Tillys Schatz

Antolin Quiz
von Jane Godwin, Anna Walker (Illustrator*in)
Rezension von Janett Cernohuby | 17. Dezember 2022

Tillys Schatz

Viele Kinder haben diese kleinen Schätze, die sie irgendwann irgendwo gesammelt haben und nun in einer kleinen Schachtel oder in einem Geheimversteck aufbewahren. Um solch ein Versteck mit kleinen Kostbarkeiten geht es auch in Jane Godwins Bilderbuch, das ganz zauberhaft von Anna Walker illustriert wurde.

Kleine Schätze

Tilly wohnt mit ihrer großen Familie in einem Haus. Hier ist immer etwas los, überall liegen Spielsachen herum und ihre Geschwister rennen lachend durch das Haus. Nur Tilly nicht. Sie ist stiller, zieht sich gerne in ihr Zimmer zurück, das im obersten Stock des Hauses ist. Vor ihrem Zimmer ist eine kleine Stufe, in der Tilly ein Geheimversteck entdeckt hat. Darin bewahrt sie ihre kostbaren Schätze auf: eine silberne Kugel mit einer winzigen Glocke darin, kleine Holzpuppen, einen besonderen Brief, eine Zeichnung und manch anderes. Doch dann streichen ihre Eltern das ganze Haus und verlegten obendrein überall einen weichen, flauschigen Teppich. Sogar über Tillys Stufe mit dem Geheimversteck! Das Mädchen ist am Boden zerstört. Ihre Schätze sind so nah und doch so unerreichbar für sie. Doch irgendwann verschwindet die anfängliche Traurigkeit und Tilly entdeckt neue Schätze, die sie in einem neuen Geheimversteck verwahrt.

Tillys Schatz

Leise und eindrucksvoll

Leise und poetisch erzählt Jane Godwin die Geschichte von Tilly und ihren Schätzen. So ähnlich lässt sich auch das Mädchen beschreiben: still, feinfühlig und tiefgründig. Während rings um sie das Leben tobt, liegt Tilly einfach unter dem Küchentisch, vor ihr ausgebreitet ihre kleinen Schätze, mit denen sie sich eingehend und konzentriert beschäftigt. Sie lässt die winzige Glocke sanft klingen, fühlt die Kühle der Kugel in ihrer Hand oder macht sich Notizen. Fast schon träumerisch beschreibt uns die Autorin das Mädchen mit seinen kleinen Schätzen. Umso härter trifft es sie und die Leserschaft, als eines Tages die Treppenstufe mit dem Geheimversteck unter einem Teppich fest verschlossen ist. So nah und doch unerreichbar fern sind nun die Schätze. Was tut Tilly? Bittet sie ihre Eltern um Hilfe? Schneidet sie selbst ein Loch in den Teppich? Nichts von all dem tut das Mädchen. Es ist ihr Geheimnis, es sind ihre Schätze, die sie bisher mit niemandem teilte und es auch jetzt nicht tun wird. Und so sitzt sie traurig auf ihrer Stufe, bewegt sich mit hängenden Schultern durch das Haus. Ihre Familie versteht nicht, was los ist, macht sich Sorgen um sie. Doch Tilly findet keine Worte, um sich ihnen anzuvertrauen. Eine traurige und zugleich stark bewegende Szenerie, die uns die Autorin hier zeigt. Damit wird deutlich, wie wichtig die kleinen Dinge im Leben sind. Wie groß auch kleine Schätze für einzelne sein können und wie hart der Verlust selbiger schmerzen kann. Doch irgendwann kommt man über jeden Verlust hinweg und so beginnt auch Tilly wieder, neue Schätze zu sammeln. Die alten hat sie deswegen nicht vergessen. Sie bleiben für Tilly immer in Erinnerung.
Diese warmherzige Geschichte wird von Anna Walkers eindrucksvollen Illustrationen getragen. Genau wie die Erzählung sind sie sehr zart und fragil gezeichnet. Helle Pastelltöne, die immer wieder mit kräftigen Farben durchsetzt sind, machen die Stimmung und auch Tillys Wesen für die Leserschaft greifbar. Die Bilder unterstreichen den Charakter und die Atmosphäre des Buchs auf ganz wunderbare Weise.

Tillys Schatz

Jane Godwin und Anna Walker präsentieren mit „Tillys Schatz“ ein ganz besonders Bilderbuch. Es erzählt auf sanfte und eindrucksvolle Weise von der Bedeutung kleiner Schätze, von Geheimverstecken und der Kraft, sich nicht aus der Bahn werfen zu lassen, auch wenn ein trauriges Ereignis und das Leben schwermacht. Ein wirklich zauberhaftes Bilderbuch.

Details

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