Wie viele Kinder lassen sich brav umarmen, wenn Verwandte zu Besuch kommen, obwohl sie das eigentlich gar nicht möchten? Wie viele Kinder werden gescholten, als unhöflich bezeichnet, weil sie sich verkriechen, sobald sie sagen, dass sie das nicht möchten? Es ist nicht nur wichtig, Grenzen zu setzen, wenn man etwas nicht möchte, sondern auch, gesetzte Grenzen zu akzeptieren. Denn wir alle können das Gefühl nachempfinden, wenn uns jemand zu nahe tritt. Genau darum geht es in Jule Wellerdieks Bilderbuch.
Knuddeln? Nein, danke!
Kalle ist ein süßer kleiner Hund mit flauschig-weichem Fell. Er trifft sich regelmäßig im Park mit seinen Freunden, wo sie zusammen Spaß haben und herumtollen. Da ist nur eine Sache, die Kalle gar nicht gefällt. Kaum hat er durch das Tor den Park betreten, kommen alle angestürmt und starten eine wilde Knuddelattacke. Sie schlabbern ihm mit der Zunge durchs Gesicht und bekommen gar nicht genug von dem wuschel-weichen Kalle. Dem jedoch ist gar nicht wohl zumute. Im Gegenteil. Er will nicht immer geknuddelt werden, auch wenn er seine Freunde sehr gerne hat. Niedergeschlagen sitzt er an diesem Abend in seinem Zimmer, als sein Blick auf einen Kaktus fällt. Das ist es! Ab morgen ist Kalle nicht mehr kuschelig, sondern ganz stachelig. Am nächsten Tag schlüpft er in ein pieksendes Kaktuskostüm und betritt mit erhoben Haupt den Park.
Grenzen setzen und akzeptieren
Und seine Freunde? Die stutzen und fragen sich, was mit ihrem Kuschel-Kalle los ist. Da platzt es aus dem kleinen Hund heraus, dass er Knuddeln überhaupt nicht mag und viel lieber in Ruhe gelassen werden möchte. Seine Freunde sind zunächst irritiert, doch dann verstehen sie ihn. Denn auch sie haben etwas, dass sie gar nicht mögen, aber bisher immer stillschweigend ertragen haben. Nun trauen sie sich, ihre Grenzen aufzuzeigen und sagen den anderen, was sie wirklich mögen. Gleichzeitig überlegen sich die Freunde auch eine neue Form der Begrüßung, mit der ein jeder einverstanden ist. An diesem Abend geht Kalle fröhlich und mit einem guten Gefühl im Bauch nach Hause.
Auch wenn Kalle in diesem Bilderbuch ein Hund ist, steht er doch stellvertretend für jedes Kind. Wie viele müssen sich zur Begrüßung umarmen und küssen lassen, obwohl sie das gar nicht mögen. Obwohl sie sich unwohl fühlen und lieber nur die Hand geben würden. Aber sie trauen sich nichts zu sagen, wollen sie doch nicht als unhöflich gelten. Falsch, denn es ist nicht unhöflich, seine persönlichen Grenzen aufzuzeigen. Es ist eher unhöflich, diese nicht zu akzeptieren. Denn wie wir am Beispiel von Kalles Freunden sehen, haben alle andere persönliche Grenzen, andere Dinge, die sie mögen und nicht mögen. Jedoch sind sie, genau wie wir, in veralteten Denkmustern gefangen und trauen sich nicht, diese Wünsche auszusprechen.
Das Bilderbuch ist ein Plädoyer, eine Ermunterung dazu, die eigenen Bedürfnisse auszusprechen und sich selbst damit eine Stimme zu geben. Denn das bestärkt, fördert Respekt und auch das Verständnis anderen gegenüber. Nun brauchen nur noch wir Erwachsene unsere Eitelkeit beiseiteschieben und es nicht persönlich nehmen, wenn ein Kind mal keine Umarmung möchte. Das bedeutet schließlich nicht, dass es einen weniger mag.
„Kalle will nicht knuddeln“ ist ein einfühlsam und charmant erzähltes Bilderbuch über eigene Grenzen, Wünsche und auch den Mut, diese zu äußern. Nein zu sagen, ist nicht immer leicht, doch wichtig, wie man in dieser Geschichte erfährt. Und wenn das Gegenüber einen wirklich mag, wird die Person auch kein Problem haben, dies zu respektieren. Auch das lehrt uns diese Geschichte.
Details
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Erschienen:02/2025
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Umfang:32 Seiten
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Typ:Hardcover
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Altersempfehlung:4 Jahre
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ISBN 13:9783219120295
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Preis (D):16,00 €