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Eine Audienz anderer Art: Im Gespräch mit Eva-Maria Popp

Beitrag von Janett Cernohuby | 06. April 2016

Am 16. April 2016 wurde die Sonderausstellung "Zum 100. Todestag des Kaisers Franz Joseph" eröffnet. Bis zum 27. November 2016 wird an vier Standorten das Leben und Wirken des Langzeitmonarchen beleuchtet. Doch nicht nur für Erwachsene wird etwas geboten, auch Kinder können den Kaiser kennenlernen. Eva-Maria Popp schrieb für sie ein Buch, in dem sie historische Fakten kindgerecht aufbereitet hat und das Geschichte zum Erlebnis macht. Bei einem Besuch der Autorin in Wien nutzten wir die Gelegenheit und sprachen bei einem Cappuccino mit Schlag im Cafe Prückel  über das Kinderbuch.

Janetts Meinung
Mit "Kaiser für Kinder" haben Sie ein Kinderbuch über Kaiser Franz Josef geschrieben. Was genau erwartet die jungen Leser in diesem Buch?

Eva-Maria Popp
Kinder erhalten einen ersten Eindruck, wie so ein Kaiser, speziell Kaiser Franz Joseph, gelebt, gedacht und was er gemacht hat. Sie sollen einen Eindruck der damaligen Zeit bekommen, inspiriert werden und sich auch Gedanken über jene Zeit machen.

Janetts Meinung
Das Buch ist anlässlich der Sonderausstellung "100. Todestag Kaiser Franz Joseph" erschienen. Hätten Sie auch ohne diese Ausstellung über den österreichischen Kaiser geschrieben oder eine andere historische Persönlichkeit favorisiert?
 
Eva-Maria Popp
Ja, ich hätte mit ihm angefangen. Ich sehe ihn als Bindeglied, als Repräsentant dieser Zeit die dann untergangen ist. Zwei Weltkriege, Separierungsbewegung.
Gleichzeitig möchte ich beginnen, ein Zeichen zu setzen: "Wir waren schon mal weiter". Sicher, zu Franz Josephs Zeit gab es viele Probleme, keine Frage. Doch lebte man im K. & K. Habsburger Reich, war es fast egal, ob man Jude, Moslem oder Christ war.

Janetts Meinung
Das haben Sie ja auch in Ihrem Buch erwähnt.

Eva-Maria Popp
Und das ist heute für die Kinder und auch für Erwachsene eine wichtige Informationen. Zu Franz Josephs Zeiten war das einfach selbstverständlich.
Ich möchte Kinder inspirieren, sie auf eine Denklinie bringen. Ich sage: "Kinder, seht alles nicht so eng, seid tolerant. Der eine lebt so, der andere lebt so. Zu Franz Josephs Zeiten war das einfach die Art zu leben. "
Das ist mein Impuls.

Janetts Meinung
Und aus diesem Impuls heraus ist dann die Reihe "Geschichte erleben - aus der Geschichte lernen" entstanden?

Eva-Maria Popp
Genau. Und Kaiser Franz Joseph ist der erste Band. Nächstes Jahr gibt es in Wien eine Sonderausstellung zum 300. Geburtstag Maria-Theresias und wir werden sie und ihre Zeit in ein Kinderbuch übertragen. Da möchte ich die Frauengeschichte betonen. Es hat Kriege gegeben, weil eine Frau Kaiserin wurde. Ich muss sagen, auch in diesem Punkt waren wir schon weiter. Wir reden immer noch über Frauenquote und Vorstandsvorsitzende, ob Beruf und Kind vereinbaren sind. Maria Theresia hat viele Kinder gehabt und war Kaiserin. Ich möchte immer diese besonderen historischen Figuren herausnehmen, damit inspirieren und die Freude, das Interesse an der Geschichte wecken und auch Zielinformationen geben, welche die heutige gesellschaftliche Situation zumindest tangieren.

Janetts Meinung
Maria Theresia wird also der nächste Band werden. Haben Sie auch schon Ideen, welche historischen Persönlichkeiten noch kommen könnten?

Eva-Maria Popp
Ich werde mich dabei schon ein bisschen an Wien, an den Ausstellungszyklen orientieren. Aber auch über die Nachfahren Franz Josephs könnte man eine Geschichte schreiben, darauf brachte mich eine Einladung bei Erzherzog Markus von Habsburg Lothringen, einem Urenkel von Franz Joseph.
Ich bin sehr situationsorientiert und lass mich immer anregen.

