Der war's

Antolin Quiz
von Juli Zeh, Elisa Hoven, Lena Hesse, Julia Nachtmann
Rezension von Janett Cernohuby | 16. Oktober 2023

Der war's

Es liegt in der Natur der Sache, dass wir uns von Äußerlichkeiten vorschnell zu Urteilen verleiten lassen. Juli Zeh will mit ihrem neuen Kinderbuch dagegen ein Zeichen setzen und spielerisch die Bedeutung von Fairness und der Unschuldsvermutung vermitteln. Ob das gelingt?

Ein gemeiner Pausenbrotdieb

Die Geschichte ist einfach und rasch erzählt: Marie hat eine Super-Mom, die ihr jeden Tag ein Supersandwich einpackt. Doch seit kurzem wird eben jenes Supersandwich regelmäßig gestohlen. Wer vergreift sich da in den Pausen an Maries Schultasche? Ein Schuldiger ist schnell gefunden: Konrad, der Neue in der Klasse. Ein bisschen zu pummelig, ein bisschen zu still, ein bisschen zu perfekt für die Opferrolle. Oder nein, Täterrolle, denn das Opfer ist ja Marie. Rasch verbreitet sich unter den Schulkindern, dass in der 5a ein Dieb rumschleicht und die Kinder rufen nach einer Lösung. Da sie von ihrem Klassenlehrer jedoch nicht weiter erhört werden, nehmen sie die Zügel selbst in die Hand. Sie verhandeln in einem Gerichtsverfahren über Konrads Schuld oder Unschuld. Dabei lernen sie, dass sich vieles als ganz anders erweist, als sie es zunächst dachten.

Der war's

Gut gemeinter Kinderroman

Die Idee hinter dem Roman ist nicht schlecht, werden doch viele Schulthemen aufgegriffen, die immer wieder zu Konflikten unter Kindern führen. Doch an der Umsetzung hätte mehr gefeilt werden müssen. Die Autorinnen werfen viele Themen in ihren Plot, nur um sie dann links liegen zu lassen. Da ist dieser Junge, dick und noch nicht lange in der Klasse angekommen. Er wird schnell zum Schuldigen auserkoren - klar, ihn kennt man nicht, ihm kann man vieles andichten. Vor allem die Frage, warum er eigentlich umgezogen ist. Dafür ist natürlich ein Verbrechen der Grund, keineswegs die Lebensumstände seiner Eltern. Nein, der Neue muss an seiner alten Schule irgendwas angestellt haben. Und diese Vermutung, diese Nachrede verbreitet sich schon bald in Windeseile. Per Mundpropaganda, per WhatsApp, wer weiß wie noch. Konrad (schon bei diesem Namen hat man ein klares Bild der Person vor Augen) kann nur der Übeltäter sein. Der Junge muss an diesem Punkt unglaublich viel ertragen. Ausgrenzung, Tuscheleien, üble Nachrede, kurz Mobbing. Das, was er im Laufe dieser Geschichte durchlebt, ist eine enorme psychische Belastung. Wie viele andere Kinder und Jugendliche haben in ähnlichen Situationen schon versucht, sich etwas anzutun? Doch unser kleiner, pummeliger Konrad scheint eine dicke Haut zu haben und erträgt das alles. Er geht tapfer weiter zur Schule, lässt sich einfach weiter beschuldigen und hofft auf einen guten Ausgang der Gerichtsverhandlung. An dieser Stelle muss man den Autorinnen zugutehalten, dass sie die Ignoranz und das Wegschauen der Lehrkräfte auf den Punkt genau beschreiben. Gleiches gilt für manch anderes Schulthema: nicht funktionierende Technik, Vertretungsproblematiken. Die eingestreuten Seitenhiebe auf das mangelhafte Schulsystem kommen gut rüber, wenngleich sie wohl nur von den Erwachsenen verstanden werden. Auf Kinder achtet in unserer Welt anscheinend ohnehin keiner. Wie sonst kann man es sich erklären, dass die hier handelnden letztendlich gezwungen sind, sich selbst zu informieren und eine Lösung zu finden? Freilich, das tun Schülerinnen und Schüler immer wieder. Sie machen die Dinge untereinander aus. Doch ob es so perfekt funktioniert, wie im Roman beschrieben, weckt Zweifel. Auch zweifeln lässt die geschilderte Klassenzusammensetzung. Konrad, Marie, Thorben, Mika, Chloe, Elfie, Phil - es werden nicht nur sehr viele Stereotypen bedient, es findet sich auch wenig Diversität in der Klasse. Wenngleich Lena Hesses Illustrationen ein bunteres Bild zeigen.

Der war's

Und so plätschert eine Schulgeschichte dahin, die als Hörbuch von Julia Nachtmann gelesen, unterhält, deren Ausgabe als Buch mit großer Schrift und zahlreichen Illustrationen von Lena Hesse flott ausgelesen ist. Sicherlich bietet sie so manchen Diskussionseinstieg - wer braucht wie lange, um den wahren Übeltäter zu erkennen? Welche Folgen haben falsche Beschuldigungen? Welche Gefahren bringt die Nutzung von WhatsApp mit sich, vor allem bei Kindern unter 14 Jahren? Und wie glaubhaft ist es in der eigenen Klasse, eine solche faire Gerichtsverhandlung abzuhalten? Doch es bleibt auch der fahle Beigeschmack eines zu einfachen Plots und zu oberflächlicher Betrachtung der Folgen verschiedener Taten.

Das Buch

  • Umfang:
    160 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783551653086
  • Verlag:
    Carlsen

Das Hörbuch

  • Spielzeit:
    104 min
  • Typ:
    2 Audio-CDs
  • ISBN 13:
    9783745604832
  • Verlag:
    Silberfisch

 Der war's

Mit dem Kinderroman „Der war’s“ halten Juli Zeh und Elisa Hoven ein Plädoyer für mehr Toleranz, Fairness und gegen vorschnelles Urteilen. Wenngleich sich viele interessante Aspekte in der Geschichte finden und sich manches davon bestens als Diskussionsgrundlage eignet, kann der Plot dennoch nicht vollends überzeugen. Zu einfach machen es sich die Autorinnen an manchen Stellen, zu reibungslos und geradlinig laufen verschiedene Muster ab. Das Thema gehört dennoch weiterverfolgt, denn dass Schülerinnen und Schüler dafür sensibilisiert werden müssen, ist unbestreitbar.

Details

Bewertung

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