Tagebuch eines Überfliegers

von Frauke Angel, Lilli L'Arronge (Illustrator*in)
Rezension von Janett Cernohuby | 26. Oktober 2023

Tagebuch eines Überfliegers

Für die Reihe „Ohrenbär“ hat Frauke Angel 2017 eine authentisch-komische Geschichte über einen charmanten Jungen geschrieben. Diese wurde vom Tulipan Verlag entdeckt und ist nun als Buch erschienen. Ihr Titel lautet damals wie heute „Tageb-b-buch eines Überfliegers“.

Wenn die Worte hängen bleiben

Tomke spricht nicht so gerne. Er hat keine Lust dazu, denn die Worte kommen ihm nur holprig über die Lippen. Darum schickt ihn seine Mama auch abwechselnd zur Ergotherapie, Logopädie, zum autogenen Training und zum Gesprächskreis. Sein Vater ist der Meinung, mit Sport könne man Tomkes Sprechschwierigkeiten auflockern und probiert mit ihm verschiedene Ballsportarten aus. Dabei interessiert sich Tomke gar nicht für blöde Ballspiele. Er ist eher fasziniert von der Glitzergrünen, die in der Sporthalle auf Rollschuhen tolle Figuren macht. Delia kann sogar noch viel mehr. Sie kann Tomkes Gedanken lesen und weiß immer ganz genau, was in ihm gerade vorgeht. Kein Wunder also, dass die beiden sich bald schon anfreunden. Überhaupt findet Tomke, müsse man einen Gedankenleser erfinden, mit dem auch die anderen hören könnten, was er gerade denkt. Dann bräuchte er nicht mehr sprechen und die Worte kämen nicht mehr unvollständig oder zu spät aus ihm heraus.

Tagebuch eines Überfliegers

Authentische Alltagsgeschichte mit Tiefgang

Authentisch und komisch erzählt Frauke Angel hier eine besondere Geschichte. Es ist eine Geschichte, die unterhält, hinter der gleichzeitig aber auch viel mehr steckt. Das Buch ist Ermutigung für Kinder mit kleinen Handicaps und, ist Ermahnung an überfürsorgliche. Ganz klar, es geht hier um Behinderung, Beeinträchtigung, Besonderheit. Also eben um die kleinen Handicaps, die manch einer mit sich herumträgt. Unser Protagonist, Tomke, stellt von Anfang an klar, dass er eine solche hat. Auch wenn er sie selbst nicht als Behinderung wahrnimmt und ansieht. Er stottert. Mal mehr, mal weniger. Je mehr er sich unter Druck gesetzt fühlt, desto schwieriger fällt es ihm, die Worte über seine Lippen zu bringen. Manche Buchstaben gehen leichter als andere, manche Wörter mag er gerne, andere weniger. Unterhaltsam bringt die Autorin ihrer Leserschaft das im Laufe der Handlung näher. Gleichzeitig zeigt sie in ihr auch Erwachsene - Eltern, Lehrkräfte, Therapeuten - die ganz unterschiedlich mit dem Stottern umgehen. Die Mutter ist überfürsorglich, steckt Tomke jeden Tag in eine andere Therapie. Die Therapeuten wiederum finden das überflüssig und der Rest von Tomkes Verwandtschaft versucht das Stottern auf andere Art aufzulösen. Die Erfolge sind eher lau. Wirklich hilfreich ist da schon Tomkes Freundin und Mitschülerin, die ihn einfach so annimmt, wie er ist. Vielleicht liegt es daran, dass ihre Eltern taub sind und auf ihre eigene Weise kommunizieren. Auf jeden Fall geht Delia recht entspannt mit dem Thema um. Gleiches trifft auf die zunächst proletenhaft wirkende Nachbarin mit ihren Söhnen zu. Doch auch hier wandeln sich die Charaktere von beängstigend unfreundlich in sympathisch. Beide Jungs gehen auf eine Inklusionsschule - also eine Schule für besondere Kinder oder besonders Behinderte, wie die beiden abwechselnd behaupten. Hinter ihren Schilderungen werden ebenfalls Missstände angedeutet, die man in der Gesellschaft gerne einmal schönredet.
Und so entfaltet sich in Tagebuchform mit vielen witzigen Kritzeleien eine Geschichte, die man ganz unterschiedlich lesen kann. Unterhaltsam-witzig, kritisch-hinterfragend aber immer als Mut-machend und aufbauend. Denn Tomke lässt sich von den Großen wenig beeindrucken, sondern findet dank seiner Freunde seinen eigenen Weg, den er selbstbewusst geht. Das macht ihn zu eben jenem Überflieger, den der Titel des Buches erwähnt.

Tagebuch eines Überfliegers

„Tage-b-b-buch eines Überfliegers“ ist ein witzig geschriebenes Kinderbuch, das uns einen taffen Jungen vorstellt, der nur selten zum Sprechen kommt. Authentisch und berührend erzählt Frauke Angel dessen Geschichte und zeigt, wie er trotz allen kleinen und großen Stolperfallen seinen Weg findet und ihn mit voller Überzeugung geht. Großartig.

Details

Bewertung

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