Janetts Meinung
Diese Kinderreihe ist Ihre erste, die in die historische Richtung geht. Sie haben bereits Bücher für Kinder geschrieben, doch mit einem anderen Fokus

Eva-Maria Popp
Ich bin keine klassische Geschichtentante. Ich möchte immer etwas vermitteln. Ich glaube, dass Kinder sehr gescheit, sehr intelligent und auch sehr wissbegierig sind. Und dass Kinder viel wissen möchten - aus dem Leben und aus dem Alltag. Mit Geschichten kann man ihnen somit viele Dinge sehr gut vermitteln.
Das letzte Buch haben wir über den Steuerberater gemacht. Es heißt "Papa was ist eine Steuer". Das habe ich zusammen mit einem Steuerberater und dessen Kindern geschrieben.  Dieser erklärt anhand von Eiskugeln, was Steuer ist.

Janetts Meinung
Zurück zu Kaiser Franz Joseph. Was macht ihn als historische Figur so interessant für Kinder?

Eva-Maria Popp
Er ist eine Person, die in einer wahnsinnig wichtigen Zeit geherrscht hat. Es fanden große Umbrüche statt, die Industrialisierung, die Gründerzeit, die technischen Errungenschaften wie Telefon, Auto und Maschinen. All das fiel in seine Zeit und macht ihn zu einer ganz wichtigen Person. Und er hat natürlich - nach dem Attentat von Sarajevo - die Kriegserklärung gegen Serbien unterschrieben. Und dann ist das Reich zusammengebrochen. Er war der letzte einer langen Reihe von Herrschern, die tausend Jahre europäische Geschichte geschrieben haben. Österreich jetzt ist ein kleines Land, aber es ist ja eben nur das Überbleibsel aus vielen Jahren Geschichte. Und darum denke ich, ist er eine Figur, die man kennen muss.

Ich bin sehr liberal und locker, doch wenn Menschen keinen Bezug zur Geschichte haben,  werde ich ganz böse. Egal in welcher Zeit ich lebe, ich muss immer wissen, wo komme ich her, wo sind die Hintergründe. Dann kann ich etwas verändern. Und gerad die heutige Flüchtlingsdebatte, die Bankendiskussion,  da muss man wissen, was war denn vor hundert Jahren, als das Osmanische Reich mit ihm untergegangen ist. Ich denke schon, die Probleme, die wir heute haben, hängen noch sehr stark mit diesem 1. Weltkrieg zusammen.

Janetts Meinung
Sie schreiben im Buch, das Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo ermordet wurde. Über Sisi hingegen schreiben Sie, dass sie früh starb. Warum gibt es hier die Abmilderung?

Eva-Maria Popp
Ich bin ja eine Sisi-Liebhaberin. *lacht*
Aber ich wollte Sisi bewusst nicht in den Vordergrund setzen. Sie ist eh ständig im Vordergrund. Und zweimal ermordet wäre mir zu viel. Dann hätte ich wieder erklären müssen, warum, wieso, weshalb. Das wäre zu umfangreich geworden.
Man muss bei Kinderbüchern - das ist die große Kunst  so viel sagen, dass es für Kinder interessant ist. Dass es der Wahrheit entspricht, dass es historisch standhält und trotzdem so wenig schreiben, dass ich Kinder nicht überfrachte. Sie haben gewisse Denkzyklen. Das Buch ist ja für Grundschüler (Volksschüler), und in diesem Alter, bis 10 Jahre, können sie Tatsachen sehr gut aufnehmen, aber sie haben noch nicht die Fähigkeit, zu exzerpieren und dann den Transfers herzustellen. Daher hab ich das elegant, bewusst und unbewusst neutralisiert.

Janetts Meinung
Was war ausschlaggebend dafür, dass Sie ein Buch über den österreichischen Kaiser für Kinder und nicht für Erwachsene schrieben?

Eva-Maria Popp
Weil die Literatur voll davon ist. Auch wäre das nicht mein Stil. Ich mache zwar viel mit Erwachsenen, schreibe auch Bücher für Erwachsene, aber das würde ich mir nicht zutrauen. Ich bin keine Historikerin und wenn ich für Erwachsene schreibe, muss ich fundiertes Wissen haben.

