Manchmal male ich ein Haus für uns

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Europas vergessene Kinder
von Alea Horst, Mehrdad Zaeri
Rezension von Janett Cernohuby | 28. Mai 2022

Manchmal male ich ein Haus für uns

Malen ist eine gängige Beschäftigung von Kindern. Ein typisches Motiv solcher Kinderbilder sind ein Himmel und eine grüne Wiese, mit einem Haus darauf. Manchmal steht auch ein Apfelbaum daneben und immer führt ein Weg zu diesem Haus. Solche Bilder hängen in vielen Familien an Kühlschränken oder Wänden.
Häuser, Kühlschränke, Wände mit Zeichnungen - alles das gibt es in den Flüchtlingslagern auf Lesbos nicht. Hier gibt es nur unzählige Zelte und Container, in denen Menschen leben, die alles verloren haben. Die ihre Heimat aus Angst vor Krieg, Gewalt und Hunger verlassen mussten und hofften, irgendwo ein besseres Leben beginnen zu können. Unter ihnen zahlreiche Kinder, ohne Perspektive, ohne Hoffnung. Fotografin Alea Horst präsentiert eine erschütternde und bewegende Sammlung von Fotos und Interviews, die sie mit Kindern in dem Flüchtlingslager führte. Kinder, die Europa offenbar vergessen hat.

Im Flüchtlingslager von Lesbos

„Ich male auch manchmal ein Haus für uns,“ erzählt die zehnjährige Tajala in diesem Buch, dessen Titel genau diesen Satz aufgreift. Es ist der letzte Satz ihrer Geschichte, einer Geschichte über Flucht, über ihr Leben im Flüchtlingslager Moria, wie es abbrannte, wie ihre Familie anschließend auf der Straße schlafen musste und irgendwann in das Lager Kara Tepe kam. Hier wurde nichts besser, hier sitzt die Familie noch immer in einem ärmlichen Zelt, ohne Möbel, ohne ausreichend Lebensmittel und wartet darauf, was aus ihnen wird. Wird ihr Asylantrag angenommen oder abgelehnt?
Tajalas Geschichte ähnelt der von vielen anderen Kindern, die in diesem Buch zu Wort kommen. Zweiundzwanzig sind es insgesamt. Sie alle sind mit ihrer Familie aus der Heimat geflohen, sie alle hofften auf ein besseres Leben und landeten in einem grauenvollen Lager. Sie sind eingesperrt, das Lager ist umgeben von Stacheldraht. Es gibt kaum Lebensmittel, keine medizinische Versorgung und das wenige Hab und Gut wird nachts gestohlen.

Trauer, Verlust und keine Perspektive

22 Kinder, die in diesem Buch ihre Geschichte erzählen. Die sich nichts anderes wünschen, als eine warme Wohnung, ein Bad, genug zu Essen und die Möglichkeit, zur Schule gehen zu können. Dinge, die für uns selbstverständlich sind, sind in Kara Tepe ein Traum, ein Wunsch, der unerreichbar scheint. Es ist erschütternd zu lesen, dass die 14-jährige Raghad den Traum für ihr Leben aufgegeben hat. Und sie ist nicht das einzige Kind, aus dem Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung spricht. Die Sorge um die eigene Familie, um Geschwister, Mutter und Vater ist bei allen Kindern groß. Statt zu lachen, blicken sie traurig in die Zukunft. Ohne Perspektive. Hinter ihnen liegt das Grauen, erlebt während der gefährlichen Flucht oder beim Brand des Flüchtlingslagers Moria. Vor ihnen liegt die Ungewissheit. Viele Kinder haben Alpträume, wie der 8-jährige Qutbuddin. Immer wieder träumt er davon, im Meer zu treiben und zu ertrinken.

Verlust, Trauer und Perspektivlosigkeit eint alle diese Kinder. Dabei hat ein jedes von ihnen durchaus Wünsche und Träume. Viele wollen Ärztinnen oder Ärzte werden, wollen später einmal in Hilfsorganisationen arbeiten, um Menschen wie ihnen dann helfen zu können. Sie alle träumen davon, zur Schule gehen und lernen zu dürfen. Ob sie das wohl jemals können?

Manchmal male ich ein Haus für uns

Bewegend und aufwühlend

Fotografin Alea Horst gibt den Kindern in diesem Camp eine Stimme und ein Gesicht. Sie holt sie vor die Kamera, lässt sich ihre Geschichte erzählen und bringt sie mit diesem Fotobuch nach Europa. Dieses Buch wühlt auf, bewegt und brennt sich tief in uns ein. Die großformatigen Porträts zeigen Kinder im Flüchtlingslager. Manchmal beim Spielen, oft jedoch alleine vor oder in ihren Zelten. Die Kinder stehen im Mittelpunkt der Bilder, dennoch kann man die Armut um sie herum sehen. Ihre Körperhaltung, ihre Blicke, ihr seltenes Lächeln - das alles lässt uns die grauenvollen Zustände des Lagers spüren. Ihre Geschichten wühlen auf und sind erschütternd. Man fragt sich, warum Europa den Blick abwendet. Warum so viele Kinder alleine gelassen und vergessen werden. Diesen Kindern bleibt nichts, außer zu warten. Warten auf einen positiven Asylbescheid oder die Ablehnung und damit Rückführung.

Manchmal male ich ein Haus für uns

„Manchmal mal ich ein Haus für uns“ ist ein erschütterndes und bewegendes Fotobuch, in dem 22 Kinder aus dem Flüchtlingslager auf Lesbos zu Wort kommen und von ihrem Leben erzählen. Es ist ein Buch, das traumatisierte und gebrochene Kinder zeigt. Kinder, die so dringend Schutz und ein sicheres Zuhause benötigen, die aber von Europa vergessen wurden. Vergessen dort in Kara Tepe, dem griechischen Flüchtlingslager.

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