbst zum Opfer zu werden, wegschauen. Wenn Lehrer das Treiben machtlos beobachten, mit halbherzigen Äußerungen glauben, genug getan zu haben? Auch sie schauen lieber weg, als sich zusätzliche Probleme einzuhandeln. Man kann ja auch nichts tun, ist das Credo, das schulterzuckend gepredigt wird. Freilich gibt es Situationen, in denen auch die Lehrer Fragen stellen. Doch zu leicht geben sie sich mit der Antwort, es sei eine Art Mutprobe, zufrieden. Es passt ja eh alles, oder?
Nein, es passt gar nichts und das ist dem Leser von Anfang an klar. Man fragt sich nur, wie viel ein Mensch, ein Jugendlicher ertragen kann. Wie viel er ertragen muss, bis aus Wegschauen Zivilcourage wird. Bis aus Angst und Selbstschutz Mut wird, um nach Hilfe zu suchen. Leider viel zu lange. Wie immer muss es erst einen großen Knall geben, bis sich etwas ändert. Das macht deutlich, wie groß das Problem Mobbing an Schulen ist, wie wenig Unterstützung Opfer, Lehrer, Mitschüler haben. Die Geschichte zeigt viele erschreckende Dinge auf, gibt aber gerade dadurch Anlass zu Gesprächen und Diskussionen. Mit allen Beteiligten.
Sehr gut gelungen ist der Erzählstil. Man erlebt die Geschichte nicht aus der Sicht von Nils, sondern bekommt sie von seinen Mitschülern erzählt. Hauptsächlich von denen, die danebenstanden und nur zuschauten. Unterbrochen werden sie gelegentlich durch Verhöre der Polizeipsychologen.
Übrigens spielt die Geschichte nicht auf einer Brennpunktschule. Hier kommen keine sogenannten Problemkinder zusammen, keine Kinder mit Migrationshintergrund oder aus sozial schwachen Familien, wie man es vielleicht erwartet. Nein, diese Geschichte spielt auf einer Privatschule, mit Kindern aus großteils reichen Familien.

„Nils geht“ ist ein berührender und erschütternder Jugendroman über das Thema Mobbing. Autorin Gabi Kreslehner zeigt hier die großen gesellschaftlichen Fragen und die komplexen Probleme des Miteinanders. Spannend verpackt in einer Jugendgeschichte, gibt das Buch Anlass zu Gesprächen, zum Nachdenken und zum Handeln. Dabei schwebt über allem der Aufruf nicht Wegzuschauen, keine Angst zu haben, sondern Zivilcourage zu zeigen und Hilfe zu holen.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    03/2020
  • Umfang:
    144 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    13 Jahre
  • ISBN 13:
    9783702238438
  • Preis (D):
    16,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gefühl:

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