Es ist meine Denkwelt. Ich liebe es. Ich habe ja drei erwachsene Kinder und jetzt wieder Enkelkinder. Ich kann zum Beispiel nicht spielen, ich mag es nicht. Was ich immer sehr gerne und viel gemacht habe, ist mit den Kindern gelernt. Nicht im Sinne von Schule, sondern ich bin mit ihnen in Ausstellungen gefahren, habe Konzerte besucht, war oft hier in Wien. Da gab es das Kindermuseum noch nicht, aber die ersten Kinderführungen. So bin ich im Übrigen auf die Idee gekommen, für Kinder Sachbücher zu schreiben. Ich möchte, dass Kinder etwas lernen. Ich möchte Wissen für Kinder interessant gestalten. Und weil ich in diesen historischen Zyklen denke. Ich weiß, dass man nur verändern kann, wenn man an die Kinder geht.
Und außerdem gibt es noch kein Franz Joseph Buch für Kinder.

Janetts Meinung
Die Illustrationen für das Buch sind nicht ohne Grund gewählt. Woher stammen sie?

Eva-Maria Popp
Von einem achtjährigen Kind.

Janetts Meinung
Warum haben Sie sich für Illustrationen aus Kinderhand entschieden?
 
Eva-Maria Popp
Das ist auch etwas, was ich bewusst mache. Das hat etwas mit der Entwicklung und mit der Denkwelt zu tun. Ich denke in historischen, psychologischen und in pädagogischen Dimensionen. Wenn ein Kind ein Buch illustriert, zeichnet es so, wie ein Kind in dem Alter denkt und fühlt. Das ist ein Transformationsprozess. Ich erzähle dem Kind die Geschichte. Es ist sozusagen mein Medium und übersetzt das Gehörte in seine kindliche Denkwelt, die dann der Denkwelt der Leser sehr ähnlich ist. So bin ich dann viel näher an der Leserschicht, als wenn es ein Erwachsener illustriert.
Das ist der Hintergrund. Das ist, wie wenn ein Erwachsener mit einem Kind spielt. Er kann nie so mit ihm spielen, als wenn ein anders Kind mitspielt. Weil sie sich einfach in der Denkwelt, in der Gefühlwelt und in der Erlebniswelt viel ähnlicher sind. Und darum nehme ich meistens Kinder. Sie müssen eine Affinität dazu haben, sie müssen darauf Lust haben und sie müssen auch durchhalten. Denn das ist sehr viel Arbeit für die Kinder. Und sie müssen sich auch für das Thema interessieren.

Janett Meinung
Das Buch ist in mehreren Sprachen erschienen. Deutsch, Englisch und Slowakisch.

Eva-Maria Popp
Zumindest mal Englisch. Hier in Wien gibt es viele Touristen, die das Buch dann auch in Englisch wollen.
Slowakisch, weil wir diesen K. & K. Gedanken aufnehmen und leben möchten. Und somit ist Slowakisch jetzt die erste Sprache und die anderen sollen folgen. Aber da müssen wir erst sehen, wie sich das entwickelt. Und wie wir das dann auch wieder vertreiben können.

Janetts Meinung
Das Buch ist erhältlich im Schloss Schönbrunn, im dortigen Kindermuseum.

Eva-Maria Popp
Aber auch in Buchhandlungen, im Schloss Belvedere, im Kunsthistorischen Museum und auch das Jüdische Museum ist interessiert. Es wird gut angenommen.

Doch auch wer nach Wien fährt, egal in welches Museum er geht, ist an Wien interessiert, an der Wiener Geschichte und an der österreichischen Geschichte und nimmt auch gerne etwas für die Kinder mit.

Janetts Meinung
Was sind Ihre nächsten Pläne oder Projekte?

Eva-Maria Popp
Wir haben einen Termin, unter anderem mit einem Intendanten von Carnuntum. Da könnte es sein, dass ein nächstes Buch entsteht, aber das muss man erst abklären. Dort wird auch sehr viel für Intergrationsthemen gemacht. Sie sagen, dass es im Römischen Reich schon anders war.

Janetts Meinung
Vielen Dank, dass Sie sich trotz Ihrer anderen Termine Zeit für uns und das Interview genommen haben.

Fotos von Michael Seirer Photography
Eine Audienz anderer Art: Im Gespräch mit Eva-Maria Popp