Kirschendiebe

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oder als der Krieg vorbei war
von Anke Bär
Rezension von Janett Cernohuby | 09. Februar 2018

Kinder sind ganz neugierig zu erfahren, wie ihre eigenen Eltern aufgewachsen sind. Womit haben sie gespielt, wie sah der Schullalltag aus? Gerade in der heutigen technikreichen Zeit, in der Smartphones und Tablets für Unterhaltung sorgen, erscheint ihnen unsere Kindheit manchmal unvorstellbar. Doch noch spannender wird es für sie, wenn sie in die Kinderzeit ihrer Groß- oder Urgroßeltern zurückkehren. In jene Zeit, in der der zweite Weltkrieg gerade vorbei war. Die geprägt war von Zerstörung und Mangel, von Wiederaufbau und Neustart. Anke Bär nimmt Kinder mit zurück in die Nachkriegsjahre und zeigt am Bespiel der 11-jährigen Lotte, wie Kinder damals gelebt haben.

Kirschendiebe oder als der Krieg vorbei war

Während des Kriegs sind Lotte, ihre Mutter und ihr Bruder zur Tante aufs Land geflohen. Lottes Vater war Soldat im Krieg, ebenso der Mann ihrer Tante. Doch anders als ihr Vater kehrt der nicht zurück. Leider zieht schon bald eine neue Försterfamilie in das Forsthaus, die Greßmanns. Sie haben von nun an das Sagen und verbieten aus Neid und Missgunst Lottes Familie recht viel. Unter anderem das Kirschenpflücken im Garten, obwohl es reichlich Obst und Gemüse für alle gibt. Davon lassen sich die Kinder aber nicht unterkriegen. Sie haben trotz der Entbehrungen der Nachkriegszeit eine aufregende und tolle Kindheit, laufen in der Natur herum und entdecken die Welt auf ihre Weise.

Eine besondere Zeitreise

"Kirschendiebe oder als der Krieg vorbei war" ist nicht irgendein Unterhaltungsroman für Kinder ab zehn Jahren. Es ist eine ganz besondere Zeitreise, auf die Autorin Anke Bär ihre jungen Leser mitnimmt. Es ist die Biographie eines fiktiven elfjährigen Mädchens, das es aber dennoch gegeben haben könnte. Das es auch gab. Denn für dieses Kinderbuch begab sich Anke Bär auf die Spuren ihrer eigenen Familie: ihrer Eltern, Tanten, Onkel und vieler anderer Menschen. Die Autorin vermischt hier wahre Begebenheiten mit fiktiven Charakteren. Dadurch bekommt das Buch eine ganz besondere Atmosphäre. Es gibt dem Leser das Gefühl, ein altes Tagebuch gefunden zu haben, aus dem man einen Teil liest. Man versinkt in den Kapiteln und hat plötzlich das alte Forsthaus vor Augen. Man spürt das Gras, über das Lotte und die anderen Kinder laufen. Man spürt die Sonne und den Wind, nimmt die Gerüche wahr und hat das Gefühl, selbst eines der Kinder zu sein. Vielleicht liegt das zum Teil auch an den Bildern von Gegenständen aus der Nachkriegszeit, die im Buch zu finden sind, am Ende als Farbfotos, innerhalb des Buchs als Bleistiftillustrationen am seitlichen Rand.
Was Lotte erzählt, ist so anders als das, was Kinder heute erleben. Natürlich, denn es liegen immerhin sieben Jahrzehnte dazwischen. Doch nicht nur das. Es waren damals auch ganz andere Lebensumstände. Lottes Zeit ist geprägt vom verlorenen Krieg, von Wiederaufbau und Neuanfang. So erfahren wir, dass es an vielen Dingen mangelte, dass Straßen und Brücken zerstört waren, weswegen Menschen oft nur langsam und mit Umwegen in andere Orte kamen. Dass es an Geburtstagen keine Berge von Geschenke gab, sondern der Höhepunkt das extra Stück Kuchen war, das es nur für das Geburtstagskind gab. Strom und Wasser waren Luxusgüter, die nicht wie selbstverständlich flossen. Doch der Mangel brachte die Menschen jener Zeit dazu, erfinderisch zu sein, um aus dem wenigen, was sie hatten, Nützliches zu zaubern. Eine Gabe, die uns heute fehlt. Ist keine Internetverbindung da und funktioniert unser Computerspiel nicht, wissen wir nicht, was wir tun sollen. Damals tollten die Kinder unbeschwert durch die Wiesen. Natürlich waren Eltern und Großeltern strenger, dennoch missachteten auch damals die Kinder die Regeln. Sie mussten einfach nur aufpassen, nicht erwischt zu werden.

Und so taucht man während des Lesens in eine Welt ein, die so fremd und weit weg erscheint, dabei ist sie den Groß- und Urgroßeltern sicherlich noch gut in Erinnerung. Vielleicht fragt ja nach der Lektüre des Buchs der eine oder andere seine Großeltern nach ihrer Kindheit? Die Autorin würde sich freuen, denn das Buch will nicht nur unterhalten und berichten, sondern auch dazu anregen, ein wenig selbst zu forschen. Die eigene Familiengeschichte zu ergründen und mit den (Ur-)Großeltern ins Gespräch zu kommen.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    01/2018
  • Umfang:
    240 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    10 Jahre
  • ISBN 13:
    9783836959971
  • Preis (D):
    18,00 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
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  • Gefühl:
  • Illustration: