All jene, die Geschichten erzählen und sie zwischen zwei Buchdeckel binden, tun eigentlich nichts anderes, als Lügen zu erzählen. Sie erfinden Welten mit Magie, Charakteren und Abenteuern, die es bei uns in der realen Welt niemals geben wird. Je besser diese Geschichte, diese Lüge, erzählt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass am Ende ein Zauber diese Welt lebendig macht. Irgendwo, an einem besonderen Ort.
Ein besonderer Schreibkurs
Oskar ist ein großer Fan von Simon Bruma und dessen Fantasyreihe um den Helden Ozzy Calavera. Als Bruma ein Gewinnspiel startet, bei dem man einen Schreibkurs bei ihm gewinnen kann, nimmt Oskar natürlich sofort teil. Und tatsächlich, er gewinnt und befindet sich schon bald auf dem Weg zum Anwesen von Simon Bruma. Doch dieser verfolgt eigene Pläne. Denn es geht ihm nicht nur darum, Oskar die Feinheiten der Kunst des Geschichtenerzählens zu vermitteln, sondern er erhofft sich von dem Jungen auch etwas. Brumas Tochter ist schwer krank und er sieht in Oskar und seinem Talent für das Schreiben die einzige Hoffnung auf Heilung. Während Oskar noch überlegt, wie das gehen soll, überschlagen sich die Ereignisse. In der ersten Nacht jagt ihn ein körperloser Schatten durch das Haus und als er mit dem Schreiben seiner eigenen Geschichte beginnt, findet er sich plötzlich in einer neuen Welt wieder…
Geschichte in der Geschichte
Jesús Cañadas präsentiert uns hier einen ganz besonderen Fantasyroman, in dem es natürlich um Helden und gefährliche Abenteuer geht, aber auch um die Kunst des Schreibens und Erzählens. Genau wie Oskar auf dem Anwesen Brumas wird auch die Leserschaft in das Buch hineingezogen, wenngleich wir aber glücklicherweise dort bleiben, wo wir das Buch aufgeschlagen haben. Oskar dagegen nicht. Während er schreibt, verlässt er die reale Welt und findet sich an dem Ort wieder, an dem auch seine Geschichte spielt. Er wird sozusagen Teil der Handlung. Dieser Twist macht das Buch zu einer Anlehnung, einer Hommage an andere große Werke der phantastischen Literatur. Einige von ihnen werden auch immer wieder referenziert. Zudem ist das Werk eine Hommage an das Geschichtenerzählen und Schreiben. Denn Oskars Abenteuer ist nicht nur das, was er in der magischen Welt erlebt, es ist auch das, was er von Simon Bruma über die Kunst des Erzählens lernt. Das ist ein wichtiger Teil, der zum Dreh- und Angelpunkt in dieser Geschichte wird. Wir lesen von den Mechanismen des Erzählens, der Kunst des Schreibens und was eine Geschichte braucht, um am Ende ihren Zauber zum Leben zu erwecken. Der Roman ist eine Geschichte in der Geschichte, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion immer wieder verschwimmen, bis Oskar am Ende begreift, worum es wirklich geht. Er begreift, was seine Geschichte braucht, um November die Heilung zu bringen, nach der ihr Vater sucht, die sich aber dennoch als etwas ganz anderes entpuppt, als dieser erhofft. Und so ist es ein Ende, das zwar Antworten bringt, aber nicht für jeden das ersehnte Happy End.
„Die Bibliothek der Wahren Lüge“ ist ein spannender und magischer Fantasyroman und eine Hommage an das Geschichtenerzählen und Schreiben. Zwischen prachtvoll gestalteten Buchdeckeln entführt es uns in die Welt der Schreibenden, die mit Papier und Stift nicht nur Unterhaltung schaffen, sondern für Ausgewählte auch die Grenzen zwischen realer und fiktiver Welt durchbrechen. Fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite.
Details
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Originaltitel:Noviembre. Mi Biblioteca
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Übersetzer*in:Elisabeth Lethardt
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Erschienen:02/2025
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Umfang:304 Seiten
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Typ:Hardcover
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Altersempfehlung:11 Jahre
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ISBN 13:9783649648505
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Preis (D):18,00 €