Sucht ist heimtückisch. Sie interessiert es nicht, ob jemand alt oder jung ist. Sie fragt nicht, ob sie willkommen ist. Und noch schlimmer, sie lässt Betroffene nie mehr los. Sie müssen nicht nur ein Leben lang gegen die Sucht kämpfen, sondern auch gegen Menschen, die nicht verstehen wollen, was Abhängigkeit wirklich bedeutet. Ein besonders bewegendes Schicksal beschreibt Kathleen Glasgow in ihrem jüngsten Jugendroman.
Scherben eines jungen Lebens
Im Leben der 15-jähirgen Bella läuft gerade gar nichts richtig. Ihre Eltern haben sich getrennt, ihre Vater hat eine Neue, Bellas geliebte Großmutter ist gestorben und nun hat auch noch ihr Freund mit ihr Schluss gemacht. Der Berg an Sorgen und Problemen wird immer größer. Bella kümmert sich rührend um die jüngere Schwester, sie versucht in der Schule am Ball zu bleiben und fühlt sich schuldig am Tod der Großmutter. Um all dem Kummer wenigstens kurz zu entfliehen, greift Bella immer häufiger zum Alkohol. Nur so kann sie weitermachen und sich um alles kümmern. Bis zu jenem fatalen Abend, als sie fast an einer Alkoholvergiftung stirbt. Sie kommt ins Krankenhaus und von dort direkt in eine Entzugsklinik. Ein steiniger Weg liegt vor Bella, auf dem sie lernen muss, auf sich selbst zu schauen, sich um sich selbst zu kümmern und um Hilfe zu fragen, wenn sie diese benötigt. Die Tatsache, Alkoholikerin zu sein, verleugnet Bella lange Zeit. Alkoholiker - das sind erwachsene Menschen, kein 15-jähriges Mädchen. Das sind Menschen, die nicht mehr ohne Alkohol leben können - sie aber kann sehr wohl darauf verzichten, wenn sie es möchte. Nicht wahr?
Erschütternder Jugendroman
Immer wieder liest man, dass es unserer Jugend schlecht geht. Seit Beginn der Covid-19 Pandemie und den danach folgenden multiplen Krisen nehmen die psychischen Symptome bei jüngeren Menschen immer mehr zu. Schlafstörungen, depressive Symptome, Angstsymptome bis hin zu Suizidgedanken quälen die Jugend.
Was tun, wenn man auf Unverständnis trifft? Wenn die eigenen Eltern schwer an ihren eigenen Problemen knabbern und die Nöte ihrer Kinder nicht wahrnehmen? Da scheint der Griff zu Alkohol eine Wohltat zu sein. Einmal all den Stress vergessen, einmal abschalten und sich leicht und unbeschwert fühlen. Doch diese vermeintliche Erleichterung hält nicht lange an und um sie wieder zu spüren, braucht es einen weiteren Schluck.
So ergeht es Bella, der Protagonistin dieses Romans. Sie sucht nach einer Stütze, nach etwas, das ihr Halt und das Gefühl von Sicherheit gibt. Sie wähnt all das im Alkohol und redet sich ein, dass sie jederzeit aufhören könnte, wenn sie wollte. Doch es ist bereits zu spät.
Intensiv und erschütternd erzählt Kathleen Glasgow von der Situation dieses jungen Mädchens. Man kann den Roman in drei Episoden gliedern: die Zeit vor dem Entzug, der Entzug selbst und die Zeit nach dem Entzug. Mit jedem Abschnitt wird Bellas Geschichte erschütternder und erdrückender. Während man sie anfangs noch aus einer gewissen Distanz betrachtet, beginnt man während des Entzugs eine Verbindung zu ihr aufzubauen. Man erlebt ihren Kampf, ihre wankelmütige Stimmung und ihren Rückfall. Je näher die Entlassung kommt, desto mehr steigt in der Hörerschaft die Anspannung. Wie wird es danach weitergehen? Kann Bella es schaffen? Ist sie stark genug, um die Herausforderungen ihrer Zukunft zu bestehen? Denn mit dem erfolgreichen Entzug beginnt der eigentliche Kampf erst. Überall lauert die Versuchung, zum nächsten Glas, zur nächsten Flasche zu greifen. Alkohol ist längst zu etwas Selbstverständlichem geworden und wer nicht trinkt, der muss sich rechtfertigen. Es wäre daher naiv zu glauben, dass Bellas Leben nach dem Entzug wieder im Lot ist. Keineswegs. Sie hat Rückfälle, sie kommt ins Straucheln. Aber sie kämpft. Dank ihrer Mutter und guter Freundinnen kann es ihr gelingen, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Doch das wird ein Kampf, der niemals aufhört und bei dem sie immer auf die Unterstützung anderer angewiesen sein wird.
Mit „The Glass Girl“ bringt Kathleen Glasgow einen weiteren erschütternden Jugendroman zur ihrer Hörerschaft, der an Abgründe führt. Alkoholmissbrauch, Alkoholsucht und der schwere Weg heraus sind hier das Thema, das unter die Haut geht und die Hörerschaft erschüttert zurücklässt. Denn auch wenn das Ende einen guten Verlauf nimmt, ist es kein Happy End, bei dem alles wieder gut wird.
Details
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Originaltitel:The Glass Girl
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Übersetzer*in:Barbara König
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Erschienen:02/2025
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Typ:Download
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Altersempfehlung:14 Jahre
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ISBN 13:9783732477036
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Spieldauer:13 Stunden 11 Minuten