Weggesperrt

von Grit Poppe
Rezension von Janett Cernohuby | 02. September 2019

Weggesperrt

Wir alle wissen, das Leben in der DDR war nicht einfach. Der Staat kontrollierte und überwachte, er mischte sich ein und Freiheit war lediglich der Name einer großen Tageszeitung. Doch egal wie oft wir darüber sprechen, es gibt  Themen, die weniger in den Blickpunkt rücken. Jungendwerkhöfe beispielsweise, allen voran der Jugendwerkhof in Torgau. Autorin Grit Poppe möchte diese Einrichtungen und vor allem das, was darin geschah, nicht in Vergessenheit geraten lassen und hat bereits 2009 den Jugendroman „Weggesperrt“ veröffentlicht. Anlässlich des 30-jährigen Jahrestags des Mauerfalls wurde dieses Buch neu aufgelegt und ist mit Zusatzmaterial als limitierte Sonderausgabe erschienen.

Wenn der Wunsch nach Freiheit hinter Gittern endet

Als Anjas Mutter 1988 einen Ausreiseantrag aus der DDR stellt, ahnt sie nicht, welche schrecklichen Konsequenzen das für sie und ihre Tochter haben soll. Die beiden werden verhaftet und weggesperrt. Anja kommt zunächst in ein Durchgangslager, dann in einen Jugendwerkhof. Von nun an gleicht das Leben der 14-jährigen einem Gefängnisaufenthalt. Zusammen mit anderen Jugendlichen ist sie eingesperrt, blickt auf hohe Mauern, schwere Eisentore und vergitterte Fenster. Ihr Alltag wird von bestimmt von Disziplinierung, Einschüchterung und Bestrafung. Anja kommt sich vor wie eine Schwerverbrecherin, versteht aber nicht, warum. Doch es kommt noch schlimmer. Nach einem missglückten Fluchtversuch wird das junge Mädchen in den geschlossenen Jugendwerkhof Torgau gebracht. Diese Umzugsanstalt übertrifft alles bisher Erlebte um ein Vielfaches: gnadenloser Drill, Gewalt, Zwangssport und Arbeiten bis zum Umfallen. Anja ist verzweifelt und als sich ihr eine Möglichkeit zur Flucht bietet, nutzt sie diese…

Aufarbeitung eines dunklen Kapitels der DDR-Geschichte

Was wissen wir über die Jugendwerkhöfe der DDR? Wenig, vielleicht auch nichts. Grit Poppe erzählt uns schonungslos davon und trägt damit einen ganz wichtigen Teil bei, dieses schreckliche Kapitel nicht zu vergessen. Es ist ein düsterer Roman, den die Autorin schrieb. Er beginnt bereits sehr beklemmend mit der Verhaftung von Anjas Mutter und der Unterbringung des jungen Mädchens in einem Durchgangsheim. Rasant beginnt sich die Geschichte zu entwickeln und hält dieses Tempo auch bis zum Schluss. Das beklemmende, düstere Gefühl reißt nicht ab und genau wie Anjas Mut und Hoffnung, sinkt auch die bei der Leserschaft. Nein, nicht ganz, denn wir wissen ja, was im November 1989 kommen wird. Doch wie soll Anja diese Schrecken, diese Gräuel so lange durchhalten.
Und wie haben es die etwa 5.000 Jugendlichen, die Torgau durchliefen, durchgehalten?
Der Roman rüttelt wach. Wenngleich Anja ein fiktiver Charakter ist und ihre Geschichte erfunden wurde, sind die Darstellungen doch sehr nah an der Realität orientiert. Und genau diese Tatsache geht dem Leser unter die Haut. Was hat man hier jungen Menschen angetan? Wie hat man Schutzbefohlene derart erniedrigen und für den Rest ihres Lebens schädigen können?
Bestürzt und betroffen liest man Seite um Seite. Man kann dieses Buch einfach nicht weglegen, man ist genau wie die Protagonistin gefangen in den grauenhaften Einrichtungen. Mit ihrem Buch leistet Grit Poppe wichtige Aufklärungsarbeit, sie spricht aber auch ein Thema an, über das sonst geschwiegen wird. Ja, wir hören vom Todesstreifen an der Mauer, wir lesen über waghalsige Fluchtversuche und vielleicht werden hier und dort auch mal Zwangsadoptionen angesprochen. Doch was ist mit den Kindern aus den Umerziehungsheimen? Grit Poppe macht sie sichtbar und öffnet vor allem jugendlichen Lesern die Augen über einen Teil DDR-Geschichte. Diese limitierte Sonderausgabe bietet dafür noch weiteres Zusatzmaterial. Es beginnt nicht nur mit einem Vorwort von Marianne Birthler, sondern endet mit Zeitzeugenberichten, Auszügen aus Akten des Jugendwerkhofs und einem Nachwort der Autorin im Anhang. Das erschreckende an diesen Zeitzeugenberichten ist, dass sie einige Erlebnisse von Anja selbst noch einmal schildern. Hier wird deutlich, wie nah sich Grit Poppe an der Realität orientiert hat.

„Weggesperrt“ ist ein Jugendroman, der auch Erwachsenen nahegelegt werden sollte. Das Buch rüttelt auf, macht bestürzt und fassungslos und zeigt, mit welchen grausamen Mitteln die DDR dafür gesorgt hat, dass Jugendliche nach ihren sozialistischen Vorstellungen funktionieren. Es arbeitet ein dunkles Kapitel der DDR-Geschichte auf und trägt dazu bei, dass dieses nicht vergessen wird.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Erschienen:
    08/2019
  • Umfang:
    352 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    14 Jahre
  • ISBN 13:
    9783791501437
  • Preis (D):
    16,00 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gefühl:

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